Im deutschen Gesellschaftsrecht haben wir bei vielen Gesellschaften eine Zwei- oder Dreistufigkeit. In der Rechtsform der GmbH gibt es Gesellschafter und Geschäftsführer. Bei der Aktiengesellschaft gibt es die Aktionärsversammlung, den Aufsichtsrat und den Vorstand. Auch bei der KG gibt es Komplementäre und Kommandi
tisten. Nur bei den freien Berufen gibt es bei den dort oftmals gewählten BGB-Gesellschaften die Einstufigkeit: Die Socii sind zugleich Gesellschafter und Leitungsorgan – Geschäftsführer, auch wenn man sie nicht so nennt.
Wenn nun die Ministerin ab 1. Januar nächsten Jahres – auch insofern besteht Klarheit, Kollege Bebber: im Augenblick ist es noch eine Anwaltskanzlei; ab 1. Januar ist es als BGB-Gesellschaft geplant – diesen Weg geht, kommt es doch entscheidend darauf an, dass jede Leitungsfunktion, jede Geschäftsführung nicht mehr wahrgenommen werden kann und nicht mehr möglich ist. Darum geht es.
Sie bleibt Gesellschafterin einer zu gründenden Gesellschaft. Sie wird nicht Geschäftsführerin sein.
Wenn uns Frau Werwigk-Hertneck erstens dartut, dass sie ihre Zulassung als Anwältin ruhen lässt, wenn sie zweitens dartut, dass sie nicht mehr aktiv vor Gericht und gutachterlich als Anwältin tätig ist, wenn sie drittens erklärt, dass sie alle Stimmrechte ohne Widerrufsrecht auf einen Vertreter überträgt,
und viertens dartut, dass sie in ihrer Amtszeit als Ministerin keinerlei Aufgaben der Geschäftsführung wahrnimmt, hat sie alles getan, damit sämtliche Aufgaben, die operativ mit der Sozietät verbunden sind, von ihr nicht mehr wahrgenommen werden können oder übertragen werden. Kurzum: Sie zieht sich faktisch auf die Funktion der Gesellschafterin zurück und nimmt am geschäftsführenden Bereich nicht mehr teil.
Ich glaube, damit wird in der einstufigen BGB-Gesellschaft der Schnitt genau dort gezogen, wo der Wille des Gesetzgebers und auch der Verfassung im Grunde genommen die Nutzanwendung verlangt.
Nun hat Herr Kollege Oelmayer gesagt: „Aber sie bekommt Gewinnbezüge.“ Ja, natürlich! Aber nicht aus Anwaltstätigkeit,
nicht aus Nebentätigkeit, sondern aus Eigentum, aus Vermögen – so, wie es jedermanns Recht ist, etwa Aktiendividenden oder Ausschüttungen aus Gesellschaftsanteilen an einer GmbH zu beziehen.
Ich sage offen: Die CDU-Fraktion würde sich in ihrer Entscheidung deutlich leichter tun, wenn die Ministerin die seit drei Jahren bestehende Möglichkeit der Gründung einer Rechtsberatungs-GmbH genutzt hätte, weil bei einer Rechtsberatungs-GmbH die Trennung zwischen Geschäftsführung und Gesellschaftern, die Zweistufigkeit, im Gesetz steht und dort angeboten wird. Aber wir haben zu respektie
ren, dass die Ministerin in der Folge aus ihrer Amtstätigkeit ab 1. Januar 2003 die viel gebräuchlichere Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts wählt. Ich glaube, das ist nicht von uns, sondern von ihr zu entscheiden.
Wir sind heute darauf beschränkt, zu prüfen, ob eine Interessenkollision aus BGB-Gesellschaft einerseits und Ministeramt andererseits wahrscheinlich oder möglich erscheint.
Ich glaube, Frau Werwigk-Hertneck tut alles, dass es nicht zu einem Interessenkonflikt kommen kann. Deswegen halten wir die Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses für sachgerecht.
Sie ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist, glaube ich, auch in der Ermessensausübung sachgerecht. Deswegen stimmen wir heute der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung in der beantragten Form mit der von der Ministerin schriftlich gemachten Zusicherung einer völligen Enthaltsamkeit im operativen Bereich zu.
Herr Oettinger und Herr Theurer, es geht doch um etwas ganz anderes. Es geht überhaupt nicht um die Frage, wie das rechtlich zu handhaben ist. Es geht um die Frage, dass in Baden-Württemberg bisher unwidersprochen klar war, dass Justizminister keine Anteile an irgendwelchen Rechtsanwaltskanzleien besitzen, wenn sie selber oberster Chef der dritten Gewalt sind. So war das.
Und jetzt frage ich Sie von der CDU, warum Sie diesen Konsens verlassen. Das ist mir nicht klar. Warum weichen Sie von diesem Konsens ab? Keinerlei Argumente. Ich kann natürlich dicke Bücher lesen, Gesetzestexte usw. Darum geht es gar nicht. Es geht um die politische Moral, die wir in diesem Land bisher klar praktiziert haben.
Jeder, angefangen bei Herrn Eyrich, ist aus seiner Kanzlei ausgestiegen, Herr Kollege. Deswegen muss ich einfach fragen: Warum soll das jetzt nicht mehr gelten? Sie haben keinerlei Gründe dafür angegeben, überhaupt keine. Bisher haben sich alle CDU-Minister daran gehalten. Warum soll es nun plötzlich – und jetzt komme ich auf den einen tatsächlichen Fall – in Baden-Württemberg passieren können – das ist doch nicht weit weg von der Welt –, dass die Anwaltskanzlei der Ministerin bei der Staatsanwaltschaft oder vor Gericht auftritt und dann womöglich der Gegenanwalt sagt: „Das ist doch klar, dass der gewinnt, das ist ja die Anwaltskanzlei der Ministerin“, und die Richter sich irgendwie entscheiden müssen? Das muss doch nicht sein,
Da kommt es doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, gar nicht darauf an, ob das rechtlich möglich ist. Herr Eyrich hat auch gewusst, dass es rechtlich möglich ist, aber er hat es halt anders gemacht. Es geht um die Sauberkeit, wenn Sie es gering sagen: ums „Gschmäckle“. Wir wollen die dritte Gewalt – weder die Staatsanwälte noch die Richter – nicht in die Situation bringen, dass sie dauernd vor den Sachverhalt gestellt werden: Hier tritt die Anwaltskanzlei der Ministerin auf. Und dann wird das Urteil, in welcher Form auch immer, begutachtet. Das wollen wir nicht. Deswegen sind wir gegen eine Ausnahmegenehmigung. Wir wissen nicht, warum Sie den Konsens verlassen. Das ist für uns nicht nachvollziehbar. Bei der FDP/DVP ist es klar, bei Ihnen von der CDU ist es uns nicht klar.
Deswegen ist unser Appell: Stimmen Sie nicht zu! Wir müssen nicht das machen, was in anderen Bundesländern und im Bund möglicherweise üblich ist. Baden-Württemberg braucht in diesem Jubiläumsjahr – wir haben 50-JahrJubiläum – nicht auch noch eine Veränderung der politischen Kultur vorzunehmen. Wir sehen überhaupt keinen Anlass dafür.
Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oelmayer. Herr Abgeordneter, Sie haben noch eine Minute Redezeit zur Verfügung. Bitte halten Sie sie ein.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will nur kurz etwas sagen, und zwar auch auf den Vortrag von Herrn Oettinger. Es macht natürlich den entscheidenden Unterschied aus, Kollege Oettinger, ob jemand als Justizministerin die Richterinnen und Richter beruft
oder ob jemand als Staatssekretär dem Kabinett angehört und für die Richterbestellung und Richterberufung nicht verantwortlich gemacht werden kann.
Und ein letzter Punkt. Kollege Hauk, es gibt für diese Situation der politischen Kultur wegen in diesem Landtag und in diesem Haus nur eine Lösung: Die Ministerin muss ihre Inhaberschaft der Kanzlei auf Dritte übertragen. Das mag ja auch im Familienkreise sein. Aber wenn wir dieses Dogma brechen, haben wir Hunderte von Ausnahmegenehmigungen für die nächsten Jahre präjudiziert.
Genau diese Situation können und wollen wir nicht zulassen. Deswegen werden wir heute gegen diese Ausnahmegenehmigung stimmen.
Gemäß § 88 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abg. Birzele das Wort zu einer persönlichen Erklärung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Ich bin schon etwas erstaunt, Herr Kollege Theurer, dass Sie, auf Latrinengerüchte gestützt, diese Frage gestellt haben. Ich habe an meiner Erklärung von heute Morgen kein Jota zu ändern. Das habe ich Ihnen vorhin im Ständigen Ausschuss erklärt. Ich habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, ich hätte meine Anwaltszulassung zurückgegeben.
Das habe ich nicht gemacht. Ich habe sogar Kammerbeiträge gezahlt, wenn Sie es genau wissen wollen. Ich habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass Briefköpfe, auf denen mein Name noch aufgetaucht ist, nicht mehr verwandt worden wären. In dem Fall – ich habe im Ständigen Ausschuss schon einmal versucht, Ihnen das darzulegen;
das haben Sie offensichtlich nicht verstanden –, den der Bundesgerichtshof entschieden hat und der dort eine Rolle gespielt hat, hat ein früherer bayerischer Justizminister seine Anwaltsanteile aufgegeben, aber sein Name stand weiterhin auf dem Briefkopf. Mein Name stand für eine Übergangszeit noch auf dem Briefkopf. Ich habe nichts anderes behauptet.