Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin für die wohlwollende Diskussion dankbar; denn sie zeigt, dass man ein Konzept vorlegen kann und dass über ein solches Konzept, das ausgereift ist und das Gründlichkeit und Sachverstand verrät, auch eine intensive und qualifizierte Debatte möglich ist. Zunächst einmal herzlichen Dank dafür.
Ich möchte Ihnen zunächst sagen, warum wir diese Arbeitsgruppe im Jahr 2000 eingerichtet haben, was der Beweggrund dafür war – bei der Landesregierung, bei mir persönlich –, warum wir die Unterstützung des Herrn Ministerpräsidenten für diese Überlegungen bekommen haben. Ich glaube, man kann das um das Zauberwort „Kreativität“ herum festmachen. Es muss uns in Baden-Württemberg darum gehen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, im Wettbewerb der Standorte, im Wettbewerb der europäischen Regionen die Kreativitätspotenziale stärker zu fördern, stärker zu unterstützen. Das ist das Zauberwort, mit dem wir auch an die Förderung der Jugendmusik, der Pop- und Rockmusik in Baden-Württemberg herangehen müssen.
Baden-Württemberg muss nicht nur bei der Blasmusik vorne sein, bei der wir es Gott sei Dank sind, sondern BadenWürttemberg muss auch bei Pop vorne sein. Baden-Württemberg verkörpert sich durch Blasmusik und Pop, BadenWürttemberg verkörpert sich durch Jugendmusikschule und Rock. Wir brauchen beides in diesem Land.
Man darf jetzt vor allem nicht die Konzeption als eine isolierte Maßnahme sehen – als ein apartes Beiwerk, als ein Schmuckstück –, die man in schwierigen Haushaltszeiten machen kann oder auch nicht. Eine solche Maßnahme „Förderung der Jugendmusik“ muss sich vielmehr schon in eine Gesamtstrategie der Förderung von Kreativitätspotenzialen, von Nachwuchsbegabungen in diesem Land einreihen. Deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode die Medienförderung wieder deutlich forciert. Wir werden in dieser Legislaturperiode über 500 Millionen € für die Medienförderung in Baden-Württemberg ausgeben – übrigens nicht für Bauruinen wie in Nordrhein-Westfalen, wo in Oberhausen von Herrn Clement 120 Millionen für nichts verpulvert worden sind.
Wir forcieren die Filmförderung in diesem Land. Als wir 1995 gesagt haben – das war übrigens mein sehr verehrter Vorgänger und Kollege Erwin Vetter –, wir wollten eine Medien- und Filmförderungsgesellschaft gründen, hat man gesagt, wir kämen zu spät. Heute haben wir in der Bundesrepublik Deutschland den dritthöchsten Umfang an Filmförderung, und unsere Filmakademie ist unter allen Filmhochschulen in Europa vorne. Das ist Kreativitätspotenzial in Baden-Württemberg!
Nun müssen wir eben auch zur Kenntnis nehmen, dass die Musikwirtschaft ein ganz wesentlicher Faktor des Wirtschafts- und des Kulturlebens in der Bundesrepublik ist – darüber hinaus auch in Europa und in der ganzen Welt. Wer Kreativitätspotenziale wecken will, muss sich auch diesem Thema zuwenden, darf dies nicht isoliert tun, darf dies nicht nur unter subkulturellen Gesichtspunkten tun, sondern muss die wirtschaftlichen Möglichkeiten in den Mittelpunkt der Überlegungen stellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da beginnen wir nicht bei null. Bereits 1997 haben wir in Baden-Württemberg eine Rockstiftung auf den Weg gebracht. Die hat gute Arbeit geleistet. Nur weil wir die Rockstiftung in Baden-Baden haben, sind wir heute in der Lage, den nächsten Schritt zu tun.
Wir haben in diesem Land eine hervorragende Szene, eine Infrastruktur, die sich sehen lassen kann. Wir sind mit baden-württembergischen Gruppen in den Charts ganz weit vorn. Aus diesem Land kommen sowohl „Die Fantastischen Vier“ als auch „Pur“, die „Söhne Mannheims“ und Xavier Naidoo. Baden-Württemberg ist ein Land mit mittlerweile 5 000 Popmusikbands. Übrigens ist es insofern widersinnig, einen Gegensatz zwischen der modernen Form der Jugendmusik und den traditionellen Formen herauszuarbeiten, weil Kirchenmusik-, Schulmusik-, Jugendmusikarbeit heute ohne Rock- und Popmusik überhaupt nicht denkbar wären. Deshalb handelt es sich hierbei um eine Symbiose beider Bereiche.
In der Debatte ist schon zu Recht gesagt worden: Wir müssen die Chancen, die im wirtschaftlichen Bereich, in der Musikwirtschaft liegen, analysieren. Dabei handelt es sich um einen Umsatz von 2,5 Milliarden € pro Jahr in Deutschland. 150 000 Beschäftigte arbeiten in der Musikwirtschaft, und es handelt sich dabei weltweit um den viertgrößten Markt. Das ist das Potenzial, das wir in den Blick nehmen.
Dieser Bereich ist deshalb so interessant, weil er im Gegensatz zu fast allen anderen Sparten der Kultur nicht subventioniert ist. Es gibt nahezu überhaupt keine Subventionen im Bereich von Pop und Rock und der gesamten Unterhaltungsmusik. Dieses Potenzial muss sich selbst am Markt behaupten. Das ist auch die Chance für eine Ausbildungseinrichtung, die darauf fußt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir befinden uns in einer Umbruchzeit. Technologische Innovationen – Stichworte Napster, Musiktauschbörse, Bertelsmann, was Ihnen geläufig ist – revolutionieren die Musik- und Medienlandschaft. Das Internet tut ein Übriges. Genau in dieser Umbruchsituation müssen wir die Chance nützen, in BadenWürttemberg das Potenzial zu erschließen.
Ich glaube, man kann dies am besten dadurch bewirken, dass man eine qualifizierte Ausbildung anbietet. Das ist die Kernkompetenz dieses Landes. Wir haben es mit der Filmakademie schon einmal geschafft, vor zehn Jahren ein zartes Pflänzchen Filmindustrie im Land wachsen zu lassen, Filmförderung zu ermöglichen, weil wir auf Ausbildung gesetzt haben. Ministerpräsident Erwin Teufel hat im Jahr 1991 die
Filmakademie auf die Rampe gebracht. Wir wollen das wiederholen und wollen im Jahr 2003 so weit sein, dass wir in Baden-Württemberg eine Popakademie an den Start bringen, um die Potenziale zu nützen.
Wir hätten die Chance, ein Alleinstellungsmerkmal zu haben. Es gibt derzeit weder in Deutschland noch in ganz Europa eine vergleichbare Einrichtung. Wir wollen keine bessere Musikhochschule anbieten, sondern – das Stichwort ist zu Recht gefallen – eine Art Berufsakademie für das Musikbusiness. Praxisbezug, Praxisbezug und noch einmal Praxisbezug wären die Botschaft einer solchen Akademie.
Sehr verehrte Frau Sitzmann, eine grundständige Ausbildung und ein Kompetenzzentrum für Weiterbildung, Qualifizierung und Beratung können Sie nicht dezentral organisieren. Richtig bei Ihrer Rede war die Aussage, dass wir eine dezentrale Einbindung der gesamten Struktur im Land brauchen. Das ist wahr. Aber Sie müssen natürlich die Ausbildung schwerpunktmäßig an einem Ort konzentrieren, weil es sich ansonsten „verläppert“. Das ist auch eine der Grundempfehlungen der Arbeitsgruppe.
Deshalb bitte ich darum, jetzt nicht von der Konzeption wegzukommen, sondern diese Konzeption, die sich für eine zentrale Ausbildungseinrichtung mit der Möglichkeit von Schwerpunktsetzungen und Außenstellen im Land einsetzt und dafür plädiert, ernst zu nehmen.
Für ganz wesentlich halte ich übrigens die Tatsache, dass wir von Anfang an ein Gründerzentrum mit bedenken. Wir haben bei der Filmakademie in Ludwigsburg in den ersten Jahren versäumt, von Anfang an ein Gründerzentrum mit auf den Weg zu bringen. Für mich hat eine Rock- und Popakademie Baden-Württemberg nur dann Sinn, wenn wir am gleichen Ort auch ein Existenzgründerzentrum anbieten.
In der Debatte ist angesprochen worden, dass jetzt sowohl eine Standortentscheidung als auch ein Finanzierungskonzept auf den Tisch des Hauses gehörten. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, zunächst muss ein überzeugendes Konzept auf dem Tisch sein. Bisher haben Sie bestritten, dass ich ein solches Konzept vorlegen könne. Ich habe die Protokolle über die Beratungen des Wissenschaftsausschusses dabei. Da haben Sie gesagt, wir würden es gar nicht zu einem Konzept bringen, das Konzept werde gar nicht auf den Tisch des Hauses gelegt werden. Jetzt liegt das Konzept vor und findet allgemeine Akzeptanz.
Nun, wo dieses Konzept vorhanden ist, treten wir im nächsten Schritt in eine Standortbewertung ein. Parallel dazu werden wir Ihnen ein Finanzierungskonzept vorlegen. Dass dieses Finanzierungskonzept in Zeiten, in denen man Hunderte von Millionen Euro aus dem Haushalt herausstreichen muss, nicht aus neuen Haushaltsmitteln bestehen kann, ist den Initiatoren einer solchen Akademie auch klar.
Deshalb will ich hier sehr deutlich sagen: Wir treten jetzt in die Standortbewertung ein. Diese Standortbewertung wird sich an der Einbindung in ein kommunales und regionales Gesamtkonzept orientieren, an der Frage, ob eine lebendige Popszene in Stadt und Region vorhanden ist, ob eine nachhaltige Mitfinanzierung der Standortkommune erreichbar ist, ob die Schaffung eines Existenzgründerzentrums gewährleistet ist, ob weitere Finanzierungspartner für diesen potenziellen Standort gefunden werden können. Allein an diesen Kriterien wird sich die Standortauswahl orientieren.
Ein letztes Argument in diesem Zusammenhang: Weil wir wie bei der Filmakademie mit Praktikern arbeiten werden, weil wir mit einem ganz kleinen Personalapparat arbeiten werden, ist auch die Verkehrsgunst, die Erreichbarkeit für eine solche Akademie im nationalen und internationalen Kontext ein wichtiges Entscheidungsargument.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jedenfalls werden wir es nicht so machen wie die Damen und Herren von der grünen Landtagsfraktion, die sich mit zwei verschiedenen Pressemitteilungen für zwei Standorte aussprechen.
Die Kollegin Lösch als Landtagsabgeordnete aus Stuttgart plädiert in einer Pressemitteilung der Grünen für Stuttgart als Standort, und die Kollegin Rastätter aus Karlsruhe fordert Karlsruhe als Standort für eine Popakademie. So werden wir es nicht machen, das ist nicht unser Ansatz.
Herr Palmer, Sie sprechen einen Abgeordnetenbrief von mir an, und ich möchte Sie bitten, den doch richtig zu zitieren. In diesem Abgeordnetenbrief steht nämlich: Bitte nennen Sie uns die Kriterien, nach denen der Standort ausgesucht wird. Mit keinem Wort steht aber in diesem Abgeordnetenbrief, dass ich diese Popakademie in Stuttgart haben möchte.
Ich spreche keinen Abgeordnetenbrief an. Einen Abgeordnetenbrief, der noch nicht einmal beantwortet wurde, würde ich ohnehin nicht ansprechen. Ich spreche vielmehr eine Pressemitteilung der Grünen vom 15. Oktober an, in der Sie mit den Worten zitiert werden:
Deshalb empfehle ich Ihnen zuerst einmal: Bevor man die Kollegin Sitzmann ans Rednerpult schickt, die keinen zentralen Standort für eine solche Akademie will, während Frau Rastätter Karlsruhe und Frau Lösch Stuttgart als Standort fordert, sollte man sich bei den Grünen darüber einig werden, wofür man eigentlich ist.
wir werden Ihnen in absehbarer Zeit – ich bin gefragt worden, wann denn die Entscheidung kommen werde – einen Standort und ein tragfähiges, dauerhaftes Finanzierungskonzept vorschlagen. Ich bin überzeugt, dass wir mit der Schaffung einer Popakademie Baden-Württemberg, aber auch mit der Verwirklichung der weiteren Vorschläge, die in diesem Konzept angesprochen sind, einen echten Kreativitätsschub für dieses Land auslösen werden. Den wollen wir, und deshalb arbeiten wir hart daran, dass die Popakademie in Baden-Württemberg Wirklichkeit wird.