Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

weniger Neuverschuldung anstreben. Dazu muss auch der soziale Bereich seinen Beitrag leisten. Übrigens sagen mir auch Vertreter der Liga der freien Wohlfahrtspflege immer, selbstverständlich müsse auch der soziale Bereich seinen Beitrag leisten. Wir sind mit unseren Partnern im Gespräch.

Im Sozialhaushalt haben wir ca. 60 Millionen € freie Mittel. Die anderen Mittel – Herr Oettinger hat die Zahlen schon genannt: ca. 1,3 Milliarden € – sind im Wesentlichen fest gebunden. Wir müssen in diesem Bereich – wenn wir nicht

ganze Strukturen im Selbsthilfebereich kaputtmachen wollen, da wir sehr viele kleine Töpfe haben – also in der Tat schauen, dass wir, wenn wir unseren Einsparbeitrag erbringen,

(Abg. Alfred Haas CDU: Die SPD macht uns Vor- schläge! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Haben wir doch schon! – Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

zumindest solche Einsparungen leisten, die zukunftswirksam sein werden. Das können nur Einsparungen sein, mit denen wir keine Strukturen zerstören und bei denen andere Verantwortlichkeiten herrschen.

Im Übrigen, zur sozialen Schieflage: Unser Beitrag zu den 300 Millionen € wären etwa 32,5 Millionen € gewesen. Wir gehen jetzt mit etwa 9 bis 10 Millionen € hinaus. Sie sehen: Statt 10 % haben wir gerade einmal 3 % der Einsparungen zu tragen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist doch ein Erfolg!)

Das zeigt doch, dass die Landesregierung sehr wohl sieht, dass wir im sozialen Bereich durchaus Schwerpunkte setzen müssen. Einsparungen müssen wir aber trotzdem erbringen. Ich sage es noch einmal: Selbst die Liga der freien Wohlfahrtspflege sagt: Auch wir wissen, dass wir umstrukturieren müssen.

Sparmaßnahmen sind natürlich immer schmerzhaft. Jetzt sage ich Ihnen, Herr Kretschmann, was mir an Ihren Äußerungen wehtut. Sie sagen: „An den Ärmsten der Armen wird gespart.“ Wir haben die Sparmaßnahmen nicht bei den Ärmsten der Armen erbracht, sondern glauben, dass wir die Umstrukturierungen, die wir jetzt vornehmen müssen, verantworten können: Sie betreffen die Bereiche Arbeitsmarktprogramme – darauf komme ich gleich zu sprechen –, Ausländersozialberatung, Erziehungsarbeit in Jugendwohnheimen und Sozialpsychiatrische Dienste. Die Auswirkungen sind sorgfältig abgewogen.

Beispiel SPDi’s: Wir haben hier nicht auf null gekürzt, sondern wir haben die Zuschüsse halbiert.

(Lachen bei der SPD – Zurufe von der SPD)

Moment, hören Sie einmal her. Es gibt auch einen Grund dafür. Es gibt bei den Krankenkassen jetzt eine neue Leistung, die Soziotherapie heißt. Punkt 1. Soziotherapien, das sind Leistungen, die die SPDi’s erbringen,

(Abg. Alfred Haas CDU: Das muss man dem Drex- ler sagen, das weiß er nicht!)

können jetzt zum Teil über die Krankenkassen abgerechnet, also refinanziert werden. Seit dem 1. Januar 2002 gibt es psychiatrische Institutsambulanzen, die zum Teil die gleichen Leistungen über die Krankenkassen erbringen wie die SPDi’s. Wir haben in vielen Bereichen noch SPDi’s, wobei mindestens zwei Träger in einem Kreis quasi um diese Patienten „buhlen“, um sie werben.

Nun stellen wir uns Folgendes vor, und das ist denkbar und machbar: Wir brauchen bei den Diensten eine stärkere Vernetzung, wie wir sie zum Teil – in Friedrichshafen gibt es das schon – in Sozialpsychiatrischen Zentren haben, wo Ta

(Minister Dr. Repnik)

gesstätten, Werkstätten und Fachstätten für psychisch Kranke integriert sind. Das heißt, wir denken an den Patienten. Er wird bei richtiger Umstrukturierung mit Sicherheit alle Leistungen bekommen können. Ob alle Dienste in dieser Form noch angeboten werden können, das ist eine ganz andere Frage. Wichtig ist nur, dass der Patient die Dienste noch bekommt. Deswegen können wir in diesem Punkt sehr wohl verantworten, dass wir die Zuschüsse halbieren.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Ich habe doch eben gesagt, dass durch Vernetzung, durch Zusammenarbeit, durch Umstrukturierung überhaupt nichts kaputtgemacht wird.

(Abg. Drexler SPD: Das sagen die aber nicht!)

Mit den Diensten sind wir jetzt im Gespräch. Übrigens, die Dienste machen es so, wie Sie es als Opposition machen. Sie sagen: „Man muss sparen, man muss mehr sparen, ihr spart viel zu wenig – aber an diesem Punkt dürft ihr nicht sparen.“ So werden Sie es auch im Haushalt bei allen Punkten machen. Herr Drexler wird sagen: „Ihr müsst sparen“, der Finanzsprecher wird sagen: „Ihr müsst sparen, ihr spart viel zu wenig.“ Und dann kommen die einzelnen Sozialsprecher oder Kultursprecher, die beklagen, da und dort werde zu viel gespart. Das kennen wir doch alles.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Landesarbeitsmarktprogramme: Natürlich fahren wir da herunter, weil das auch ordnungspolitisch richtig ist, wenn die Gelder fehlen. Für den Arbeitsmarkt ist die Bundesanstalt für Arbeit zuständig. Im Land Baden-Württemberg haben wir im Jahr 2001 – die Zahlen liegen auf dem Tisch – laut Landesarbeitsamt für integrierende Maßnahmen bei Langzeitarbeitslosen 230 Millionen € und für Jugendarbeitslosigkeit – Eingliederung, JUMP-Programm – 400 Millionen € ausgegeben. In Baden-Württemberg!

(Zurufe von der SPD: Vom Bund!)

Moment! Diese Summen wurden in Baden-Württemberg von der Bundesanstalt für Arbeit ausgegeben.

(Zuruf von der SPD: Vom Bund! Das sind doch Bundesmittel, das wissen Sie doch! – Abg. Drexler SPD: Diese „schlimme Bundesregierung“!)

Natürlich, die Gelder sind von der Bundesanstalt für Arbeit.

(Zuruf von der CDU: Das sind Gelder von den Ar- beitnehmern! – Zurufe von der SPD, u. a.: Hat die Bundesregierung das JUMP-Programm im Bund gemacht?)

Ich möchte einmal die Zahlen nebeneinander stellen. Der Arbeitsmarkt – das ist auch nach dem Gesetz klar – ist Bundesangelegenheit. Wir haben die Bundesanstalt für Arbeit. Da wurden im Jahr 2001 für Langzeitarbeitslosigkeit 230 Millionen € und für Jugendarbeitslosigkeit 400 Millionen € ausgegeben.

(Zuruf von der SPD: Der Bund!)

Wenn man so viel Geld hat und dann glaubt, wir könnten mit 5 Millionen €

(Abg. Drexler SPD: 15 Millionen!)

mir geht es jetzt um die 5 Millionen € – die Fehler, die die Bundesanstalt für Arbeit macht, weil die Gelder falsch eingesetzt sind, beheben, dann liegt man in der Tat falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden das berufspraktische Jahr erhalten, weil wir glauben, dass man gerade bei der Jugendarbeitslosigkeit mit relativ wenig Geld viel machen kann. 80 % Übergangsquote sind aus Effizienzgesichtspunkten ganz hervorragend. Wir werden weiterhin 1 500 Jugendliche fördern können.

Im Übrigen muss man noch eines sagen. Bei dem Langzeitarbeitslosenprogramm – ich habe es einmal evaluieren lassen – ist das Verhältnis zwischen dem Einsatz öffentlicher Mittel und der Übergangsquote kaum mehr verantwortbar. 130 000 DM im Schnitt – und da waren die guten dabei – kostete die Vermittlung eines Langzeitarbeitslosen in den regulären Arbeitsmarkt. Die Vermittlungsquote liegt bei unter 30 %. Ich glaube, diese Programme sind nicht unbedingt die geeigneten Programme, die man weiterhin aufrechterhalten muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir nehmen Einsparungen für die Zukunftsfähigkeit vor. Wenn man hier von einer Schieflage spricht, liegt man in der Tat völlig falsch. Wenn die Bundesregierung so weitermacht, wie wir es jetzt erleben, dann ist das Ganze nur ein Vorspiel. Da geht nur ein ganz leises Lüftchen. Der Wind kommt im nächsten Jahr. Die Politik von Rot-Grün führt zu einer Mangelverwaltung, die wir im Land auszutragen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nachdem wir dies gerade in Berlin erleben, gehe ich davon aus, dass Sie, wenn wir in Baden-Württemberg das eine oder andere umsetzen müssen, schon damit anfangen können, neue Anträge zu schreiben und neue Aktuelle Debatten auf den Weg zu bringen. Ich bitte Sie, diese Anträge auf Aktuelle Debatten nicht an die Landesregierung in Baden-Württemberg zu richten, sondern sie gleich nach Berlin zu schicken.

(Beifall der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU – Abg. Drexler SPD: Ja, ja! Dann können wir es gleich nach Berlin abtreten!)

Schicken Sie es am besten gleich zum Bundeskanzleramt, denn dort ist zu verantworten, was wir nachher im Land auszubaden haben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Haußmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über den Rückzug der Landesregierung aus ihren ureigensten Aufgabenfeldern in der Landessozialpolitik. Gerade in Zeiten knapper Kas

sen zeigt sich die Kompetenz einer Regierung darin, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht, lieber Kollege Haas und lieber Kollege Hoffmann.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Hoffmann CDU: Gemeindepsychiatrie, nicht Landespsychiatrie!)

Lassen Sie mich etwas zu dem Rückzug der Landesregierung aus den Arbeitsmarktprogrammen und aus den Beschäftigungsprojekten sagen. Wir haben in Baden-Württemberg in den letzten Monaten leider einen massiven Anstieg der Zahl der Arbeitslosen. Dieser Landesregierung fällt nichts anderes ein, als sich zurückzuziehen in einer Zeit, in der wir auf diesem Markt jeden Euro dringend brauchen. Sie wissen genau, wie wichtig und sinnvoll die Arbeit unserer Träger vor Ort ist. Wir haben bei den Langzeitarbeitslosen eine Vermittlungsquote von 30 %.

(Abg. Alfred Haas CDU: So wenig?)

Denken Sie an die schwierige Klientel, Herr Haas. Ich gehe auf Ihren Zwischenruf gar nicht ein, das macht bei Ihnen wirklich keinen Sinn.

(Abg. Drexler SPD: Das hat keinen Sinn! – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Landesarbeitsmarktpolitik hat die Aufgabe, sich um ganz spezielle Zielgruppen im Land zu kümmern. Das sind die Langzeitarbeitslosen und arbeitslose Jugendliche. Hier entziehen Sie sich massiv Ihrer Verantwortung. Wenn ich sehe, dass wir bei den jugendlichen Arbeitslosen eine Vermittlungsquote in den ersten Arbeitsmarkt – wenn ich meinen Wahlkreis Aalen-Ellwangen betrachte – von 50 bis 60 % haben, kann es doch nicht sein, dass Sie hier so massiv kürzen. Das ist absolut verantwortungslos. Der absolute Hammer ist dann aber, dass die Europäische Sozialfondsförderung komplett wegfällt. Darüber machen Sie sich überhaupt keine Gedanken.