Protokoll der Sitzung vom 26.03.2003

Herr Abg. Kretschmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Theurer?

Wenn es sein muss.

Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Herr Abg. Kretschmann, stimmen Sie mir zu, dass sich das Problem der Progression durch eine Reform der Einkommensteuer auf Bundesebene dadurch lösen lässt, dass zum Beispiel das FDP-Modell einer proportionalen Einkommensteuer mit 15, 25 und 35 % eingeführt wird?

Überhaupt nicht; da wird es noch schlimmer.

(Beifall bei den Grünen)

Da macht die Progression eben drei riesige Sprünge.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Nein!)

Was soll denn daran besser sein? Das verschärft das Problem.

(Glocke der Präsidentin)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abg. Hauk?

Bitte. Was ist jetzt passiert?

(Heiterkeit)

Herr Kollege Kretschmann, glauben Sie, dass das Defizit beispielsweise des Staatstheaters Stuttgart

ich könnte auch das Karlsruher oder das Mannheimer Haus nennen – geringer wäre, wenn es die Bewohner aus dem Umland nicht besuchen würden?

(Abg. Zeller SPD: Das war eine typische Hauk-Fra- ge! – Zuruf von der CDU: Jetzt kommts! – Abg. Theurer FDP/DVP: Jetzt ist er sprachlos, der Kol- lege Kretschmann! – Zuruf von der CDU: Jetzt muss er rechnen!)

Die Stadt Stuttgart muss diese Infrastrukturleistung erbringen, und nicht jedes Oberzentrum hat ein Württembergisches Staatstheater.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Es kann ja nur in Stuttgart stehen, das ist klar!)

Ich meine, das war ein wirklich weit hergeholtes Beispiel. In das Stuttgarter Ballett kommen sogar Bürgerinnen und Bürger aus New York. Ich meine, das kann man jetzt nicht anführen.

(Zuruf von der CDU: Wenn in einen Zug fünf Leu- te einsteigen, kostet ein Lokomotivführer immer noch genauso viel!)

Sie haben in der zweiten Runde die Gelegenheit, meine Argumente seriös zu entkräften.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen)

Ich sage dann in der zweiten Runde etwas zur Gewerbesteuer. Jetzt ist aber zunächst das Feuer zum Oettinger-Vorschlag eröffnet, und ich bin gespannt, was da von Ihnen kommt.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Stratthaus.

(Zuruf von der CDU: Jetzt kommen die neuesten Informationen!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Einige wenige Sätze – ich werde mich nachher auch noch an der Diskussion beteiligen. Der Oettinger-Vorschlag ist ein Vorschlag, der auch schon vom Bundesverband der Deutschen Industrie und von anderen gemacht worden ist. Dies zur Aufklärung.

Zunächst zu Ihnen, Herr Junginger. Sie haben hier von Blockade gesprochen. Davon kann überhaupt nicht die Rede sein; denn bisher gab es ja keinen Vorschlag, der irgendwo zur Abstimmung gestanden hätte.

(Zuruf von der CDU: Die Kommissionen tagen doch noch! – Abg. Junginger SPD: Steuervergüns- tigungsgesetz!)

Moment! Sie können nicht unser Verhindern der allgemeinen Steuererhöhungen als Blockade der Gemeindefinanzreform betrachten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: So ist es!)

(Minister Stratthaus)

Wir reden hier von einer kommunalen Finanzreform; wir reden nicht von Steuererhöhungen.

(Abg. Junginger SPD: Wir reden von Steuerver- günstigungsabbau!)

Was die Reform betrifft, will ich einige der hier genannten Kritiken durchaus annehmen. Es ist wirklich schlecht, dass sich diese Diskussion schon seit Monaten und Jahren hinzieht, ohne dass man bisher wesentlich weitergekommen ist.

Ich habe mich aber in erster Linie gemeldet, um einiges zu dem zu sagen, was Herr Kretschmann eben vorgetragen hat. Ich bin nämlich ein Anhänger des Zuschlagsmodells, und zwar schon seit langer Zeit. Übrigens hat auch unser Ministerpräsident gestern oder heute eine Presseerklärung herausgegeben, in der ganz klar gemacht wird, dass auch er hinter diesem Zuschlagsmodell steht. Dies will ich zunächst einmal klar machen. Ich will das Zuschlagsmodell jetzt gar nicht vorstellen, da dies schon vorhin geschehen ist, sondern – wir wollen heute wirklich einmal diskutieren – auf zwei Dinge eingehen, die hier genannt worden sind.

Zunächst einmal ist gesagt worden, dieses Modell würde, wenn es aufkommensneutral gemacht wird, keine zusätzlichen Einnahmen bringen. Das ist richtig. Das ist aber auch nicht das Ziel der kommunalen Finanzreform, sondern das Ziel ist eine Verstetigung der Gewerbesteuereinnahmen. Diese sind in den letzten Jahren dramatisch eingebrochen – viel stärker als alle anderen Steuereinnahmen –, weil die Gewerbesteuer in der Zwischenzeit eine reine Gewinnsteuer ist. Deswegen war hier der Einbruch besonders stark.

Nun ist die Frage, wie man eine Verstetigung erreichen könnte. Dazu gibt es zwei Ideen. Die eine ist die, dass man die Steuerbasis verstetigt, indem ertragsunabhängige Bestandteile herangezogen werden, und die andere, dass zur jetzigen Gewerbesteuer Personenkreise herangezogen werden, die stetig ihre Einkommen haben, zum Beispiel die Freiberufler. Man kann davon ausgehen, dass das Freiberuflereinkommen zwar auch schwankt, aber nicht so stark wie die Gewinneinkommen in der Wirtschaft. Das ist klar. Das ist die eine Möglichkeit. Die Verstetigung und nicht so sehr die Einnahmesteigerung stand im Vordergrund.

Ich glaube, dass man noch einmal betonen sollte: Das Zuschlagsmodell ist so gedacht, dass das, was über die dann gesenkte Einkommensteuer und die dann gesenkte Körperschaftsteuer plus dem Gemeindezuschlag eingeht, im Prinzip so viel sein soll wie bisher: Körperschaftsteuer, Einkommensteuer plus Gewerbesteuer. Das kann mehr, das kann aber auch weniger sein. Das hängt eben davon ab, welchen Zuschlag die Gemeinde erhebt.

Jetzt komme ich auf das „Trittbrettfahrerverhalten“, wie Sie es genannt haben. Ich glaube, ein solches Verhalten gibt es bei der jetzigen Gewerbesteuer in viel höherem Maß, als es bei einem Zuschlag der Fall wäre. Auch heute ist es ja recht zufällig, ob sich in einer Gemeinde eine steuerkräftige Unternehmung niederlässt. Weil es sich in der Zwischenzeit um reine Ertragsgewerbesteuern handelt, kann das sogar eine sehr kleine Unternehmung sein. Das kann zum Beispiel eine Holding sein. Sie lässt sich irgendwo nieder, und plötzlich gibt es riesengroße Einnahmen. Darauf geht ja das Pro

blem zurück, dass wir so große Unterschiede festzustellen haben.

Sie sprechen davon, es bestehe die Gefahr, dass die Bürger in die Gemeinden ziehen würden – insbesondere, wenn es Bürger mit besonders hohem Einkommen sind –, in denen die Zuschläge niedrig seien. Das Problem sehe ich auch. Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig: Es darf nicht sein, dass irgendwo eine kleine, an einem schönen See gelegene Gemeinde einen ganz niedrigen Satz erhebt,

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

zehn Einkommensmillionäre holt und von dem Rest Gewinnverteilung macht. Das kann nicht sein. Aber dieses Problem ist lösbar, und dieses Problem würde man auch lösen.

(Zuruf von der SPD: Wie?)

Ich will es Ihnen gleich sagen. Das Problem ist nämlich schon heute gelöst. Sie wissen ja, dass die Gemeinden schon heute einen Anteil am Einkommensteueraufkommen erhalten, das von ihren Bürgern erbracht wird. Sie bekommen nicht einen Anteil am gesamten Einkommensteueraufkommen. Vielmehr ist die Einkommensteuer nach den Einkommen gekappt. Meines Wissens – man müsste das noch einmal nachprüfen – waren es früher 50 000 DM bei Ledigen und 100 000 DM bei Verheirateten. Das heißt, wenn jemand ein sehr hohes Einkommen hat, wird der Teil der Einkommensteuer, der an die Gemeinde fließt, nur bis zu einer Höhe von 100 000 DM bei einem Verheirateten berechnet. Man will eben genau das verhindern, was Sie richtig geschildert haben. Ich sehe das genauso. Es kann nicht sein, dass eine kleine Gemeinde durch sehr wenige, die sehr viel Einkommensteuer zahlen, einen niedrigen Zuschlag hätte und damit diese Leute anziehen würde. Aber dieses Problem wäre lösbar, um das ganz eindeutig zu sagen. Ich würde mich dafür auch, soweit ich das kann, einsetzen.

Auf administrativem Weg sind viele Probleme lösbar. Ein anderes haben Sie nicht angesprochen. So sagen vor allem die Stadtstaaten, dass ein Unternehmer, eine natürliche Person – also keine Körperschaft –, in einer Stadt wohne und in einer anderen sein Unternehmen habe. Auch das wäre lösbar. Man könnte nämlich das Einkommen aus Gewerbebetrieb in der Stadt, in der sich der Gewerbebetrieb befindet, mit einem Zuschlag versehen und die restlichen Einkommen mit dem Zuschlag seines Wohnorts. Das alles sind Fragen, die lösbar sind.

Ich glaube aber – damit möchte ich im ersten Teil der Diskussion schließen –, dass der Zuwachs an kommunalpolitischer Kultur ein ganz gewaltiger wäre, weil der Zusammenhang zwischen dem, was in einer Gemeinde ausgegeben wird, zum Beispiel zwischen den großen Investitionen in einer Gemeinde, und dem, was die Bürger zu zahlen haben, sehr viel unmittelbarer wäre. Ich glaube, das würde viel zur kommunalpolitischen Kultur beitragen. Nicht mehr die Zufälligkeit der Ansiedlung eines großen Gewerbebetriebs, sondern die Verantwortung des Bürgermeisters und des Gemeinderats gegenüber allen Bürgern, die dann steuerpflichtig wären, stünde im Vordergrund. Ich bin deswegen ein ab

(Minister Stratthaus)

soluter Anhänger des Zuschlagsystems. Ich bin der Meinung, dass die Schwächen, die Sie teilweise aufgezeigt haben, durchaus lösbar wären.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)