Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Landesarbeitsmarktpolitik hat die Aufgabe, sich um ganz spezielle Zielgruppen im Land zu kümmern. Das sind die Langzeitarbeitslosen und arbeitslose Jugendliche. Hier entziehen Sie sich massiv Ihrer Verantwortung. Wenn ich sehe, dass wir bei den jugendlichen Arbeitslosen eine Vermittlungsquote in den ersten Arbeitsmarkt – wenn ich meinen Wahlkreis Aalen-Ellwangen betrachte – von 50 bis 60 % haben, kann es doch nicht sein, dass Sie hier so massiv kürzen. Das ist absolut verantwortungslos. Der absolute Hammer ist dann aber, dass die Europäische Sozialfondsförderung komplett wegfällt. Darüber machen Sie sich überhaupt keine Gedanken.

(Abg. Alfred Haas CDU: Nein, nein! Das ist doch nicht wahr! Das stimmt doch gar nicht!)

Wer soll denn hier in Zeiten knapper Kassen für die Kofinanzierung einspringen? Können das die Kommunen? Können das die Arbeitsämter?

(Zuruf von der SPD: Natürlich nicht!)

Wer soll das denn machen? Die privaten Träger sind dazu doch überhaupt nicht in der Lage. Hier gehen uns durch Ihre Politik im Land – –

(Zurufe der Abg. Hoffmann und Alfred Haas CDU: Hartz!)

Mit Hartz hat das überhaupt nichts zu tun.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Durch Ihre Politik im Land gehen uns Millionen Euro an Beiträgen aus der Europäischen Union für den Arbeitsmarkt verloren, die wir in Baden-Württemberg dringend benötigen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Kofinan- zierung!)

Ich komme zu Ihren Kürzungen bei der Ausländersozialberatung.

(Abg. Drexler SPD: Integration!)

Ich darf Ihnen aus Ihrem Koalitionsvertrag vorlesen:

Wir sind uns bewusst, dass Baden-Württemberg im Wettlauf um die besten Köpfe nur dann erfolgreich sein kann, wenn die Integration ausländischer Mitbürger und Arbeitskräfte gelingt und sich unser Land weltoffen zeigt. Unser Hauptziel für ausländische Mitbürger, die rechtmäßig hier leben, heißt Integration. Dafür ist das Beherrschen der deutschen Sprache Grundvoraussetzung. Wir werden die Maßnahmen zur Integration von Ausländern entsprechend der Maxime „fördern und fordern“ verstärken.

Sonntagsreden der CDU! – Nun sind beschlossen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Kürzungen der Mittel für die Ausländersozialberatung 1,55 Millionen €, Kürzungen bei den Spätaussiedlern 5 Millionen €. Da der Bund diese Dienste nur dann finanziell unterstützt, wenn das Land sie auch fördert, werden im nächsten Jahr auch hier die 2,6 Millionen € an Bundesmitteln wegfallen. Ich sage nur: Wahlbetrug – um in Ihrer Terminologie zu bleiben – und Bruch von Wahlversprechen. Auch hier werden bewährte Strukturen zerschlagen. Sprechen Sie mit den Diensten bei der AWO. Schon im letzten Haushalt sind zahlreiche Stellen gestrichen worden. Jetzt stehen 130 Stellen in diesem Bereich zur Disposition.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das ist ein anderes The- ma! – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Zudem gibt es eine Kostenabwälzung auf die Kommunen. Die sind nämlich mit den Problemen der sozialen Integration zukünftig völlig allein gelassen.

Zu den Sozialpsychiatrischen Diensten will ich noch anmerken: Herr Minister, Sie haben versucht, sich mit dem Bereich Soziotherapie herauszureden.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das ist euer Gesetz!)

Sie wissen ganz genau: Das Angebot der Soziotherapie deckt vom breiten Spektrum, das die Sozialpsychiatrischen Dienste anbieten, gerade einmal 15 % ab. Sie kennen das übrige große Aufgabenfeld. Das kann es nicht sein. Auch Sie bekommen, wie wir alle, die verzweifelten Briefe der Dienste vor Ort. Die Menschen sind verzweifelt. Die 65 Sozialpsychiatrischen Dienste im Land betreuen 20 000 psychisch kranke Menschen vor Ort, Herr Kollege Noll.

(Abg. Alfred Haas CDU: Mehr oder weniger!)

Es kann nicht sein – ich kann das nicht glauben –, dass die FDP/DVP bei diesen Kürzungen mitmacht.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Nein! Ich sage dazu et- was!)

Das ist mir schleierhaft.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Wenn der Grundsatz „Ambulant vor stationär“ gelten muss und wenn wir wissen, dass diese Dienste durch die Kürzungen der Landesregierung in den Stellenbesetzungen einbrechen werden, dann kann es doch nicht sein, dass wir diese kranken Menschen dann stationär einweisen müssen. Das wäre doch die logische Konsequenz. Haben Sie sich das einmal durchgerechnet? Das kommt uns alle doch viel teurer als die Beträge, die wir hier mit Ihren Kürzungen bei den Sozialpsychiatrischen Diensten sparen. Das kann es nicht sein.

(Abg. Alfred Haas CDU: So, jetzt!)

Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch daran – das ist mir noch ganz wichtig, Herr Minister Repnik –, wie wir die Soziotherapie in Baden-Württemberg installieren wollten. Ich erinnere an Ihre Vereinbarung mit den Kassen. Das Land hat sich hier als Partner in der Soziotherapie angeboten. Voraussetzung war ein flächendeckendes Betreuungsnetz. Leere Worte! Jetzt ziehen Sie sich zurück. Das bedeutet – die Rückmeldungen von den Trägern haben wir, und sie sind völlig realistisch –: Die Hälfte der Dienste muss ihre Arbeit einstellen. Wollen Sie die Menschen und wollen Sie auch die Kassen hier vor Ort allein lassen?

(Abg. Hoffmann CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Das müssen Sie mir dann schon noch ein bisschen näher erklären.

Ich will auch hier zitieren. Es gibt ein Schreiben des Landesverbands Baden-Württemberg der Angehörigen psychisch Kranker an den Herrn Ministerpräsidenten. Darin geht es um die geplante Kürzung der Landesmittel für den Sozialpsychiatrischen Dienst.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

so schreibt Herr Peghini; das ist der Vorsitzende –

im Programm Ihrer Partei zur letzten Landtagswahl war zu lesen: „Die Behinderten gehören nicht an den Rand unserer Gesellschaft. Sie gehören in deren Mitte.“ Wir nehmen an, dass man auch jene Menschen im Sinn hatte, die als psychisch Kranke und Behinderte unter uns leben. Ebenso verstehen wir die Absichtserklärungen, die in die Koalitionsvereinbarung Eingang gefunden haben: „Die Integration Behinderter ist mit aller Kraft voranzubringen. Schließlich ist den Behinderten eine volle Teilnahme am öffentlichen Leben zu ermöglichen, das heißt, die öffentliche Infrastruktur ist entsprechend auszurichten.“

Mit Ihrem Beschluss, hier Mittel zurückzuziehen, widersprechen Sie diametral allem, was Sie im Koalitionsvertrag und was Sie in Ihrem Programm zur Landtagswahl versprochen haben. „Wahlbetrug“ ist das Wort, das ich Ihnen in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht ersparen kann!

(Abg. Rückert CDU: Wer hat uns das Geld entzo- gen? – Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Oje, Frau Haußmann! Das glauben Sie ja selbst nicht!)

Das kann es nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Solange Sie Geld für Imagekampagnen ausgeben,

(Abg. Hoffmann CDU: Billig! Immer das Gleiche! – Zuruf des Abg. Kiefl CDU)

solange Sie Millionenbeträge für die „Elternakademie“ der CDU-Abgeordneten Renate Heinisch ausgeben und solange Sie Millionen für eine Gartenakademie in Baden-Württemberg ausgeben,

(Abg. Hoffmann CDU: Ablenkungsmanöver! – Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Mit Ihren alten Kamel- len können Sie sich aber wirklich nirgendwo sehen lassen! – Zurufe von der SPD)

sprechen wir Ihnen jegliche Berechtigung ab, im Sozialhaushalt zu kürzen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP/DVP.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Haas.

(Abg. Capezzuto SPD: Oh! – Abg. Hoffmann CDU: Sehr gut!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe jetzt wahrscheinlich eine Dreiviertelstunde darauf gewartet, dass aus den Reihen der SPD Vorschläge kommen, wie wir im Sozialhaushalt zu Umschichtungen der jetzt gemachten Einsparvorschläge kommen.

(Abg. Capezzuto SPD: Haben Sie nicht zugehört?)

Ich habe sehr gut zugehört. Herr Drexler hat Zeug gefaselt, das nichts mit dem Sozialhaushalt zu tun hatte. Noch schlimmer ist, dass die Kollegin, die sozialpolitische Sprecherin der SPD, in anderen Haushalten herumwühlt, um Finanzierungsvorschläge für den Sozialhaushalt zu machen.

(Abg. Drexler SPD: Klar! – Abg. Capezzuto SPD: Sie brauchen ein Hörgerät!)

Ich finde es ja gut, dass Herr Kretschmann noch einmal grundsätzlich dargestellt hat, in welcher schwierigen Situation wir sind. Es war nun wirklich nur ein Hauch, wenn wir bei 1 Milliarde € Steuerausfällen, die wir im Land haben, mit diesen Sparvorschlägen 300 Millionen € eingespart haben. Wir haben jetzt 300 Millionen € weggestrichen. Es gibt überhaupt keinen Sturmlauf der Liga, Herr Drexler.

(Abg. Drexler SPD: Was? Lesen Sie einmal die Schreiben!)

Papier ist geduldig. Ich habe am Dienstagmorgen ein ausführliches Gespräch mit der Liga gehabt.