Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein paar Zahlen muss man jetzt schon noch einmal richtig stellen. Ganz banal: In Baden-Württemberg besuchen nicht 90 % der Kinder einen Kindergarten, sondern mehr als 95 %.
Dann sind es also überhaupt nur noch 5 %, die im Moment nicht vom Kindergarten erfasst sind. Wir wissen auch, wer diese 5 % sind.
Wir wissen zum Beispiel, dass die türkische Regierung noch bis vor einiger Zeit den türkischen Eltern geraten hat, ihre Kinder nicht in den Kindergarten zu schicken, und jetzt der Vertreter der türkischen Regierung, der für die türkische Bevölkerung im Ausland zuständig ist, schon bei uns war und gesagt hat: „Wir wollen mit euch gemeinsam eine Kampagne durchführen, um deutlich zu machen: Das war eine falsche Einstellung. Wir möchten, dass auch türkische Kinder künftig in den Kindergarten gehen.“ Das ist, denke ich, auch ein guter Schritt, sodass wir davon ausgehen können, dass der Kindergarten zunehmend wirklich der Kindergarten für alle Kinder ist.
Das Zweite – ich habe das eben eigens gesagt, und ich möchte nicht, dass das verloren geht, indem Sie es einfach ignorieren –: Wenn wir in Deutschland beim Thema Sprache wirklich vorankommen wollen, dann ist es wichtig, Akzente schon vor Eintritt in den Kindergarten zu setzen.
Dritter Punkt: Ich habe eben ausdrücklich gesagt: Es geht nicht um jedes fünfte, es geht um jedes vierte Kind. Es geht um mehr Kinder, als Sie glauben. Es geht im Schnitt um bis zu 25 000 Kinder in Baden-Württemberg.
Jetzt komme ich zum Thema „Freiwilligkeit und Eltern“. Ich kann das auch gut mit dem verbinden, was eben gesagt worden ist – wer was zu lange gedacht hat. Da bestehen in der Tat grundsätzliche Unterschiede im politischen Stil. Glauben Sie wirklich, dass Eltern von kleinen Kindern, die wissen – das wird gerade ja auch öffentlich deutlich –, wie wichtig bestimmte Entwicklungen sind, die wissen, dass es da Defizite gibt, die wissen, dass es da Möglichkeiten gibt, ihren Kindern diese Möglichkeiten verwehren?
(Abg. Wintruff SPD: Ja! Das gibt es! – Abg. Ruth Weckenmann SPD: Glauben Sie, dass es die Eltern wissen?)
Das ist genauso komisch wie der Satz: „Bei 20 % aller Kinder müssen vermutlich am Ende noch die Eltern verpflichtet werden, ihre Kinder in eine Krippe zu bringen, damit Sie Ihr politisches Ziel erreichen.“
(Abg. Drexler SPD: Schaffen Sie doch die Schul- pflicht ab! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Keine Ah- nung von Realität! – Weitere lebhafte Zurufe von der SPD)
Wenn Sie jetzt glauben, Sie könnten die Öffentlichkeit ungewöhnlich interessieren mit dem unentwegten Refrain, dass Baden-Württemberg Schlusslicht bei der Betreuung sei, dann kann ich Ihnen nur sagen: Noch in dieser Woche tagt die Kultusministerkonferenz.
In dieser Konferenz gibt es auch einen Ausschuss, der für Bildungsdaten zuständig ist und in den nächsten Wochen den neuesten Bericht über Betreuung und Ganztagsschulen in Deutschland vorlegen wird. Ich schlage vor – wir haben bald wieder eine Schulausschusssitzung –, im Ausschuss einmal über den Stand in den 16 Bundesländern und über die Frage, wer bei Betreuung und bei Ganztagsschulen wo steht, zu reden.
Es könnte sein, dass es da für manchen eine ziemliche Überraschung gibt. Das sage ich ja vermutlich nicht nur, weil ich mir das wünsche.
Unser politischer Ansatz ist eine Kinderpolitik, eine Familienpolitik wirklich aus der Perspektive von Kindern gesehen,
die Eltern ein Angebot macht, die nicht mit neuen Vorschriften kommt, mit denen wir von vornherein Eltern gegenüber Misstrauen in die Welt setzen würden. Das wäre falsch.
Schauen Sie sich einmal eine Umfrage für den Landkreis Karlsruhe an. Wer sich jetzt überlegt, was in den nächsten zehn Jahren in der Familienpolitik wichtig ist,
der muss sich vor Augen führen, dass Familien Wahlmöglichkeiten haben wollen und kein neues Lebensmodell vorgeschrieben bekommen wollen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Drexler SPD: Sie machen es aber doch nicht! Schauen Sie doch Ihre Wahlergebnisse an!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Schavan, es wäre besser gewesen, wenn Sie jetzt nicht ans Rednerpult gegangen wären.
Was Sie gesagt haben, war der Beweis dafür, dass Sie nicht verstehen, was Schule ist und wie die Lebenswirklichkeit aussieht.
Ich frage, meine Damen und Herren: Wo leben Sie denn? Wissen Sie nicht, dass es Eltern gibt, die ihre Kinder auffordern, die Schule zu schwänzen? Wissen Sie nicht, dass es Eltern gibt, die ihre Kinder arbeiten lassen, statt sie in die Schule zu schicken? Ich kann Ihnen hierfür konkrete Beispiele nennen.