Protokoll der Sitzung vom 19.02.2003

Berichterstatterin: Abg. Brigitte Lösch

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt, festgelegt.

Wem darf ich das Wort erteilen? – Herr Abg. Dr. Lasotta, bitte schön.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht um das Gesetz zur Änderung heilberufsrechtlicher Vorschriften. Hierüber haben wir im Sozialausschuss eine ähnliche Einmütigkeit gehabt wie bei dem soeben besprochenen Gesetz. Lassen Sie mich dennoch zwei, drei Ausführungen machen, die vielleicht wichtig sind.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Zwei oder drei?)

Je nach Stimmung, Frau Lösch, und je nachdem, wie viele Zwischenrufe Sie machen.

Zum Ersten geht es darum, das Heilberufe-Kammergesetz zu ändern. Die Befähigungsnachweise, die Weiterbildung, die Berufserfahrung und die Qualifikation werden in EUStaaten gegenseitig anerkannt. Es werden Regelungen getroffen, wie mit Drittstaaten zu verfahren ist. Dies ist auf der einen Seite für unsere eigenen Ärzte wichtig, damit die

se ihre Qualifikationen auch europaweit anerkannt bekommen; genauso wichtig ist dies auf der anderen Seite für Ärzte aus dem Ausland, die in Deutschland arbeiten wollen.

Zum Zweiten wird der Status der Kammern festgeschrieben. Sie sind Vertreter des Gemeinwohlinteresses und fungieren eben nicht als Unternehmervereinigung. Diese Orientierung und die Festschreibung im Gesetz halten wir für wichtig.

Zum Dritten wird die spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin geregelt. Hier wird die Zeit von zwei auf drei Jahre hoch gesetzt, und es wird möglich, im Bereich der Teilzeit auf einer 50-%-Stelle statt bisher einer 60-%-Stelle zu arbeiten. Das ist insbesondere für Frauen wichtig, die zum Beispiel nach der Babypause wieder in den Beruf einsteigen wollen und damit eine bessere Möglichkeit haben, ihre fachspezifische Ausbildung zu beenden.

Im Ausschuss haben wir einen Zusatzantrag der Regierungskoalition beraten. Dabei geht es um einen dynamischen Verweis auf die Strafprozessordnung. Die Vorschriften dazu im Kammergesetz waren nicht deutlich. Die geltenden Vorschriften machen eine Wiederaufnahme eines Verfahrens zugunsten eines Beschuldigten oder eines Verurteilten nicht möglich. Das ist durch die neueste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deutlich geworden. Dies sollten wir vorsorglich mit aufnehmen.

Insgesamt ist, glaube ich, die Bewertung unproblematisch. Ich denke, es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir in Deutschland auch den Facharzt für Allgemeinmedizin haben, der eine deutlich höhere medizinische Qualifikation, eine breitere Ausbildung besitzt. Wir sollten von dieser Stelle aus auch deutlich machen, dass wir dies erhalten wollen, und sollten dafür eintreten, dass dieser in Deutschland bestehende höhere Status weiterhin angeboten und aufrecht erhalten wird. Dazu laufen momentan auf europäischer Ebene entsprechende Verfahren, deren Ausgang einfach abgewartet werden sollte.

Im Übrigen muss man deutlich feststellen, dass das nicht die wichtigsten Probleme der Ärzteschaft sind. Es geht vielmehr darum, zusammen mit den Ärzten in Zukunft die Qualität des Gesundheitswesens zu sichern, nicht gegen die Ärzte,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sehr gut!)

mit dem Ärzte-TÜV. Es geht um Bürokratieabbau und darum, endlich eine richtige Finanzierung für den Bereich der ärztlichen Tätigkeiten und der Krankenhäuser zu finden und nicht ständig die Einnahmeproblematik zu leugnen.

Ich darf für die CDU-Fraktion hier im Landtag Zustimmung signalisieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Haußmann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion begrüßt und un

terstützt den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung heilberufsrechtlicher Vorschriften. Der Gesetzentwurf verfolgt ja das politisch unstreitige Ziel, EG-Richtlinien für Ärzte und Zahnärzte, die die ärztliche und zahnärztliche Berufsausbildung betreffen, durch Landesrecht in die nationale Rechtsordnung zu übertragen.

Meine Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass der geforderte Mindestumfang einer Teilzeitbeschäftigung während der Ausbildung – Herr Kollege Lasotta ist schon darauf eingegangen – von bisher 60 auf künftig 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit herabgesetzt wird. Gerade für junge Ärztinnen, lieber Kollege Lasotta, aber auch für junge Ärzte,

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

die eine Elternschaft sehr aktiv mitgestalten wollen, ist das eine große Chance, Familie und Beruf zu vereinbaren.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Oder für Ärzte, die im Landtag aktiv sind!)

Oder auch für Ärzte, die ein Landtagsmandat ausüben.

(Heiterkeit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Es gibt also Konsens darüber, dass dies richtig ist, und wir begrüßen, dass der Mindestanteil jetzt auf 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit gesenkt wird.

(Beifall der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Die rechtliche Klarstellung, dass Kammern der Heilberufe bei ihrer Aufgabenerfüllung die Interessen des Gemeinwohls zu beachten haben, ist im Hinblick darauf, dass Kammern nicht als Unternehmensvereinigungen im Sinne des § 81 des EG-Vertrags behandelt werden, ausdrücklich zu begrüßen.

Außerhalb der Anpassung an EU-Recht wird in diesem Gesetzentwurf endlich eine Forderung der Ärzteschaft umgesetzt, die die SPD immer unterstützt hat: In § 34 des Heilberufe-Kammergesetzes soll nämlich eine Vorschrift aufgenommen werden, die sicherstellt, dass die Ausbildung in der Allgemeinmedizin angemessen zu vergüten ist. Damit wird einem Wunsch der Ärztekammer Baden-Württemberg und einem Wunsch der Berufsverbände entsprochen.

Das war es von meiner Seite. Die SPD-Fraktion wird dem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Noll.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir EU-Recht in Landes- oder nationales Recht umsetzen, geht häufig ein Stöhnen durch das Land: „Jetzt wollen die das auch noch regeln.“ In diesem Falle ist es eine sinnvolle Regelung, die dazu dient, in einem zusammenwachsenden Europa sowohl den Patienten die Sicherheit zu geben, dass sie in allen Ländern der EU mit gleichen Ausbildungsstandards rechnen können, als auch unseren jungen Ärztinnen und Ärzten, Zahnärztinnen und Zahnärzten die Möglichkeit zu geben, in anderen Län

dern zu praktizieren, wenn die Ausbildungs- und Kammerordnung harmonisiert ist. Von daher ist es keine Einbahnstraße, und das ist gut so.

Ein Zweites: Die Tatsache, dass verstärkt auch praktische Fähigkeiten geprüft werden können und sollen, ist meiner Meinung nach ein Fortschritt. Wir wissen alle: Bei irgendeinem ausländischen Diplom weiß man nicht, ob es wirklich mit dem vergleichbar ist, was bei uns gelehrt und gelernt wird. Das geht bis dahin – Sie sehen es mir als Zahnarzt nach –, dass ich als Student am Phantomkopf habe anfangen müssen zu arbeiten. Man kann dann im Zweifel auch einmal verlangen, dass ein Zuzulassender am Phantomkopf seine praktischen Fähigkeiten zeigt. Von daher ist das durchaus zu begrüßen.

Die Teilzeitquote zu senken ist auch ein richtiges Signal.

Letzte Bemerkung: Dazu, dass die ärztlichen Kammern keine Unternehmensvereinigungen sind, ist hier zwar eine kleine Anmerkung gemacht worden. Aber ich glaube, das hat relativ gravierende Auswirkungen, und zwar in folgender Hinsicht: Kartellrechtlich besteht keine Gefahr, dass zum Beispiel das Erlassen von Gebührenordnungen durch Kammern möglicherweise vom Kartellrecht nicht gedeckt wäre.

Vielleicht noch ein kleines bisschen am Rande: Wenn die Kammern keine Vereinigungen von Unternehmen, sondern definitiv von Freiberuflern sind, liebe Frau Haußmann, wird das möglicherweise auch ein bisschen präjudizieren, und Ihre Pläne in Berlin, die freien Berufe und die Ärzte möglicherweise der Gewerbesteuer zu unterwerfen, werden nach EU-Recht wohl nicht möglich sein – Gott sei Dank.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Lösch.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen stimmen dem Gesetzentwurf zur Änderung heilberufsrechtlicher Vorschriften ebenfalls zu. Darin wird EU-Recht in Landesrecht umgesetzt.

Es gibt drei positive Punkte zu berichten:

Das eine Ziel ist natürlich die gegenseitige Anerkennung verschiedener Aus- und Weiterbildungsgänge. Das ist sehr positiv. Es erleichtert in Baden-Württemberg ausgebildeten Ärzten, EU-weit tätig zu sein, und umgekehrt natürlich auch. Das ist für ein starkes vereintes Europa ein gutes Zeichen.

Das Zweite ist, dass spezifische Ausbildungen geregelt werden und die Mindestausbildungsdauer von zwei auf drei Jahre erhöht wird. Das ist ebenfalls positiv, ist es doch ein Zeichen, dass sich entsprechende Qualität auch durchsetzt.

Der dritte Punkt ist die Reduzierung des Mindestumfangs von Teilzeitbeschäftigungen während der Ausbildung von 60 auf 50 %. Das ist sowohl für junge Frauen wie für junge Männer eine gute Möglichkeit, Familie und Beruf zukünftig besser zu vereinbaren.

Bei so viel Positivem bleibt einem keine andere Möglichkeit, als diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, und deswegen tun wir das auch.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)