Protokoll der Sitzung vom 26.03.2003

Herr Minister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass – wie ich bereits in der ersten Lesung ausgeführt habe – wir unseren Gesetzentwurf deshalb zurückgenommen haben, weil er vom dualen Finanzierungssystem ausging und wir die neue finanzielle Grundlage akzeptieren, dass wir aber die Inhalte unseres Gesetzentwurfs – wie ich auch in meiner Rede skizziert habe – nach wie vor aufrechterhalten, weil sie wirklich die zentralen Antworten auf die Zukunftsaufgaben geben?

(Beifall bei der SPD – Abg. Birzele SPD: Jetzt reicht ein einfaches Ja!)

Ich bin bereit, dies zur Kenntnis zu nehmen, ja.

(Abg. Birzele SPD: Aber nicht, Konsequenzen zu ziehen!)

Wir führen mit unserem Gesetzentwurf kommunale Aufgabenverantwortung mit der kommunalen Finanzverantwortung zusammen. Nicht zuletzt in diesem Punkt ist unser Gesetzentwurf bundesweit vorbildlich.

(Abg. Alfred Haas CDU: Jawohl!)

Ich freue mich darüber, dass dies offenbar auch parteiübergreifender Konsens in diesem hohen Hause ist. Denn nach den Beratungen ist auch für die Opposition die so genannte Kommunalisierung – Frau Lösch hat es ja gesagt, und ich darf hier zitieren – in der Tat sachgerecht und zielführend. So sagte sie im Ausschuss.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sollten dabei allerdings nicht stehen bleiben, sondern Sie sollten auch bereit sein, den Kommunen das hierfür erforderliche Vertrauen entgegenzubringen.

(Abg. Birzele SPD: Und Sie sollten das Geld brin- gen!)

Herr Vizepräsident Birzele,

(Abg. Birzele SPD: Frau Vizepräsidentin Fauser präsidiert! – Gegenruf des Abg. Blenke CDU: Bringen Sie den Minister nicht aus dem Konzept!)

wir haben doch nun wirklich in epischer Breite besprochen, dass es eine ganz wichtige kommunale Pflichtaufgabe ist, Kinderbetreuung zu organisieren und auch zu bezahlen. Also bitte kommen Sie mit diesem Spruch jetzt nicht mehr. Ich habe gedacht, wir seien da am Ende angelangt. Auch andere haben gesagt: Kommunalisierung ist in Ordnung. Jetzt fangen Sie wieder an.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Zeller?

Aber bitte, gerne.

(Abg. Birzele SPD: Sie geben für viele kommunale Aufgaben Geld!)

Herr Minister, zur Kommunalisierung: Teilen Sie die Auffassung Ihres Kollegen Haas, dass dieje

nigen Kommunen und Bürgermeister, die sich gegen diesen Gesetzentwurf aussprechen, mit finanziellen Konsequenzen zu rechnen haben?

(Abg. Fischer SPD: Kein Geld kriegen! – Abg. Al- fred Haas CDU: Auch die Kommunen müssen An- träge stellen, um an die Gelder der Kleinkindbe- treuung zu kommen! Wer keinen Antrag stellt, kriegt kein Geld! – Weitere Zurufe von der SPD und Gegenrufe von der CDU)

Ich gehe davon aus, dass unsere Kommunen, unsere Gemeinderäte, unsere Bürgermeister vor Ort ihre Verantwortung schon längst erkannt haben,

(Zuruf von der CDU: So ist es! – Beifall bei Abge- ordneten der CDU)

dass sie gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden, mit Städtetag und Gemeindetag in die Verantwortung gehen, wie sie es in den letzten Jahren schon gemacht haben, und dass sie Kindergärten ausbauen. Zu 75 % bezahlen sie heute schon selbst. Deswegen glaube ich, dass Gemeinderäte vor Ort und Bürgermeister vor Ort sehr wohl – –

(Abg. Hauk CDU: Die haben Vertrauen!)

Natürlich haben die Vertrauen.

(Zurufe von der CDU, u. a.: Nicht nur Gottvertrau- en, sondern auch Vertrauen in die Kommune! Und in den Ministerpräsidenten und in den Sozialminis- ter! – Abg. Zeller SPD: Die Frage ist nicht beant- wortet!)

Natürlich ist die Frage beantwortet. Natürlich wird es keine Konsequenzen geben, weil das Geld nach dem Finanzausgleich nach Kinderzahl und Gruppenstärke verteilt wird. Das ist doch selbstverständlich. Aber das machen nicht wir, sondern das machen die Kommunen vor Ort.

(Zuruf des Abg. Birzele SPD – Abg. Nagel SPD: Das ist in Ordnung! – Abg. Alfred Haas CDU: Die Gemeinden müssen einen Antrag stellen! – Weite- rer Zuruf: Also Repnik gegen Haas! – Abg. Alfred Haas CDU: Die Gemeinden müssen Anträge stel- len! Wer keinen Antrag stellt, kriegt keines!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Ihr Ruf nach Rahmenbedingungen und zusätzlichen Reglementierungen immer stärker wird, gehe ich davon aus, dass Sie eben nicht das nötige Vertrauen in die Kommunen haben. Wenn Sie immer mehr Forderungen nach verbindlichen Vorgaben, nach gesetzlichen Qualitätsstandards stellen, dann liegen Sie einfach falsch. Wir wollen als Landesregierung keine zusätzlichen Reglementierungen und Vorschriften. Im Gegenteil, wir wollen Bürokratie abbauen und die Regelungsflut eindämmen.

Ich habe stets betont und wir haben stets betont: Das Land verbindet mit dem neuen Kindergartengesetz ganz bewusst auch einen Vertrauensvorschuss an die Kommunen. Wir sind davon überzeugt, dass die Kommunen auch ohne enges gesetzliches Korsett ihrer Aufgabenverantwortung weiterhin gerecht werden, wie sie es in den letzten Jahren und Jahrzehnten schon getan haben.

(Minister Dr. Repnik)

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Abg. Mari- anne Wonnay SPD: Die CDU hat den Einsatz ver- passt!)

Sie werden unsere Kinder und Familien nicht – wie Sie, Frau Kollegin Wonnay, befürchten –, auf gemeindlicher Ebene im Regen stehen lassen. Das können sie sich gar nicht leisten. Hiergegen spricht gerade auch die neue Aufgabe der gemeindlichen Bedarfsplanung. Denn wer sonst als die jeweilige Gemeinde könnte besser entscheiden, wie das örtliche Betreuungsangebot auszugestalten ist? Und wer könnte besser als die Gemeinde die Gesichtspunkte der Pluralität und Subsidiarität des Betreuungsangebots sowie die Wünsche und Interessen der Eltern und ihrer Kinder in die Planungen einbeziehen? Das kann doch nur vor Ort geschehen. Von oben verordnete Bedarfsfestlegungen sind sicherlich nicht der richtige Weg. Ich sage das ganz bewusst im Hinblick auf die von der rot-grünen Bundesregierung angekündigte Festlegung einer bundesweiten Quote von 20 % für Betreuungsangebote für unter Dreijährige. Das ist ein falscher Ansatz. Wir haben das stets betont.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Aber das Geld neh- men Sie!)

Die Versorgungsangebote müssen vor Ort nach dem örtlichen Bedarf entschieden werden. Unser Gesetz stellt für die gemeindliche Bedarfsplanung das richtige Instrument zur Verfügung.

Es wird immer wieder gesagt – es wurde auch heute wieder gesagt –, es gebe eine Benachteiligung gemeindeübergreifender Einrichtungen. Der Gesetzentwurf führt nicht zu einer Benachteiligung von Kindergärten mit gemeindeübergreifendem Einzugsgebiet. Wir haben im Sozialausschuss mehrfach ausführlich darüber diskutiert. Dabei ist klar geworden – vielleicht nicht ganz verstanden worden, aber klar geworden –, dass die Befürchtungen unbegründet sind. Ich werde das in vier Punkten zusammenfassen.

Unser Gesetzentwurf verknüpft den Förderanspruch mit gemeindlicher Bedarfsplanung. Damit beschränken wir den Einsatz öffentlicher Mittel auf die Vorhaben, die dem tatsächlichen örtlichen Bedarf entsprechen. Eine davon abweichende Praxis wäre ordnungspolitisch und haushaltspolitisch verfehlt. Das ist doch klar.

Zweitens: Unser Gesetzentwurf weicht von diesem Grundsatz nur bei einer Fallkonstellation ab. Dabei begünstigt er gemeindeübergreifende Einrichtungen gegenüber anderen freien Trägern.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So, jetzt!)

Denn nur für diese Einrichtungen kann natürlich eine Gemeinde eine Ausnahme von der sonst notwendigen Übereinstimmung mit der gemeindlichen Bedarfsplanung gewähren.

Ich habe auch wiederholt darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über eine Ausnahme im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde liegt. Dies ist auch in der Gesetzesbegründung nochmals klargestellt. Dabei ist die Gemeinde gut beraten, eine sorgfältige Interessenabwägung vorzunehmen; denn diese ist gerichtlich nachprüfbar.

Eines ist doch auch klar: Der neue Förderanspruch für gemeindeübergreifende Einrichtungen entspricht nicht nur der Höhe der bisherigen Förderung, sondern er ist sogar höher: statt 28 % jetzt 31,5 %. Also auch dies ist verbessert worden.

Alles in allem steht damit sachlich fest: Einrichtungen mit gemeindeübergreifendem Einzugsgebiet werden durch das neue Recht nicht benachteiligt. Sie haben allerdings – wie alle anderen Einrichtungen freier Träger auch – keinen Förderanspruch von der gemeindlichen Bedarfsüberlegung losgelöst. Diese Lösung ist nicht nur sachgerecht, sondern sie entspricht auch den Interessen der Beteiligten.

Natürlich ist klar: Man kann nicht einfach heute hergehen und wegen jedem Bedarf einen Kindergarten gründen, wie es einem gerade passt, und dann sagen: „Du, Gemeinde, zahl!“ Es muss also schon in den Bedarf hineinpassen. Das ist doch völlig klar. Man kann nicht einfach einen Kindergarten gründen und sagen: „Jetzt zahlt ihr also auch.“ Das muss in die Bedarfsplanung dieser Gemeinde hineinpassen.

Frau Lösch, dieser Gesetzentwurf führt zu keiner Verschlechterung bei der integrativen Betreuung. Das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen doch vielmehr, dass die Betreuung und Erziehung der behinderten Kinder gemeinsam in Gruppen mit Kindern ohne Behinderung weiter ausgebaut wird, wie das schon in den letzten Jahren gemacht worden ist.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Der geänderte Wortlaut des Gesetzes stellt doch klar: Die integrative Betreuung gilt grundsätzlich als allgemeines Postulat für alle Einrichtungen. Das ist weiter gehend als die bisherige Fassung. Aber jeder, der mit integrativer Betreuung Erfahrungen gemacht hat, weiß doch, dass hierfür von den Einrichtungen besondere personelle und auch räumliche Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Dies macht die neue Gesetzesformulierung auch deutlich. Wir wollen im Interesse von behinderten Kindern die richtige Förderung auf den Weg bringen.

Vielleicht noch zu einem Punkt, der immer wieder angesprochen wird: zur Klarstellung des Bildungsauftrags. Wir haben dieses – Klarstellung und Konkretisierung – im Gesetz selbst nicht festgeschrieben. Wir regeln im Gesetz nur, was dort auch zu regeln ist. Die zentralen Elemente des Bildungsauftrags sind wesentlicher Bestandteil der Zielsetzungen von Elementarerziehung. Das haben wir festgeschrieben. Und das Kultusministerium wird dies entsprechend dem gesetzlichen Auftrag – die Frau Ministerin wird morgen etwas dazu sagen – unter enger Beteiligung der Trägerverbände entwickeln. Dabei wird, wie im Gesetz ausdrücklich betont, der ganzheitlichen Sprachförderung eine zentrale Rolle zukommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für uns, für die Landesregierung steht insgesamt fest: Das neue Kindergartengesetz stellt eine gute, verlässliche Grundlage für den weiteren Ausbau der Betreuungsangebote im Lande dar.

(Abg. Zeller SPD: Leider nicht!)

(Minister Dr. Repnik)

Den Kommunen fällt eine Schlüsselrolle zu. Wir haben Vertrauen, dass sie dieser Verantwortung gerecht werden. Ich bitte Sie deswegen auch, diesem Gesetz zuzustimmen.