Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhart CDU)

Herr Kollege Reinhart, zu Ihrer Beruhigung: Ich halte eine solche Ausnahmegenehmigung unabhängig davon, von welchem Parlament sie erteilt wird,

(Zuruf des Abg. Pfisterer CDU)

für verfassungspolitisch nicht in Ordnung. Deshalb gilt – da können Sie beruhigt sein – meine Auffassung, die ich für

unsere Fraktion vertreten habe, für alle Mitglieder in allen Parlamenten.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Auch für Rezzo!)

Aber sie muss auch und gerade jetzt hier in Baden-Württemberg gelten, weil ich – auch als Abgeordneter eines Parlaments, der die Exekutive zu kontrollieren hat – dafür selber geradestehen muss.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen? – Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bebber.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sind für die politisch absolut saubere Lösung. Das heißt, wir wollen, dass es so abläuft, wie es in BadenWürttemberg bisher in der Praxis abgelaufen ist. Wer hier Justizminister geworden ist, war nicht mehr Rechtsanwalt, hatte keine Geschäftsanteile an einem Anwaltsbüro mehr und setzte sich somit nicht auch nur dem Anschein des Verdachts aus, er könnte gelegentlich in Interessenkollisionen geraten. Wir sind für die absolut saubere politische Lösung, unabhängig davon, was rechtlich möglich oder nicht möglich ist. Dies haben wir in der Vergangenheit hier im Land Baden-Württemberg so gehalten. Herr Eyrich hat sein Anwaltsbüro aufgegeben, und ich kann mich erinnern, dass wir uns auch einig waren, als es darum ging, Frau Frick als Justizministerin zu vereidigen, die ja gar keine Anwältin war.

(Abg. Blenke CDU: Das ist nicht vergleichbar!)

Es war ihr Ehemann, der eventuell, wenn er in Ausübung seiner Anwaltstätigkeit gegen das Land hätte auftreten müssen – –

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das haben Sie in der Presse ausgetragen, nicht im Parlament! – Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP – Weitere Zuru- fe)

Wir waren uns einig, dass die politisch absolut saubere Lösung die beste für das Land Baden-Württemberg ist.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wir hätten uns heute diesen ganzen Aufwand sparen können, wenn gerade vonseiten der FDP/DVP gestern auf unseren Wunsch gehört worden wäre, die Vorgehensweise zu ändern und zu beraten, bevor man solche Entscheidungen trifft, damit kein politisches Porzellan zerschlagen wird. Es ist zerschlagen.

Wir haben einen weiteren Grund, jetzt ganz konkret diesem Antrag, wie er heute im Ständigen Ausschuss vorgelegt worden ist, nicht zu entsprechen. Vonseiten des Herrn Ministers Palmer ist gesagt worden, die Justizministerin sei Alleininhaberin der Kanzlei. Der Antrag wurde in folgendem Wortlaut gestellt: „Gesellschaftsvertragliche Geschäftsführungsbefugnisse in ihrer Anwaltssozietät und das entsprechende Stimmrecht werden unwiderruflich für die Zeit des Ruhens der Anwaltszulassung auf einen Vertreter übertragen.“ Es handelt sich also um eine Anwaltssozietät.

Wir wissen nicht, was jetzt Sache ist. Denn in einem Interview – nehme ich an; es war eine dpa-Meldung – hat die Frau Justizministerin erklärt, sie bleibe lediglich Mitinhaberin in ihrer Kanzlei, was auch immer das ist.

(Heiterkeit bei der SPD)

Wenn es eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist, nutzt es übrigens nichts, wenn sie ihr Stimmrecht auf einen Vertreter überträgt, weil es eine ganze Zahl von Entscheidungen innerhalb einer solchen Gesellschaft geben kann, ohne dass es im formalen Sinne Abstimmungen gibt. Das heißt, durch diese Vorlage oder dieses Versprechen ist nicht sichergestellt, dass sie in ihrem Anwaltsbüro nicht in anwaltlicher Tätigkeit bzw. in bestimmter Tätigkeit in Bezug auf das Geschäftsgebaren des Anwaltsbetriebs tätig wird.

Wir wollen Klarheit haben, bevor etwas geschieht. Formal ist das, was hier vorliegt, nicht in Ordnung, und auch aus grundsätzlichen Überlegungen und aus politischen Überlegungen können wir dem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Theurer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin fest davon überzeugt, dass, wenn die Debatte des heutigen Tages in einigen Jahren einer historischen Analyse unterzogen wird, geurteilt wird: viel Lärm um nichts.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Ich zitiere meinen akademischen Lehrer Professor Dr. Klunzinger,

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Schmiedel SPD: Wo ist er denn?)

der mir den alten Juristenspruch mit auf den Weg gegeben hat: „Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.“

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Um das gehts doch gar nicht!)

In Artikel 53 Abs. 2 der Landesverfassung heißt es:

Die hauptamtlichen Mitglieder der Regierung dürfen kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben. Kein Mitglied der Regierung darf der Leitung oder dem Aufsichtsorgan eines auf wirtschaftliche Betätigung gerichteten Unternehmens angehören. Ausnahmen kann der Landtag zulassen.

„Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?“, würde es im „Faust“ heißen. Auch hierzu gibt es Kommentare, und ich denke, man muss dieser Frage doch einmal nachgehen.

Tatsache ist, dass die Tätigkeit nicht ausgeübt werden darf, nicht aber das Innehaben eines Berufes oder eines Gewer

bes angesprochen ist. Hierzu darf ich den von Dr. Paul Feuchte herausgegebenen Kommentar zitieren:

Die in Artikel 53 Abs. 2 festgelegten Unvereinbarkeiten sind mit denen in Artikel 66 GG inhaltsgleich; sie erstrecken sich auf besoldete öffentliche Ämter, auf das Gewerbe im Sinne einer auf Dauer und Gewinnerzielung angelegten Tätigkeit im weitesten Sinne und auf alle Berufe im Sinne von Artikel 12 GG.

Entscheidend ist aber der nächste Satz:

Verboten ist bei diesen Tätigkeiten allein die Ausübung, nicht das bloße Innehaben eines solchen Amtes, Gewerbes oder Berufes, sofern die Ausübung ruht.

Frau Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck hat dargelegt und auch nachgewiesen, dass die Ausübung ihrer Tätigkeit als Anwältin ruht. Damit ist eigentlich auch klar, dass der Verfassungsnorm Genüge getan ist.

Nun bricht auch das Landesrecht nicht das Bundesrecht. Deshalb ist auch entscheidend, was in Artikel 12 des Grundgesetzes gesagt ist. Entscheidend ist dabei das Faktische. Hier wird eine Parallele vom Selbstständigen zum Angestellten gesucht. Bei einem Selbstständigen wird es in Parallele dazu erforderlich sein, dass die entsprechenden Tätigkeiten eingestellt werden.

Entscheidend ist dabei das Faktische.

So steht es im Grundgesetzkommentar aus dem Jahr 2002, herausgegeben von Ingo von Münch.

Die rechtliche Konstruktion ist demgegenüber sekundär. Soweit allerdings konkrete Handlungspflichten zum Beispiel aus gesellschafts- oder familienrechtlichen Verträgen bestehen, sind auch diese vertraglich aufzuheben. Das Unternehmen als solches braucht aber nicht eingestellt zu werden. Der Betroffene steht also vor der Notwendigkeit, rechtlich oder auch nur faktisch für Ersatz zu sorgen, damit das Unternehmen fortgeführt werden kann... Nicht erforderlich ist dagegen, dass das betroffene Regierungsmitglied das Eigentum oder seine sonstige privatrechtliche Verfügungsbefugnis über das Unternehmen aufgibt. Der Eigentumsschutz aus Artikel 14 I, der dem Regierungsmitglied als Privatperson erhalten bleibt, muss hier den Vorrang haben...

So weit der Kommentar zum Grundgesetz, herausgegeben von Professor Dr. Ingo von Münch.

Nun zur Frage der Ausnahmegenehmigung. Vor diesem Hintergrund ist dem mit der Abgabe der Anwaltstätigkeit an einen Vertreter schon Rechnung getragen. Deshalb ist die Frage: Muss dann überhaupt noch eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden? Es könnte, zumindest rein theoretisch, der Fall auftreten, dass eine Nachfolgeregelung für den Treuhänder gefunden werden muss. Lediglich hierfür und gegebenenfalls für eine Übergangszeit soll vorsorglich diese Ausnahmegenehmigung beantragt und aus unserer Sicht auch erteilt werden.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es! Genau das ist der Punkt!)

Auch hierzu muss man sich noch einmal überlegen, was mit den Ausnahmen gemeint ist. Ich zitiere noch einmal aus einem Kommentar, herausgegeben von Dr. Klaus Braun:

Bei der Ausnahmezulassung können als sachliche Ermessensgesichtspunkte herangezogen werden: das Interesse des Landes an der Wahrnehmung seiner Belange in bestimmten Unternehmen, in denen das Land finanziell oder organisatorisch Einfluss ausüben kann.

Das haben Sie bereits angesprochen. Darüber hinaus gelten aber als Gründe auch die geringe Belastung des Regierungsmitglieds sowie

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

die geringe Gefahr von Interessenkollisionen.

(Zurufe von der SPD)