Meine Damen und Herren, wir müssen, was die Frauenpolitik und die Chancengleichheit anbelangt, in Baden-Württemberg, finde ich, kräftig Gas geben, damit wir da nicht abgehängt werden. Auch wenn dieser Frauenplenartag bundesweit der erste ist, geht es doch darum, sich an Taten messen zu lassen und nicht nur an Worten und schönen Plenarreden.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zum Entschließungsantrag der CDU und der FDP/DVP. Einig sind sich ja alle Parteien immer in den frauenpolitischen Aussagen: Wir möchten mehr Chancengleichheit, wir möchten eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Unterschiede zeigen sich jetzt nicht in den politischen Aussagen, sondern die Unterschiede sieht man bei den Instrumenten, wie man diese Ziele erreichen will. Da haben wir jetzt gehört, dass die CDU nach wie vor voll auf das Familiengeld setzt – das heißt, dass die Frauen zu Hause bleiben sollen –, während wir Grünen auf den Ausbau der Kinderbetreuung setzen, damit die Frauen überhaupt die Wahlfreiheit haben, zu entscheiden, ob sie zu Hause bleiben wollen oder arbeiten gehen wollen. Ihre Ideologie ist aus Ihrem Entschließungsantrag ganz klar herauszulesen. Deshalb lehnen wir diesen Entschließungsantrag ab.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist das Bestreben der CDU-Landtagsfraktion, die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Landesverwaltung unter Berücksichtigung des GenderMainstreaming-Ansatzes voranzutreiben.
Für ein modernes, zukunftsfähiges Land wie Baden-Württemberg ist es unverzichtbar, Mängel, Defizite zu beseitigen sowie verkrustete und nicht mehr zeitgemäße Verwaltungsstrukturen aufzupolieren.
Aber, sehr geehrte Frau Kollegin Wonnay, Chancengleichheit lässt sich nicht von heute auf morgen durch Regelwerke, Gesetze und Vorschriften erzwingen.
(Beifall bei der CDU – Abg. Marianne Wonnay SPD: Aber das Unverbindliche tut es auch nicht! – Abg. Fischer SPD: Durch Nichtstun auch nicht!)
Chancengleichheit, Gerechtigkeit oder die angemessene Berücksichtigung verschiedener Lebensrealitäten muss in den Köpfen und nicht nur auf dem Papier stattfinden.
(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Schmiedel SPD: Was du heute kannst besorgen, verschiebe nicht auf morgen!)
Der Bilanzbericht des Sozialministeriums zum Landesgleichberechtigungsgesetz verdeutlicht, dass Schritt für Schritt Chancengleichheit in der Landesverwaltung hergestellt wird, sofern sie nicht bereits besteht. Ob Teilzeitarbeitsplätze, Telearbeitsplätze, familiengerechte Arbeitszeiten – viele Stichworte sprechen dafür.
Unsere Aufgabe als gesetzgebendes Verfassungsorgan besteht nicht darin, immer neue und immer mehr überfrachtete undurchdringliche Paragraphendschungel zu produzieren, sondern dem gesunden Menschenverstand mehr Luft zu verschaffen. Eigenverantwortlich denkende und von der Realisierung von mehr Chancengleichheit überzeugte und weitsichtige, zukunftsorientierte Kolleginnen und Kollegen sind bei der Umsetzung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes effektiver als bevormundete, am Vorschriftenseil hängende Befehlsempfänger.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das familienfreundliche Land Baden-Württemberg wird mit gutem Beispiel vorangehen.
Letztendlich geht es uns nicht nur um Frauenförderung und Chancengleichheit, sondern auch um die Qualitätssicherung bzw. -steigerung und damit um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Junge Nachwuchskräfte werden künftig immer begehrter, und Ausbildungs- und Arbeitsplätze werden heute auch unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausgewählt. Die Chancengleichheit für Frauen und Männer ist für uns genauso das Ziel wie das Bestreben, dass Mütter und Väter in der Landesverwaltung nicht schlechter dastehen als nicht erziehungsberechtigte Beschäftigte.
Der Gender-Mainstreaming-Ansatz soll dafür sorgen, dass die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Frauen und Männern bereits im Vorfeld politischer Entscheidungen, Gesetze, Richtlinien, Förderprogramme, Planungen und Konzeptionen geprüft und in die Ausgestaltung mit einbezogen werden – im Grunde genommen eine pure Selbstverständlichkeit, die, wenn wir schon dabei sind, der Vollständigkeit halber noch um die Berücksichtigung unterschiedlicher Lebensrealitäten zum Beispiel von jüngeren und älteren Mitmenschen ergänzt werden müsste.
Auf den mir bekannten kommunalen Ebenen werden diese unterschiedlichen Lebensrealitäten ohne diese komplizierte Überschrift längst berücksichtigt, zum Beispiel beim Bau von Kindergärten, wo die betroffenen Erzieherinnen, die Väter und Mütter bereits in die Planungen einbezogen werden, oder bei der Renovierung von Freibädern. Zum Beispiel hat hierzu in meiner Stadt ein Stadtgespräch stattgefunden, bei dem jüngere und ältere Schwimmerinnen und Schwimmer, Spät- und Frühschwimmer, Männer und Frauen bei der Planung mitreden konnten. Gleiches geschah bei der Zusammenstellung von Ferienprogrammen. Gute Beispiele machen Schule und müssen unseren Kommunen nicht durch Vorschriften aufgedrückt werden.
Ich habe aufrichtigen Respekt vor denjenigen, die sich mutig und engagiert für die Verbesserung der Chancengleichheit einsetzen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das reicht aber nicht!)
Dieser Frauenplenartag wird viele aufmerksamer und sensibler machen. Er wird ein Signal darstellen. Die Thematisierung und die Beratung gestern und heute werden einen Bewusstseinsschub bewirken. Aber viele Menschen in unserem Land werden es nicht verstehen, wenn der Eindruck entstehen sollte, dass wir uns in den öffentlichen und mit Steuergeldern finanzierten Verwaltungen nur noch mit uns selbst beschäftigen.
Daher appelliere ich an unsere Opposition, nicht die nachweisbaren Schritte bei der Umsetzung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes nur schlechtzureden. Lassen Sie uns vielmehr gemeinsam für dieses Ziel sensibilisieren, werben, losmarschieren. Stimmen Sie unserem Antrag zu. Das wäre der erste Schritt.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt steht unter der Festlegung des 1994 eingefügten Artikels 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“, der in Verbindung mit der Übernahmenorm aus unserer Landesverfassung unmittelbar geltendes Landesrecht ist. Satz 1 dieser Grundgesetzbestimmung ist nicht aufgeführt, soll aber dennoch kurz angesprochen werden, weil dieser von Elisabeth Selbert erkämpfte Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ in der 50-jährigen Geschichte des Landes Baden-Württemberg immerhin 42 Jahre allein die Gleichstellungspolitik bestimmt hat. Diese Norm hat eine enorme Bedeutung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erlangt. Frau Kollegin Wonnay hat ja einige Beispiele aufgeführt. Sogar kompensatorische Maßnahmen wurden für zulässig erklärt.
Frau Kollegin Berroth, Herr Kollege Pauli, daran zeigt sich: Gesetze ändern nicht alles, aber ohne Gesetze ändert sich nichts.
Bei der Debatte in der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat hat sich wieder einmal erwiesen – Hans-Jochen Vogel hat es damals so beschrieben –: Die Positionen der konservativen Kräfte des Verharrens und die Positionen reformerischer Kräfte der Erneuerung standen einander gegenüber. Zielsetzung der Konservativen war, möglichst wenig Änderungen in der Verfassung zuzulassen. So war beispielsweise einer der Vorschläge, die Änderung des Artikels 3 Abs. 2 darauf zu beschränken, die Reihenfolge – Männer und Frauen – lediglich umzustellen, also zu formulieren: „Frauen und Männer sind gleichberechtigt.“ Der Vorschlag der SPD ging wesentlich weiter, auch der der Frauen-Union. Leider ist es nicht gelungen, so weit gehende Vorstellungen durchzusetzen.
In langwierigen Verhandlungen der Berichterstatterinnen ist es immerhin zu der bereits zitierten Ergänzung des Artikels 3 Abs. 2 gekommen, durch die ein Staatsziel formuliert wird, das aus unserer Sicht folgende wesentliche Verbesserungen mit sich brachte:
Erstens: In der Verfassung selbst wird gesagt, dass es Nachteile, insbesondere zulasten der Frauen, gibt, dass also zwischen der Normenwelt und der Realität ein erheblicher Unterschied klafft.
Zweitens: Der neue Gedanke wird verankert, dass nicht nur das Recht, sondern auch die Wirklichkeit der verfassungsmäßigen Ordnung entsprechen muss.
Drittens: Dem Staat wird ausdrücklich auferlegt, diesen Prozess der Gleichstellung aktiv zu fördern, auch durch Normen.
Viertens: Dem Staat wird aufgegeben, die in der Verfassung anerkannten Nachteile in der Realität nicht nur zu reduzieren, sondern zu beseitigen.
Nach dieser Verfassungsänderung hat die damals zuständige Ministerin für Familie, Frauen, Weiterbildung und Kunst, Frau Brigitte Unger-Soyka, umgehend ein Landesgleichberechtigungsgesetz erarbeiten lassen, das über die Koalitionsfraktionen damals vorgelegt wurde. Leider konnten unsere Vorstellungen wegen des Widerstands der CDU nicht alle durchgesetzt werden. Aber es wurde ein bedeutsamer Schritt in die richtige Richtung unternommen. Über die notwendige Weiterentwicklung und über die erforderlichen Verbesserungen werden wir bei der anstehenden Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes zu diskutieren haben, und, Herr Kollege Pfister, ich bin gespannt darauf, was Sie dann gegenüber der CDU durchsetzen.
Lassen Sie mich jetzt aber darauf zu sprechen kommen, was der Landtag selbst in seinem Bereich tun kann, um die Gleichstellung wirklich herbeizuführen.
Zunächst zur Sprache: Auch in dieser Legislaturperiode wurde unser Antrag, die Geschäftsordnung des Landtags durchgehend geschlechtsneutral zu formulieren, wie es beispielsweise der Bundestag getan hat, abgelehnt. Es blieb bei der peinlichen Regelung, dass die geschlechtsneutrale Formulierung nur bei der ersten Nennung einer Position vorgenommen wird.
Zum Zweiten: Der Frauenanteil im Landtag ist beschämend gering. Mit 28 Frauen – 9 bei der CDU, 12 bei der SPD, 2 bei der FDP/DVP und 5 bei den Grünen – bei 128 Abgeordneten beträgt er gerade einmal 22 %. Bei der Debatte über das Landesgleichberechtigungsgesetz 1995 hat der damalige Frauenbeauftragte der FDP/DVP-Fraktion, Herr Dr. Walter Döring,
Wenn Sie in allen Fraktionen einen höheren Frauenanteil haben wollen, dann müssen Sie das Landtagswahlrecht ändern.
Notwendig ist deshalb eine Änderung des Landtagswahlrechts unter anderem dahin gehend, dass bei grundsätzlicher Aufrechterhaltung unseres Wahlsystems der Frauenanteil zum Beispiel über eine kleine Landesliste erhöht werden kann. Dass das Wahlrecht dafür eine erhebliche Bedeutung hat, zeigt sich an dem wesentlich höheren, wenn auch nicht voll befriedigenden Frauenanteil von gegenwärtig 32,2 % im Deutschen Bundestag.
Allerdings müssen die Parteien die Möglichkeit durch entsprechende Maßnahmen auch tatsächlich nutzen. Die Parteien in Baden-Württemberg haben dies bei der Bundestagswahl in sehr unterschiedlicher Weise getan. Unter den 34 baden-württembergischen Bundestagsabgeordneten der CDU sind lediglich drei Frauen. Der Frauenanteil ist damit noch geringer als der hier bei der CDU-Landtagsfraktion.