Protokoll der Sitzung vom 20.02.2003

(Abg. Scheuermann CDU: Da sind wir einig!)

Die Reaktion auf diesen Bericht – das ist nicht verwunderlich – ist ganz unterschiedlich. Gewerkschaften oder verschiedene andere Interessenvertreter haben teilweise sehr heftig, aber auch sehr kontrovers darauf reagiert. Auch das scheint mir doch eine interessante Erscheinung zu sein, dass man einfach über das Papier diskutieren muss.

Wir halten den Bericht in weiten Teilen für richtungweisend. Allerdings kann er keine Bibel für den öffentlichen Dienst sein. Wir bitten die Landesregierung, sich mit diesem Bericht auseinander zu setzen.

(Beifall der Abg. Pfister FDP/DVP und Stickelber- ger SPD – Abg. Drexler SPD: Auseinander zu set- zen! Wir bitten sie, wenigstens den Anfang zu le- sen! – Abg. Stickelberger SPD: Wir fordern sie auf!)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Dr. Schäuble.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will zunächst einmal ganz offen sagen: Ich weiß nicht, wie Sie es empfinden, aber nach meiner Beurteilung – ich habe die Kurzfassung des Berichts gelesen und auch die umfangreichen Berichte in den Medien – enthält der Bericht der so genannten Bull-Kommission nicht so viel sensationell Neues. Es sind nach meiner Einschätzung zum größten Teil Gedanken, die schon seit Jahren diskutiert werden, zum Beispiel die Frage eines einheitlichen Dienstrechts, zum Beispiel die Frage, dass man einen Teil der Vergütung auch leistungsabhängig machen soll.

In der ersten Runde hat sich auch gezeigt – da bitte ich, dass Sie vielleicht in einer zweiten Runde auch noch einmal konkreter werden –: Wenn man über das öffentliche Dienstrecht spricht, kommt man sehr schnell in Versuchung, noch allerlei andere Fragen gleich mit einzubeziehen, zum Beispiel Verwaltungsstrukturen oder die Frage: Haben wir zu viel oder zu wenig Personal? Können wir die Personalkosten noch tragen? Das sind aber Fragen, die mit dem öffentlichen Dienstrecht zunächst unmittelbar nichts zu tun haben.

Nachdem Sie, Herr Kollege Oelmayer, den Personalstand angesprochen haben, will ich nur noch einmal in Erinnerung rufen: Die Stelleneinsparprogramme – der Herr Finanzminister hat darauf hingewiesen, dass es drei waren –, die wir durchgeführt haben, haben uns ja auch in die Lage versetzt, dass wir innerhalb des Personalkörpers dringend notwendige Umschichtungen vornehmen konnten, indem durch die eingesparten Stellen wieder mehr Lehrerstellen und mehr Polizeistellen geschaffen werden konnten.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Es sind halt nachher im- mer mehr als vorher!)

Das muss man in diesem Zusammenhang immer sagen.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das sind doch immer mehr als vorher!)

Wichtig erscheint mir, was Herr Kollege Scheuermann gesagt hat. Das hat, glaube ich, auch Herr Kollege Stickelberger – nicht in dieser Deutlichkeit, aber zwischen den Zeilen etwas versteckt – angesprochen: Wir sollten bei einer Diskussion über das öffentliche Dienstrecht nicht den Eindruck erwecken, als ob der öffentliche Dienst bei uns in Deutschland und damit auch in Baden-Württemberg schlechte Arbeit leistete.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Unsere besten Leute!)

Ich will auch noch einmal unterstreichen: Ich bin als Innenminister dankbar, dass der gesamte öffentliche Dienst einschließlich der Berufsbeamten über Jahrzehnte hinweg gute Arbeit geleistet hat. Das Beispiel, was der öffentliche Dienst nach der Wiedervereinigung geleistet hat, das Herr Kollege Scheuermann gegeben hat, spricht wirklich Bände. Das sollten wir heute auch noch einmal hervorheben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie des Abg. Nagel SPD)

Bei der Frage eines einheitlichen Dienstrechts verstehe ich die Diskussionsgrundlage in diesem hohen Haus heute so: Herr Kollege Stickelberger hat sich noch etwas bedeckt gehalten, wenn ich es richtig verstanden habe, während sich die FDP/DVP, wie auch die CDU, klar für das Berufsbeamtentum ausspricht. Die Einzigen, die sich glasklar gegen das Berufsbeamtentum aussprechen – auch Sie, Herr Kollege Kretschmann, haben das heute Morgen in Ihrer Haushaltsrede getan –, sind die Grünen.

Ich bitte dabei aber Folgendes aus der Sicht des Dienstherrn zu bedenken: Auch die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst in diesem Jahr zeigten doch wieder einmal, dass – ich wiederhole mich: aus der Sicht des Dienstherrn – mehr als gründlich zu überlegen ist, ob wir uns einen Gefallen täten, wenn wir das Berufsbeamtentum abschafften. Denn dann würde der gesamte öffentliche Dienst bis auf einen Kernbereich natürlich auch in die Tarifverhandlungen gehen müssen. Daraus entstünden dann alle Folgen, zum Beispiel, dass natürlich auch – sprechen wir es aus – der Einfluss der Gewerkschaft, vor allem von ver.di, nicht kleiner, sondern größer wäre. Diesen Zusammenhang muss man ganz offen ansprechen.

(Abg. Blenke CDU: Der Herr Bsirske ist ja ein Grüner! – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

(Minister Dr. Schäuble)

Herr Kollege Palmer, ich weiß nicht, ob Sie in der zweiten Runde sprechen. – Wenn wir die Personalkosten ansprechen, was ja dem Kollegen Oelmayer vorhin am Herzen lag, dann werden wir in diesem Jahr – ich wage eine Prophezeiung – bundesweit auch erleben, dass wir dadurch, dass der Dienstherr den Beamten per Gesetz einseitig entsprechende Auflagen geben kann, und durch die Tatsache, dass wir ein Berufsbeamtentum haben, aus der Sicht des Dienstherrn eher Einsparungen vornehmen können, als wenn Sie den Versuch machten, das über Tarifverhandlungen zu erreichen. In diesem Jahr ist ja wieder einmal bewiesen worden, dass das eben nicht geht.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Diesen Zusammenhang sollte man sehen. Deshalb würde ich darum bitten, dass Sie in der zweiten Runde doch noch einmal präzisieren, worin Sie konkrete Vorteile aus der Sicht des Dienstherrn sehen würden, wenn wir das Berufsbeamtentum – so, wie Sie es haben wollen – abschafften. Ich kann aus meiner Sicht nur davor warnen.

(Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP)

Dazu gehört dann natürlich auch, dass wir, wenn wir als Gesetzgeber diese Möglichkeiten haben, mit den Berufsbeamten auch fair umgehen. Das ist wahr. Das ist das, was Herr Kollege Stickelberger gesagt hat.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Ich will es so zusammenfassen: Wichtig erscheint mir zum einen, dass wir nach wie vor daran arbeiten, die Bürokratie in Deutschland stärker zurückzudrängen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Ich gebe die Schuld hieran nicht dem öffentlichen Dienst. Da ist vor allem die Politik in der Verantwortung. Ich glaube, wir sind dabei – wie Kollege Oelmayer in der letzten Plenarsitzung dankenswerterweise bestätigt hat –, dass wir hier in Baden-Württemberg bei diesem Thema schon sehr gute Vorarbeiten geleistet haben.

Der zweite Punkt, der mir wichtig ist, ist: Wir werden auch aus Gründen der Finanzlage, die wir haben und die heute Morgen lange diskutiert worden ist, nicht um einen weiteren Personalabbau herumkommen. Das hat aber nichts mit der Frage zu tun, wie das öffentliche Dienstrecht organisiert werden soll. Auch das ist mit Recht gesagt worden.

Drittens sollten wir auf dem Weg weitermachen, auf dem wir bisher erst erste Schritte zurückgelegt haben. Es geht darum, dass die Leistungskomponenten bei der Vergütung künftig noch stärker als bisher betont werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Oelmayer.

(Abg. Teßmer SPD zu Abg. Oelmayer GRÜNE: Gib ihm nicht zu viel nach!)

Überhaupt nicht. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vielleicht zwei oder drei Punkte klarstellen.

Erstens: Kollege Scheuermann, es geht nicht darum, die Ergebnisse und die Berichterstattung der Bull-Kommission hier 1 : 1 in den Landtag übernehmen zu wollen. Was wir damit erreichen wollen, ist einfach die Initialzündung, dass auch in Baden-Württemberg klar wird, dass das öffentliche Dienstrecht reformiert werden muss und dass wir dazu gemeinsame Anstrengungen unternehmen müssen.

Herr Innenminister – das ist die zweite Stelle, an der man berichtigen oder klarstellen muss; Sie haben das ja auch eingefordert –, sowohl der Kollege Kretschmann als auch ich haben nicht in dem Sinne argumentiert, dass wir das Berufsbeamtentum grundsätzlich abschaffen wollen.

(Abg. Scheuermann CDU: Er schon!)

Was wir abschaffen wollen – Kollege Scheuermann, hören Sie gut zu! –, sind die – im wahrsten Sinne des Wortes – althergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, zum Beispiel bestimmte Teile des Alimentationsprinzips, die es nach wie vor rechtfertigen, einen Dschungel von Zulagen etc. zu konstruieren. An diese Grundsätze wollen wir herangehen. Dass wir aber das Berufsbeamtentum in den Kernbereichen, ob bei Polizei, Finanzverwaltung oder Justiz, nicht per se abschaffen können, Herr Innenminister, dürfte klar sein.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Oelmayer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Schäuble?

(Abg. Blenke CDU: Sag ja!)

Des Herrn Abg. Dr. Schäuble, ja. Bitte schön.

Einfach als Versuch eines Beitrags zu einer Versachlichung: Würden Sie mir zustimmen, Herr Kollege Oelmayer, dass die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums einer Durchforstung des Zulagenwesens oder -unwesens nicht entgegenstehen?

(Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!)

Da würde ich Ihnen zustimmen.

(Abg. Blenke CDU: Also!)

Nichtsdestotrotz basiert zum Beispiel die – –

(Abg. Blenke CDU: Das haben Sie aber eben ge- sagt!)

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – Herr Innenminister, zur Versachlichung der Diskussion –, die es zum Beispiel schwierig machen, die 13. Beamtenpension und ähnliche Regelungen abzuschaffen oder Öffnungsklauseln einzuführen, dürften auch Ihnen bekannt sein. Ich bin gerne bereit, da mit Ihnen nachher auch bilateral diese oder jene Frage zu diskutieren.

(Abg. Drexler SPD: Bilateral! Sehr schön! – Abg. Blenke CDU: Nicht nötig!)