Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Abg. Pfister FDP/DVP: Klare Aussage!)

Ja, klare Aussagen. Hier wird immer davon geredet, es gebe keine Konzeption. Ich werde Ihnen an vielen Punkten noch zeigen, dass es zwei Fraktionen, dass es eine Regierung gibt, die eine Konzeption haben, die in den aktuellen Streitfragen sehr viel mehr zur Orientierung beiträgt, als Sie glauben.

Im Übrigen: Sehen Sie die tatsächliche Luftverkehrsentwicklung in den letzten zwei Jahren mit Abweichungen von, einmal ganz grob gesagt, minus 5 % im Verhältnis zu einer Erwartung von plus 5 %. Das ist allein in zwei Jahren eine Abweichung von 20 %, gemessen an den Erwartungen. Das verschiebt natürlich alle Probleme, auch die Notwendigkeit eines Ausbaus des Flughafens Stuttgart, um viele Jahre nach hinten – das nur nebenbei gesagt.

Unsere klare Position, was den Flughafen Stuttgart anbelangt, ist so beschrieben: Eigentum, Finanzierung, Planung in dem Umfang wie bisher.

Friedrichshafen hat einen Regionalflughafen, an dem sich das Land Baden-Württemberg – früher in bescheidenem Umfang, mittlerweile in sehr bescheidenem Umfang, nämlich mit 1,2 % – beteiligt. Das ist ein Regionalflughafen in dem Sinne, dass er regionale Träger hat und dass er vom Land Zuschüsse bekommen kann. Diese Zuschüsse hat er bekommen. Der Regionalflughafen Friedrichshafen hat jetzt große Ausbaupläne. Ich finde es gut, dass ein Flughafen eine längerfristige Vorausschau macht, sodass man das Ganze auf dem Tisch hat und nicht nur nach einer Salamitaktik vorgeht. In einem Gespräch neulich vor Ort – das ist ja mein eigener Wahlkreis, deswegen komme ich da gelegentlich vorbei –

(Abg. Wieser CDU: Das ist aber gut, Herr Abge- ordneter, dass Sie das machen!)

habe ich geschildert...

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Zeller?

... ja, sofort; ich will nur den Satz zu Ende sagen –, dass die Finanzlage des Landes zurzeit keine ausreichende Perspektive für eine weitere finanzielle Förderung des Flughafens Friedrichshafen bietet.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist ja in Ordnung!)

Das begründe ich jetzt nicht luftverkehrsmäßig. Das wäre sehr wohl sinnvoll. Aber wenn ich in die Kasse schaue, stelle ich fest: Wir haben zurzeit 500 000 € für alle Regionalflughäfen. Da ist es ein bisschen herb, wenn die Wünsche in die Größenordnung von 20 Millionen € gehen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das geht nicht!)

Bitte schön, Herr Zeller.

Herr Müller, darf ich Ihrer Aussage entnehmen, dass Sie den Antrag bzw. das Ansinnen des Flughafens Friedrichshafen, 10 Millionen € für den Ausbau zu bekommen, abschlägig beurteilen wollen?

(Abg. Pfister FDP/DVP: Sie haben doch zugehört, Herr Zeller! Das war doch eindeutig!)

Ja. Ich habe das in einem Gespräch zum Ausdruck gebracht. So ist es.

(Zuruf von der SPD: Er hat doch nur nachgefragt! Das ist doch sein Recht!)

Ich habe in einem Gespräch mit dem Oberbürgermeister der Stadt Friedrichshafen zu Beginn dieser Woche gesagt, dass ich zurzeit keine Finanzierungsperspektive sehe. Das kann sich wieder einmal ändern, das schließe ich nicht aus. Aber zurzeit gibt es keine Finanzierungsperspektive. Sie wissen, dass ich mich früher sehr für eine entsprechende Förderung des Flughafens Friedrichshafen engagiert habe. Da war ich phasenweise allein. Ich war dafür aber ganz schön erfolgreich.

(Abg. Zeller SPD: Das ist doch nicht wahr! Der Ausbau war zur Zeit der großen Koalition! Da wa- ren Sie noch gar nicht im Landtag!)

Heute ist die Finanzlage des Landes anders. Deswegen schildere ich die Situation ganz einfach realistisch so, wie sie ist.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Klare Antwort!)

Sie wollen Klarheit? Die bekommen Sie.

Ich komme zu Söllingen.

(Abg. Zeller SPD: Das war zur Zeit der großen Ko- alition!)

Worum ging es bei Söllingen? Bei Söllingen ging es im Kern darum, eine Anlage, die wir schon haben und die aus ganz anderen Gründen, nämlich als Militärflughafen, entstanden ist, an einem Standort, den man unter zivilen Gesichtspunkten nicht so geschaffen hätte, langfristig für jene Phase zu sichern, in der wir diese Anlage wirklich einmal brauchen, sie dann aber möglicherweise nicht mehr bekommen würden, wenn sie erst einmal weg wäre.

(Minister Müller)

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)

Das war die eigentliche Strategie für Söllingen. Deswegen hat man seinerzeit erst einmal den Rettungsversuch über FlowTex gemacht. Das war aber ein eigenes Problem. Dann kam die Frage: Was geschieht nach FlowTex?

Dann hat die Landesregierung etwas gemacht. Hier sollte man vielleicht genau hinhören. Ich sage auch gleich, warum man genau hinhören sollte: Da steckt etwas ganz Bestimmtes drin. Wir haben gesagt: Wir engagieren uns nicht als Land Baden-Württemberg, sondern wir engagieren uns über den Flughafen Stuttgart. Das heißt, wir engagieren uns im Maße dessen, was wirtschaftlich verträglich ist. Das muss man deswegen erwähnen, weil wir heute vor der Frage stehen, ob die Dinge noch wirtschaftlich erträglich sind. Die These, die vor Ort im Raum Karlsruhe gelegentlich vertreten wird, wir hätten vonseiten des Landes, sprich aus dem Landeshaushalt, eine Zusage gegeben, stimmt schlicht nicht. Wir haben über das hinaus, was schon früher versprochen worden ist, keinen zusätzlichen Euro oder keine zusätzliche Mark aus dem Landeshaushalt versprochen. Wir haben sehr wohl ein Engagement des Flughafens Stuttgart versprochen, das heißt ein Engagement eines Wirtschaftsunternehmens, das auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten handeln muss.

Jetzt hat sich bekanntermaßen die generelle Luftfahrtsituation – übrigens auch die generelle Immobiliensituation, die ja in Söllingen eine ziemlich große Rolle spielt – deutlich verschlechtert. Deswegen stehen wir vor der Frage, ob wir die Länge der Durststrecke, die wir sowieso schon im Visier hatten, miteinander durchstehen können und wie die Rollenverteilung dabei ist. Meine These war: In dieser verschlechterten Situation muss ich zu einer Anpassung der inneren Verhältnisse zwischen den badischen Kommunen auf der einen Seite und dem Flughafen Stuttgart auf der anderen Seite kommen, zu einer Anpassung, die dieser längeren Durststrecke und den höheren Kosten Rechnung trägt.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Was heißt das?)

Die Rollenverteilung, dass die einen sagen, wie es gemacht wird, und die anderen das bezahlen sollen, dass die einen einen einmaligen Zuschuss geben und die anderen alle künftigen Investitionen und das gesamte unternehmerische Risiko tragen, kann bei einem Regionalflughafen nicht die richtige Spielregel sein. Deswegen bedarf es einer Anpassung an die neue Situation.

Festzustellen, worin die besteht und wie groß die vor uns liegende Aufgabe ist, steht in den nächsten Wochen an. Die Größe der Aufgabe wird uns beschrieben werden durch die Boston Consulting Group aufgrund einer entsprechenden Untersuchung, die in weniger als 14 Tagen auf dem Tisch des Hauses liegen wird. Dann werden wir sehr schnell zu Potte kommen müssen. Ich kann nur sagen: Wir werden ein größeres Engagement, ein dauerhaftes Engagement der Region brauchen. Das ist das Wesen eines Regionalflughafens. Es wäre beispielsweise in Friedrichshafen, wo das komplette unternehmerische Risiko natürlich bei den Gesellschaftern liegt – das Land ist mit 1,2 % beteiligt –, nicht zu verstehen, wenn das Land allein direkt oder indirekt das

unternehmerische Risiko eines anderen Regionalflughafens auf sich nehmen würde, das sich noch dazu deutlich verschärft hat.

Ich komme zum dritten Punkt: Lahr. Hier sind die Karten gemischt, und sie liegen auf dem Tisch. Dabei muss man eines dazusagen: So, wie die Karten jetzt auf dem Tisch liegen, liegen sie in Übereinstimmung mit Lahr auf dem Tisch. Wir haben Aussagen in Form einer luftrechtlichen Genehmigung. Wir haben Aussagen im Regionalplan. Wir haben Aussagen im Generalverkehrsplan. Und wir haben Aussagen im Landesentwicklungsplan. Alle diese Aussagen sind in Abstimmung mit den regionalen Kräften in Lahr so getroffen worden, wie sie heute auf dem Tisch liegen. Das schafft zunächst einmal ganz simpel den rechtlichen Rahmen, und auf der Basis dieses rechtlichen Rahmens sind Investitionen und Zuschüsse geflossen oder nicht geflossen, an der einen Stelle geflossen und an einer anderen Stelle nicht geflossen. Das heißt, was hier geschehen ist, ist nicht nur Papier, sondern hat natürlich ein Stück weit auch Fakten in die Welt gesetzt, von denen man nicht so ohne weiteres wieder herunterkommt.

Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass sich die Positionen, die Auffassungen in Lahr öfter geändert haben. Herr Dr. Caroli, Sie verzeihen, aber ich muss es doch noch einmal sagen: Sie waren auch dabei.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Richtig! – Abg. Schmiedel SPD: Was haben Sie gegen Veränderungen?)

Gut. Einverstanden. Ich komme noch einmal kurz auf die Frage von kurzfristigen Änderungen und langfristigen Konzeptionen zu sprechen. Ich will nur einmal darauf verweisen: Wenn Sie davon sprechen, wir hätten keine Konzeptionen, wir hielten an Dingen fest, wenn sie erst einmal entschieden worden seien, will ich sagen: Es ist das Wesen einer Konzeption, dass sie eben nicht nur Tagespolitik ist. Wenn wir vor sieben Jahren im Generalverkehrsplan etwas festgelegt haben, sind diese sieben Jahre, gemessen an dem Anspruch einer langfristigen Konzeption, nicht so wahnsinnig lang. Aber wenn wir vor sieben Monaten im Landesentwicklungsplan in Abstimmung mit der Region etwas beschlossen haben, muss man sagen: Ein paar Monate sollte vielleicht irgendeine Aussage eine gewisse Gültigkeit besitzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir haben jetzt eigentlich nur eine neue Situation in Lahr. Es gibt nämlich die Anfrage von zwei Low-Cost-Carriern. Okay. Man kann nicht so ohne weiteres alles, was bisher geschehen ist, alles, was bisher planerisch festgelegt worden ist, alles, was gesagt worden ist, schlicht über den Haufen werfen. Ich will ja nicht sagen, dass ein Flughafenbetreiber im Moment auf diese Anfragen irgendwie reagieren kann, wenn er die rechtlichen Möglichkeiten dazu nicht hat. Dass es deswegen nur eine Anfrage ist, das kann ich dem Flughafenbetreiber nun nicht irgendwie kritisch vorhalten. Aber ich kann umgekehrt aus dem Tatbestand, dass an irgendeiner Stelle des Landes zwei Low-Cost-Carrier einmal fragen: „Können wir hier landen?“, nicht unbedingt die Konsequenz ziehen, alles ungeschehen zu machen, was ich jahrelang zunächst einmal getan habe.

(Minister Müller)

Das Bemerkenswerte an dem Vorstoß der SPD ist, dass sie auf diesen Zug relativ flott aufgesprungen ist und dabei natürlich das, was es an Konzeptionen bisher gegeben hat, verlässt, wahrscheinlich weil sie selber keine Konzeption hat.

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Die Welt verändert sich!)

Ja, das muss man schon sagen. Sie haben natürlich auch ein Problem im Raum Karlsruhe. Ich kenne ja den einen oder anderen SPD-Abgeordneten aus dem Raum Karlsruhe, der im Moment etwas betreten aus der Wäsche schaut, was ich nachvollziehen kann.

(Zurufe)

Sie kennen meine Position, was den Antrag angeht. Diese Position ist nicht an irgendeiner Befangenheit oder an einer Sturheit oder an einer Uneinsichtigkeit orientiert,

(Unruhe bei der SPD)

sondern ist schlicht bestimmt von dem, was wir bis in die letzten Monate hinein in Bezug auf Lahr, Söllingen und andere Standorte zur Luftverkehrskonzeption des Landes gesagt haben. Ich vertrete nur das, was geltende Politik und geltendes Recht ist.

Ich möchte eine Randbemerkung zu dem Thema „keine Subventionen“ machen. Ich kenne keinen einzigen Flughafen in Deutschland, der ohne öffentliche Subventionen betrieben wird.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Aber in England und in Ös- terreich! – Abg. Göschel SPD: Dann wird es Zeit, dass Sie einen kennen lernen!)