Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

(Beifall bei den Grünen – Zurufe von der CDU)

Zum letzten Punkt, zum Flughafen Lahr: Wir unterscheiden uns hier vermutlich von den anderen Fraktionen im Haus, weil wir eine klare Position haben. Wir lehnen Passagierflugverkehr an diesem Flughafen ab, weil es nicht sinnvoll ist, im Abstand von 50 Kilometern Flughäfen zu betreiben. Die machen sich nämlich tatsächlich Konkurrenz. Selbst wenn dieser Flughafen im Moment keine Zuschüsse von uns einfordern sollte, ist doch schon absehbar, wann der Tag kommt, an dem Sie Subventionen wollen, mit dem Argument von Herrn Steim, dass die bereits getätigten Investitionen sonst verloren seien.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Wir geraten dann unter Druck. Jedenfalls ist das nicht dazu geeignet, das Defizit in Söllingen zu reduzieren. Aus diesen beiden Gründen halten wir nichts von einem Passagierflughafen in Lahr.

Davon völlig frei ist natürlich eine juristische Bewertung. Wenn das Ergebnis der Prüfung lautet, dass wir die Genehmigung nicht verweigern können, Herr Kollege Scheuermann, werde ich auch nicht den Antrag stellen, das dennoch zu tun, weil Niederlagen vor Gericht ja nicht vorsätzlich angestrebt werden müssen.

Wir haben aber eine politische Position. Wir teilen die Auffassung des Ministers Döring, dass aufgrund der Festsetzungen des Landesentwicklungsplans der Flughafen in Lahr nicht für Passagierbetrieb genehmigt werden soll.

Herr Minister Müller, da auch Sie dieser Auffassung sind: Man kann sich ja manchmal die Bündnispartner nicht aussuchen. Sie haben hier Herrn Teufel im Rücken, aber Sie haben Palmer und Döring an Ihrer Seite. Vielleicht reicht Ihnen das insgesamt, um Ihre Position gegen die Qualität der Anträge, die hier eingebracht worden sind, durchzubringen. Herr Scheuermann hat mit Recht gesagt, die Anträge seien gleichmäßig schlecht. Man könnte ja auch beantragen, dass der Flugverkehr auch künftig die Tatsache berücksich

tigt, dass die Erde keine Scheibe ist. Gegen die Qualität dieser Anträge werden Sie sich doch sicher durchsetzen können.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, unter unseren Gästen auf der Zuhörertribüne gilt mein besonderer Gruß dem Generalkonsul der Republik Polen, Herrn Waclaw Oleksy.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Herr Generalkonsul Oleksy hat seinen Sitz in München und ist auch für das Land Baden-Württemberg zuständig.

Herr Generalkonsul, ich begrüße Sie hier im Plenum des Landtags von Baden-Württemberg sehr herzlich und wünsche Ihnen weiterhin einen angenehmen Aufenthalt und erfolgreiche Gespräche.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich erteile das Wort Herrn Minister Müller.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Die Kollegen der SPD-Fraktion haben mich soeben beruhigt und meinten, sie hätten sich für heute Abend nichts vorgenommen, sie könnten mir jetzt in Ruhe zuhören. Machen Sie sich also auf längere Ausführungen gefasst.

(Abg. Göschel SPD: Das machen wir bei Ihnen im- mer!)

Ich will mit etwas ganz Allgemeinem anfangen, was hier vielleicht noch gar nicht angesprochen worden ist, was aber sicherlich ein Eckpunkt ist. Luftverkehr ist zunächst einmal Marktgeschehen, ganz einfach. Wir reden hier immer über Infrastruktur. Das Verhältnis zwischen Markt und Infrastruktur muss man, glaube ich, zunächst einmal klären.

Wenn ich sage, Luftverkehr sei Marktgeschehen, dann hängt dieses ganz wesentlich von dem ab, was sich generell in der wirtschaftlichen Entwicklung zeigt. Ob das die Weltkonjunktur ist, ob das die Exportabhängigkeit ist, ob das die Entwicklung im Tourismus ist, ob das die allgemeine nationale und internationale Sicherheitslage ist: Diese Faktoren bestimmen zunächst einmal die Größe des Kuchens, und die Größe des Kuchens ist natürlich viel wichtiger als viele Fragen, wo der Kuchen gebacken wird und wie der Kuchen verteilt wird.

Das schlägt sich unmittelbar nieder – in den letzten zwei Jahren hat man das ja sehen können – in Rückwirkungen in der Tourismusbranche, in der Luftverkehrsbranche, in der Luftfahrtindustrie. Geschäftspolitik, Wettbewerbssituation, Ertragssituation, Konkurse – bedeutet dies kleineres Fluggerät, bedeutet dies größeres Fluggerät, bedeutet dies eine Konzentration auf weniger Flughäfen, bedeutet dies die Nutzung von Billigflughäfen, die Low-Cost-Entwicklung? Das alles sind Faktoren, die das Geschäft eigentlich bewegen.

Ich erwähne das deswegen, um zunächst einmal deutlich zu machen: Wer glaubt, dass er mit dem wunderschönen Wort

(Minister Müller)

Luftverkehrskonzeption irgendetwas gestalten würde, der täuscht sich. Er gestaltet gar nichts. Wir reden nur darüber, wie wir diesen Prozess infrastrukturell möglichst gut begleiten, vielleicht stützen, vielleicht auch korrigieren. Aber dieses Geschehen beeinflussen wir nicht. Insofern ist das etwas völlig anderes als beispielsweise beim öffentlichen Personennahverkehr, wo wir tatsächlich auch die Transportleistung selber bestimmen. Hier bestimmen wir ein Stück Infrastruktur, nicht mehr und nicht weniger.

(Abg. Drexler SPD: Bei Straßen machen wir es auch!)

Das Interessante ist, dass diese Infrastruktur, nämlich die Flughäfen, ihrerseits Wirtschaftsunternehmen sind, die übrigens sehr teuer sind und die deswegen im Prinzip nicht gegen den Markt angelegt sein können, weder indem sie Überkapazitäten haben, die sich nicht refinanzieren, noch indem sie umgekehrt knappe Kapazitäten haben, die dann zu großen Schwierigkeiten führen.

Das heißt, das, was wir politisch tun, ist immer eine abgeleitete Größe aus dem, was wirtschaftlich geschieht.

(Zuruf von der SPD: Sehr richtig! – Abg. Schmie- del SPD: Und jetzt? – Gegenruf des Abg. Pfister FDP/DVP: Erst warten, Schmiedel!)

Das war der erste Gedanke.

(Heiterkeit)

Ich steigere. Jetzt sage ich einen zweiten Gedanken: Ich finde es schon interessant, dass erst ein Abgeordneter der Grünen überhaupt noch auf die ökologische Dimension des Luftverkehrs zu sprechen kam. Ich habe diesen Aspekt sehr wohl bei allen Entscheidungen im Hinterkopf, und es ist schon bemerkenswert, wie sehr man, je nachdem, in welcher Debatte man gerade ist, Aspekte unter Umständen total ausblendet. Ich will ausdrücklich unterstreichen und bestätigen, was Sie sagen: dass es nicht darum geht, den Luftverkehr zu subventionieren, und dass wir deswegen eine steuerliche Gleichstellung brauchen. Dafür werden Sie immer meine Unterstützung haben. Nur: Sagen Sie es gelegentlich auch noch Herrn Salomon, der sich für die Billigfluglinien in Lahr einsetzt, und sagen Sie es auch Herrn Schlauch, der von diesen Subventionierungen schon in besonderem Maß profitiert hat.

(Vereinzelt Heiterkeit – Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Abg. Pfister FDP/DVP: Salomon redet nicht mehr mit ihm!)

Meine Damen und Herren, der Markt, von dem ich gerade gesprochen habe und der in dem ganzen Geschehen der eigentlich bewegende Faktor ist, befindet sich in einem unglaublichen Umbruch. In den letzten zwei Jahren sind mehrere weltbekannte Luftverkehrsgesellschaften in Konkurs gegangen – in Europa wie in Amerika. Die Lufthansa geriet in große Turbulenzen. Die Luftfahrtindustrie schreibt, was noch nie der Fall war, rote Zahlen. Die Entwicklung der Low-Cost-Carrier ist eine kräftige und gleichzeitig eine, bei der ich mir völlig sicher bin, dass sie so, wie sie sich im Moment gestaltet, nicht anhalten wird. Es handelt sich um

eine typische Nischenentwicklung, bei der es irgendwann einmal einen Scheitelpunkt und anschließend eine Marktbereinigung gibt. Das heißt, wer nur auf die Low-Cost-Carrier setzt, setzt auf e i n Pferd. Man kann aber nicht einfach sagen: Es ist eine geradlinige Entwicklung, die sich ewig so fortsetzt.

Der Markt befindet sich im Umbruch, und die Frage lautet: Wie können wir darauf reagieren? Was tun wir? Wir haben einen Landesflughafen, wir haben zwei Regionalflughäfen, wir haben in Lahr einen Sonderflughafen für Fracht, und wir haben einige Verkehrslandeplätze. Ich will dazu einmal der Reihe nach etwas sagen.

Landesflughafen Stuttgart: Wir haben uns in der Landespolitik vor langer, langer Zeit entschieden, dass es einen Flughafen im Miteigentum – künftig im überwiegenden Eigentum – des Landes geben soll. Er soll als Kontinentalflughafen ausgebaut werden. Das war die Zielsetzung, und diese ist bis heute richtig. Deswegen haben wir seinerzeit gegen viele, viele örtliche Widerstände – auch Widerstände in diesem Haus – den Ausbau und die Renovierung des Landesflughafens vorangetrieben. Sie werden sich erinnern: Das Planverfahren erstreckte sich über 20 Jahre – mit Tausenden von Einsprüchen,

(Abg. Schmiedel SPD: Viel zu lang!)

mit einer großen politischen Kontroverse, die, wie gesagt, nicht nur auf den Fildern, sondern auch in diesem Haus stattgefunden hat. Wir haben schon damals die Linie verfolgt, an der wir auch jetzt festhalten.

Wir haben dann diesen Ausbau mit der Schuldendiensthilfe finanziell begleitet. Ich kann mich an die Jahre erinnern, in denen für SPD und Grüne die Schuldendiensthilfe einen Steinbruch in der Haushaltspolitik darstellte.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das hat sich nicht ge- ändert! Bei uns nicht! – Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist heute immer noch so!)

Wir haben gesagt: Das war damals notwendig. Deswegen, weil es jetzt nicht mehr notwendig ist, wird aus unserer eigenen Entscheidung heraus – das musste uns nicht die Opposition sagen – die Schuldendiensthilfe im Jahr 2003 eingestellt. Auch da ist die Entwicklung geradlinig. Es ist schon merkwürdig, dass diejenigen, die am wenigsten über eine Konzeption verfügen, von uns, die wir eine haben, verlangen, wir sollten eine aufstellen.

Das gilt übrigens auch für das Thema „Zweite Start- und Landebahn“. Der damalige Planfeststellungsbeschluss enthielt klare Aussagen bezüglich einer zweiten Start- und Landebahn.

(Abg. Schmiedel SPD: Denkverbot!)

Sie bezeichnen das jetzt als „Denkverbot“. Herr Drexler geht nach dem Motto vor: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Liebe Landesregierung, lege dich doch bitte fest. Ich beklage, dass es einen großen Bedarf gibt. Aber ich fordere gleichzeitig, dass es möglichst keine zweite Start- und Landebahn gibt.“ Herr Schmiedel, führen Sie in Ihrer Fraktion einmal eine Abstimmung durch.

(Minister Müller)

(Beifall der Abg. Dr. Noll und Heiderose Berroth FDP/DVP – Abg. Schmiedel SPD: Wir haben kein Denkverbot!)

Mich würde interessieren, was da herauskäme. Sie versuchen, anderen ein Problem vor die Füße zu legen,

(Zuruf des Abg. Göschel SPD)

das Sie selbst nicht lösen können. Jetzt können Sie sagen, Sie seien in der Opposition, Sie bräuchten es nicht zu lösen. Okay, auf diesen Standpunkt kann man sich stellen.

(Zuruf des Abg. Göschel SPD)

Wir haben zu dieser Frage eine klare Position. Das nämlich, was wir heute auf den Fildern haben, ist das, womit der Flughafen in den nächsten Jahren rechnen kann und rechnen muss. Mehr wird es nicht sein.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Abg. Pfister FDP/DVP: Klare Aussage!)