Wenn wir es nicht hinbekommen, dass diese Gleichstellungsverträglichkeitsprüfung regelmäßig in den Köpfen von Frauen und Männern stattfindet, kommen wir nicht weiter.
(Beifall bei der FDP/DVP – Minister Dr. Döring: Sehr gut! – Abg. Marianne Wonnay SPD: Sie hät- ten es immer gern unverbindlich!)
Wie kann man das denn hinbekommen? Das bekommt man dadurch hin, dass Frauenförderung Konsequenzen hat, und zwar für Frauen und Männer sowohl im positiven wie auch im negativen Sinne. Das heißt: Für einen Vorgesetzten oder
eine Vorgesetzte, die Frauen fördert, wirkt sich das auch für das eigene Fortkommen positiv aus. Das ist ein Anreiz!
Es genügt auch nicht, wenn man sagt: „Wie kriegen wir mehr Frauen in die Wahlgremien? – Frauen sollen Frauen wählen.“ Das ist schlicht zu wenig. Außerdem möchte auch ich mir weiterhin von Fall zu Fall vorbehalten, meine Stimme auch für vernünftige Männer abzugeben.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Gibt es die bei der FDP?)
Wenn wir aber ein richtiges Verhältnis kriegen wollen, dann darf Gleichstellungspolitik keine Einbahnstraße sein. Auch Männer müssen Frauen wählen und sich für sie einsetzen.
Ich habe die feste Zielsetzung: Männer sollen mehr und mehr die Erfahrung machen, dass es gerade für sie selbst und erst recht für die ganze Gesellschaft von Vorteil ist, wenn Frauen und Männer im Team sachgerecht zusammenwirken.
Ich möchte hier eine Gewinnwarnung aussprechen: Auch beim Thema Frauenförderung wird von der Geschichte bestraft, wer zu spät aufwacht.
Die bisherige Entwicklung der Frauenbewegung zeigt einfach: Jammern bringt uns nicht weiter. Deshalb gilt mein Dank an dieser Stelle all den Frauen und Männern, die handeln und sich engagieren; mit denen arbeite ich weiterhin gerne zusammen. Gender Mainstreaming muss nicht in Gesetzen und Verordnungen stattfinden, sondern in unseren Köpfen. Hier ist gewaltige Innovation angesagt.
Meine Damen und Herren, ich darf noch zwei Gäste auf der Tribüne herzlich willkommen heißen. Ich begrüße Frau Ministerin a. D. Barbara Schäfer und Herrn Landtagspräsident a. D. Erich Schneider. Herzlich willkommen bei uns!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch wenn wir heute den bundesweit ersten Frauenplenartag durchführen, ist Frauenpolitik in Baden-Württemberg wirklich keine Erfolgsstory. Wir sind jetzt zwar bundesweit die Ersten, die einen Frauenplenartag durchführen, doch war Baden-Württemberg eines der letzten Länder, die bundesweit den verfassungsmäßigen Auftrag, aktiv Gleichstellungspolitik zu verfolgen, in ein Landesgesetz zur Gleichberechtigung umgesetzt haben.
Frauenpolitik ist in vielen Bereichen selbstverständlicher und unspektakulärer geworden. Frauenpolitik ist aber nicht out. Nach wie vor gibt es sehr viele strukturelle Benachteiligungen, die die Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen verhindern. Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen werden wir erst haben, wenn die Rahmenbedingungen tatsächlich so gestaltet sind, dass Frauen und Männer die gleiche Möglichkeit haben, Familienarbeit und Berufsarbeit miteinander zu vereinbaren.
Erst dann, wenn die Infrastruktur für eine verlässliche, vernünftige Kinderbetreuung, auch für unter Dreijährige, hergestellt ist, haben Männer und Frauen überhaupt die Wahlfreiheit zwischen Familienarbeit und Erwerbsarbeit. Deshalb begrüßen wir es außerordentlich, dass der Bund 1,4 Milliarden € zur Verfügung stellt, damit die Kommunen vor Ort die Kleinkindbetreuung ausbauen können.
Meine Damen und Herren, dass es den Frauen nicht um monetäre Leistungen geht, sondern tatsächlich um den Ausbau der Infrastruktur, können Sie im 11. Kinder- und Jugendhilfebericht nachlesen.
Was tut das Land Baden-Württemberg, um die Chancengleichheit herzustellen? Die Landespolitik könnte für Frauen ein positives, frauenfreundliches Klima schaffen, indem sie erstens mehr Geld für die Kleinkindbetreuung zur Verfügung stellt. Mit diesen 7 Milliarden €, die das Land BadenWürttemberg für die Kleinkindbetreuung zur Verfügung stellt
(Abg. Walter GRÜNE: 7 Milliarden € wären ein biss- chen viel! Das müsste reichen! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das wäre schön, 7 Milliarden €!)
Zum Zweiten könnte die Landespolitik ein positives frauenpolitisches Klima zum Beispiel durch eine rasche Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes, bei der es irgendwo im Abstimmungsprozess zwischen den einzelnen Ministerien klemmt und die überhaupt erst frühestens im Jahr 2003 ins Kabinett kommt, erzeugen. Frauenpolitik braucht konkrete Ziele, braucht konkrete Handlungen und braucht auch konkrete Ergebnisse.
Etwas Konkretes hätten wir gestern bei der Anhörung zum Thema „Umsetzung von Gender Mainstreaming“ auch gern von Frau Lichy gehört. Man gewinnt hier in Baden-Württemberg den Eindruck, dass Frauenpolitik bei der Landesregierung nur ideenlose und bürokratische Verwaltungsakte bedeutet:
Prüfung zur Durchführung einer Fachtagung, Erarbeitung von Infomaterial, Arbeitshilfen und Checklisten, runde Tische, interministerielle Arbeitsgruppen, Konferenzen, Workshops, Seminare. Was wir brauchen, sind aber nicht zusätzliche Arbeitsgruppen. Wir brauchen mehr Durchsetzungskraft und vor allem auch mehr politische Verbindlichkeit.
Mehr politische Verbindlichkeit wird auch heißen: ein Landesgleichberechtigungsgesetz, das tatsächlich Biss hat, das die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an allen Landesprogrammen oder Gremien sichert, eine Absicherung von frauenpolitischer Infrastruktur der Frauenhäuser und der Kontaktstellen „Frauen und Beruf“ sowie eine Verankerung der kommunalen Frauenbeauftragten. Frauenpolitik ist in der Landesregierung nach wie vor schlecht verankert. Wir haben eine Staatssekretärin, Frau Lichy, die kein Stimmrecht im Kabinett und somit natürlich auch sehr wenig Einfluss auf die Landesregierung hat. Wir brauchen mehr Frauenpower in Baden-Württemberg.
Wenn man sich einmal den Vergleich zum Bundestag anschaut: Dort sind zwischenzeitlich 40 % der Führungspositionen, was Staatssekretäre und Minister anbelangt, von Frauen besetzt, während Baden-Württemberg mit 15 % am unteren Ende herumkrebst – da ist die neue Justizministerin, Frau Werwigk-Hertneck, schon mitgerechnet.
Auffallend gering ist auch nach wie vor die Repräsentanz der Frauen im Landtag. Im Bundestag sind jetzt 32,5 % Frauen. Nach Bayern ist Baden-Württemberg auch hier mit 22 % Frauen das Schlusslicht.
In der grünen Bundestagsfraktion sind es sogar 58 %. Das heißt, da hat sich der grüne Grundsatz der Quotierung der Listen voll bewährt. Das Ziel „Die Hälfte der Macht den Frauen“ haben wir bei den Grünen schon voll umgesetzt.
Jetzt noch ein Wort zum Thema Gender Mainstreaming. Gender Mainstreaming bedeutet, dass die gesamte Personalplanung, jedes Gesetz, jede Verordnung, jede Subvention, jede öffentliche Veranstaltung daraufhin überprüft wird, was die Auswirkungen auf Männer und Frauen sind und ob dadurch die Gleichstellung von Männern und Frauen gefördert wird. Das heißt, Gender Mainstreaming wird zu einer politischen Leitgröße wie zum Beispiel die Umweltverträglichkeit.
Was wir gestern bei der Anhörung erfahren haben, war doch enttäuschend. Am 24. Juli 2001 hat der Ministerrat das Sozialministerium aufgefordert, die Umsetzung von Gender
Mainstreaming in der Landesverwaltung zu erarbeiten. Ein Jahr später hat der Ministerrat dieses Konzept beschlossen. Und was haben wir gestern gehört? Wiederum nach eineinhalb Jahren: interministerielle Arbeitsgruppen, Infomaterial erstellen, Arbeitshilfen, Checklisten, Vorbereitung einer Fachtagung 2003. Aber was wir nicht gehört haben, das sind die Fakten, wie viel personelle und finanzielle Ressourcen dafür überhaupt zur Verfügung gestellt werden, wie die Schulungsangebote, die ja top-down laufen sollen, angeboten werden, wann zum Beispiel Ministerpräsident Teufel seinen Gender-Kurs macht und welche verbindlichen Kontrollinstrumente eingeführt werden.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie auf der Zuhörertribüne – Abg. Walter GRÜ- NE: Der Ministerpräsident ist wahrscheinlich gera- de beim Gender Mainstreaming!)
Was wir auch nicht gehört haben, ist, wie Gender Mainstreaming im Landesgleichberechtigungsgesetz verankert wird. Dessen Novellierung hätten wir heute eigentlich diskutieren sollen. Deshalb haben wir diesen Frauenplenartag auch gemacht, weil eigentlich die Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes zu diskutieren angestanden hätte, etwa inwieweit die Rechte der Frauenvertreterinnen jetzt endlich verbessert werden. Und was haben wir? Wir haben nur Semantik. Die einzige Aussage ist die Sprachregelungen, dass die Frauenvertreterinnen zukünftig nicht mehr „Frauenvertreterinnen“ heißen, sondern „Beauftragte für Chancengleichheit“. Aber reine Semantik reicht in diesem Bereich einfach nicht aus.