Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

(Abg. Hofer FDP/DVP: Nach uns!)

Wir können dem Konzept nicht alles, aber manches abgewinnen. Die Bedeutung der Regionen spricht zunächst einmal für Regionalkreise.

Man kann aber natürlich auch anders vorgehen, und das war unser Vorschlag, unsere Überlegung, auf die wir doch gern noch eine Antwort hätten.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Sie haben eine Pressekon- ferenz gemacht, weiter gar nichts!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen führen wir heute eine Debatte: Wir wollen das gemeinsam mit Ihnen diskutieren. Wir sind uns der demokratischen Spielregeln bewusst. Wir haben nicht die Mehrheit in diesem Haus; wir können aber als Opposition Ideengeber sein.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Jawohl! – Abg. Ho- fer FDP/DVP: Die müssen Sie auch mal zu Papier bringen!)

Wenn Sie sich über unsere Ideen und Vorstellungen mit uns austauschen wollen, dann wollen wir für diese zentral wichtige Aufgabe eine Enquetekommission einsetzen. Diese macht aber dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, keinen Sinn – Kollege Heinz, da schütteln Sie zu Recht den Kopf –, wenn Sie nicht bereit sind, die Debatte offen und meinetwegen auch ergebnisoffen – deswegen gibt es von unserer Fraktion kein fertiges Konzept – zu führen. Wenn Sie dazu nicht bereit sind, dann verkennen Sie die wichtigen Zukunftsaufgaben der Landespolitik und tun so, als habe sich in den vergangenen 30 Jahren nichts verändert. Vielleicht hat sich in Ihrer Fraktion und in Ihrem Kopf nichts verän

dert, aber gesellschaftlich, strukturell, wirtschaftlich und bei den Lebensverhältnissen der Menschen haben sich viele Veränderungen ergeben. Diese müssen wir in der Verwaltung und in der Verwaltungsstruktur des Landes aufnehmen. Ich fordere Sie auf, in gutem demokratischem Geschäftsgebaren den Austausch mit allen Fraktionen dieses Hauses über die Verwaltungsstrukturreform zu suchen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Drex- ler SPD: Das wollen die nicht!)

Das Wort erteile ich Herrn Innenminister Dr. Schäuble.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Des Pudels Kern bezüglich des Streites über das richtige Vorgehen bei der Verwaltungsreform liegt meines Erachtens in Folgendem: Die einen halten für die Verwaltungsstruktur in Baden-Württemberg einen dreistufigen Verwaltungsaufbau für richtig, also Landkreise, Stadtkreise und Große Kreisstädte auf der unteren Ebene, dann die Regierungspräsidien als Mittelinstanz und schließlich die Ministerien. Die anderen sagen: Wir verringern die Zahl der Landkreise; sie werden zu Regionalkreisen – das ist dann die untere Ebene –, die dann so groß sind, dass die mittlere Ebene, die Regierungspräsidien, nicht mehr notwendig ist. Dies ist dann ein zweistufiger Verwaltungsaufbau.

Ich glaube, ich habe schon in der letzten Debatte im Juli 2001 gesagt: Beide Denkschulen sind nach meiner Überzeugung in sich schlüssig, aber es sprechen eben überwiegend Gründe dafür, beim dreistufigen Verwaltungsaufbau zu bleiben und diesen dreistufigen Verwaltungsaufbau weiterhin zu optimieren. Die wesentlichen Gründe dafür, die zum Teil schon genannt worden sind, sind Folgende: Wenn Sie aus den jetzt 35 Landkreisen und neun Stadtkreisen acht oder zwölf Regionalkreise bilden würden, wäre dies nicht mit einem Mehr an Bürgernähe verbunden, sondern mit einem Weniger an Bürgernähe. Dies ist auch schon gesagt worden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Drexler SPD: Wieso denn?)

Das Zweite, was ich in diesem Zusammenhang auch immer mit in die Überlegungen einzubeziehen bitte – Herr Kollege Drexler, eigentlich sind das keine parteiideologischen Überlegungen –, ist:

(Abg. Drexler SPD: Nein, das glaube ich auch nicht!)

Wenn wir acht oder auch zwölf – manchmal wechselt die Zahl, wie viele sinnvoll wären – Regionalkreise in BadenWürttemberg hätten – ich glaube, das hat vorhin auch Kollege Heinz angeführt –, dann hätten wir Landkreise in Form von Regionalkreisen – ich weise immer darauf hin, dass dies nach wie vor Landkreise wären; denn die Landkreise können Sie gar nicht abschaffen;

(Zuruf: Richtig!)

sie haben ja in der deutschen Verfassung die Institutsgarantie – in der Größe von Regionen. Wir hätten dann Landkrei

(Minister Dr. Schäuble)

se, die größer wären als manches Bundesland in Deutschland. Dies kann aber nicht im Interesse von Baden-Württemberg liegen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Warum denn? – Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Aus diesem Grund – verehrter Herr Kollege Stickelberger, Sie sind ja rationalen Argumenten in besonderer Weise zugänglich, wie ich weiß –

(Abg. Stickelberger SPD: Bei Ihnen immer!)

mache ich auch darauf aufmerksam – und das wissen Sie auch –: Baden-Württemberg hat schon heute die zweitgrößten Landkreise Deutschlands. Übrigens sind unsere Landkreise viel größer als die in Bayern, das Sie uns dauernd im Sinne des Wettbewerbs vorhalten.

(Zuruf: Wir haben die doppelte Anzahl!)

Wir haben schon heute die zweitgrößten Landkreise Deutschlands, und keines der anderen Bundesländer, die zum Teil von Ihrer politischen Couleur geführt sind, die kleinere Landkreise haben, denkt daran, im eigenen Bundesland Landkreise durch Regionalkreise ersetzen zu wollen. Dies hat doch auch seinen Grund.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Jetzt plötzlich!)

Ich darf jetzt um eines herzlich bitten.

(Abg. Stickelberger SPD meldet sich zu einer Zwi- schenfrage.)

Darf ich den Satz noch kurz zu Ende sprechen? – Mit großem Wortschwall wird insbesondere von Herrn Kollegen Oelmayer immer wieder kritisiert, dass wir Ihnen in dieser Kernfrage – wie gesagt, des Pudels Kern bei dieser Streitfrage ist dieser Punkt – nicht nachgeben oder, besser gesagt, dass wir Ihnen da nicht auf den Leim gehen, sondern bei unserer richtigen Auffassung bleiben. Es ist aber absurd, deswegen permanent den Vorwurf zu erheben: Bei der Verwaltungsreform in Baden-Württemberg geschieht nichts. Das ist infam.

Bitte, Herr Stickelberger.

(Glocke des Präsidenten)

Das Wort zu einer Zwischenfrage erhält Herr Abg. Stickelberger.

Herr Innenminister, stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, dass Sie nicht erwähnt haben, dass mit der Bildung der Regionalkreise nach unserem Konzept gerade eine Aufgabenverlagerung nach unten einhergeht, nämlich bezüglich jener Aufgaben, die den Bürger unmittelbar und elementar betreffen? Und stimmen Sie mir auch zu – nachdem Sie früher ja auch eine Große Kreisstadt als Oberbürgermeister geführt haben –, dass sich in der Vergangenheit gerade die Großen Kreisstädte als untere Verwaltungsbehörden bewährt haben, dass also die Aufga

benverlagerung nach unten, die Vorbild für unseren Vorschlag ist, in der Vergangenheit funktioniert hat?

Danke schön.

(Zurufe)

Ich stimme Ihnen gerne zu. Kollege Stickelberger hat ja schon das besondere Recht auf eine angemessene Antwort.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Nur er?)

Ich stimme bei der ersten Frage schon zu, dass bei Regionalkreisen das Thema Aufgabenverlagerung vielleicht noch anders gesehen werden könnte als beim jetzigen System, wie auch beide Modelle ja Vor- oder Nachteile haben. Aber es wäre für mich aus den genannten Gründen nicht so viel wert, dass wir auf das bisherige Modell des dreistufigen Aufbaus, insbesondere auf die Landkreise in ihrer bisherigen Größenordnung und auf die Regierungspräsidien, verzichten sollten. Denn das hätte ja die anderen vorhin schon genannten nachteiligen Folgen.

Was das andere Thema angeht: Bei den Großen Kreisstädten, verehrter Herr Kollege Stickelberger, können Sie uns nicht überholen, und das brauchen Sie auch nicht. Wir sind ja vom Wert der Großen Kreisstädte überzeugt und im Übrigen froh darüber, dass deren Zahl permanent steigt. Wir nähern uns in Baden-Württemberg ja allmählich der Zahl 100 bei den Großen Kreisstädten an. In diesem Punkt sind wir einer Meinung.

Wichtig ist für die Diskussion – nicht nur für die zweite Runde, sondern über den Tag hinaus; das Thema bleibt uns ja erhalten –:

(Abg. Drexler SPD: Hoffentlich!)

Ich bitte einfach, möglichst im Konsens zu sehen, dass der eigentliche Streit von dieser von mir vorhin beschriebenen Kernfrage ausgeht.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Ja!)

Aus diesem Grund sollte man nicht immer so tun, als würde in Baden-Württemberg überhaupt nichts geschehen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Richtig!)

Im Gegenteil, von den Kollegen Heinz und Hofer ist vorhin ja schon aufgezählt worden – ich brauche das nicht zu wiederholen –, was in den letzten Jahren – auch in den letzten Legislaturperioden, mit Ihnen in der großen Koalition, aber auch seit 1996 – alles bewirkt worden ist.

Herr Kollege Oelmayer, ich darf Sie noch einmal ansprechen: Wir haben in den letzten Jahren 10 000 Stellen abgebaut. Es ist deshalb nicht in Ordnung, wenn Sie sagen, wir seien sozusagen auf dem Höchststand.

(Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE)