Protokoll der Sitzung vom 27.03.2003

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Die Frauen sind immer so giftig! – Abg. Döpper CDU: Jetzt geht es aber rund! – Unruhe)

Frau Kollegin Lösch, kennen Sie nicht das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg?

Kennen Sie nicht das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg,...

Das hat jetzt aber mit Ihrer Frage gar nichts zu tun.

... wo man kumulieren und panaschieren kann

(Abg. Zeller SPD: Doch, aber trotzdem lagen Sie daneben!)

und wo deshalb der Platz auf der Liste wirklich wenig aussagt?

(Abg. Fischer SPD: Die hat doch noch gar nichts gesagt! – Abg. Marianne Wonnay SPD: Sie kennen die Untersuchung offensichtlich nicht, die es zum Kommunalwahlrecht gibt!)

Frau Kollegin Berroth, es gibt zwei Bestandteile in der Diskussion. Der eine Bestandteil ist, wie viele Frauen aufgestellt werden, und der andere Bestandteil ist, wie viele Frauen gewählt werden. Genau auf diese zwei Punkte werde ich in meiner Rede jetzt eingehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion bezieht sich natürlich auf das Ziel, mehr Frauen auf die Listen zu bekommen, das heißt mehr Frauen aufzustellen. Das andere, wie man es hinbekommt, dass mehr Frauen gewählt werden, ist eine zweite Diskussion.

Ich beziehe mich jetzt erst einmal auf den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, der das Ziel hat, mehr Frauen in die Kommunalparlamente zu bekommen. Das ist anhand des Frauenanteils von knapp 19 % in den Gemeinderäten und von knapp 14 % in den Kreistagen tatsächlich dringend notwendig.

Frau Dr. Gräßle hat ja auf ihre Anfrage an die Landesregierung die Antwort bekommen, dass bei 72 Kommunen in Baden-Württemberg noch immer keine Frauen im Gemeinderat vertreten sind.

Jetzt gibt es dazu Unterlagen. So hat die Landesregierung bei der vorletzten Kommunalwahl eine Studie zum Thema „Erfolg von Frauen bei der Kommunalwahl“ in Auftrag gegeben. Diese Studie empfehle ich Ihnen allen dringend zur Lektüre. Vom Prinzip her kann man daraus viele Ergebnisse noch auf heute übertragen: Es gibt strukturelle Bedingungen – das haben Sie vorhin ja auch angesprochen – wie zum Beispiel die Gemeindegröße. Aber in dieser Studie ist auch ganz klar belegt, dass der Listenplatz natürlich eine wichtige Rolle spielt, weil er auch etwas über die Wertigkeit aussagt.

(Beifall bei den Grünen)

Es ist schon etwas anderes, ob man auf Platz 1, Platz 3 oder Platz 29 kandidiert.

Ausschlaggebend sind aber vor allem die politischen Bedingungen bei der Kommunalwahl. Der Wahlerfolg von Frauen bei Kommunalwahlen ist stark davon abhängig, bei welcher Gruppierung oder welcher Partei sie antreten. Am höchsten mit fast 50 % ist der Frauenanteil bei den Grünen. Deshalb sind wir die Partei, die tatsächlich dazu beiträgt, dass der Frauenanteil in den Kommunalvertretungen nicht noch niedriger ist.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Döpper CDU)

Gute Frauenpolitik heißt vom Prinzip her: von den Grünen lernen.

(Unruhe)

Am höchsten ist der Frauenanteil mit fast 50 % bei den Grünen, gefolgt von der SPD. Sehr geringe Frauenanteile gibt es dagegen bei der CDU, und die allergeringsten Anteile gibt es bei den Freien Wählergemeinschaften. Das heißt, wir brauchen diesen Gesetzentwurf,

(Unruhe)

weil die anderen Parteien im Gegensatz zu den Grünen in ihrer Satzung keine Quotierung verankert haben. Bei den Freien Wählervereinigungen, die bei uns ja fast 40 % aller Kommunalmandate innehaben, vor allem in ländlichen Bereichen, ist es natürlich schwierig, das in der Satzung zu verankern. Deshalb finde ich den Gesetzentwurf der SPDFraktion sehr sinnvoll.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Vor allem in den CDU-Hochburgen besteht der größte Handlungsbedarf. Deshalb nützt es nichts, Frau Dr. Gräßle, nur eine Anfrage an die Landesregierung zu richten und zu fragen, was sie unternehme, um den Frauenanteil in Kommunalparlamenten zu erhöhen.

(Zuruf der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

Da müssen Sie schon bei Ihrer Partei dafür sorgen, dass mehr Frauen aufgestellt und vor allem auch mehr Frauen gewählt werden.

Das ist nämlich das Zweite: Was kann man tun, damit mehr Frauen gewählt werden? Auch da zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Parteien. Die Wählerschaft der Grünen wählt genauso viele Frauen, wie die Grünen aufgestellt haben, nämlich 50 %. Die Wählerschaft der CDU und der Freien Wählervereinigungen ist in diesem Punkt noch konservativer als ihre Parteien; denn dem relativ geringen Anteil an Bewerberinnen steht ein noch geringerer Anteil an gewählten Gemeinderätinnen gegenüber. Das heißt: Die wenigen, die aufgestellt werden, werden nicht einmal gewählt. Dies kann man natürlich nicht per Gesetz regeln. Hierzu ist eine gesellschaftspolitische Diskussion erforderlich. Diese müssen Sie in Ihren Parteien führen, und diese muss auch die Landesregierung führen.

Als Letztes, weil meine Redezeit zu Ende ist und ich mich daran halte,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Hoffentlich!)

wollte ich die Landesregierung fragen, was sie tut, um den Frauenanteil in den kommunalen Gremien zu erhöhen. Bei der letzten Kommunalwahl gab es eine Kampagne „Mehr Frauen in die Kommunalpolitik“. Was ist für die Kommunalwahl im nächsten Jahr geplant? Ich hoffe, Frau Lichy, dass Sie mir mehr erzählen, als in der Handreichung „Mentoring für Frauen in der Kommunalpolitik“ steht, die, wie ich der Antwort auf eine Anfrage entnehmen konnte, von der Landeszentrale für politische Bildung herausgegeben wurde. Ich bin gespannt, was Sie da zu bieten haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält Herr Minister Dr. Schäuble.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Thomas, was wirst du jetzt erzählen?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst einmal bitte ich um Entschuldigung, wenn ich Sie enttäusche, dass ich das Wort ergreife.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jetzt habe ich im- mer die Frau Lichy angesprochen! Das ist aber nichts Persönliches! – Abg. Birzele SPD: Herr Mi- nister, lassen Sie Frau Lichy reden! Ihr fällt es leichter!)

Ich glaube, Herr Kollege Birzele, wir können das Anliegen, das ja unstreitig ist, nicht mit einem gesetzlichen Befehl voranbringen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Es ist sehr gefährlich, mit Herrn Birzele über juristische Fragen zu sprechen, weil er ein absolut hochkompetenter Jurist und Verfassungsjurist ist; ich erlaube mir aber, in der gebotenen Demut doch zu sagen: Im Unterschied zu Ihnen habe ich erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an Ihrem Gesetzentwurf. Sie haben gesagt, der Gesetzgeber habe Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 bei der Novellierung des Grundgesetzes 1994 eingefügt. Ich darf daran erinnern, dass wir damals beide in der Verfassungskommission waren. Diese Zeit war eine staatsbürgerliche Bereicherung. Ich darf daran erinnern, dass man sich damals doch immer einig war, dass Chancengleichheit, aber nicht Ergebnisgleichheit hergestellt werden muss. Das ist das erste große Problem.

Das zweite Problem scheint mir zu sein, dass der Staat einen Auftrag hat, aber diesen Auftrag meines Erachtens nicht in verfassungsrechtlich zulässiger Weise umsetzen können wird, indem er, wie gesagt, Befehle an Parteien und Wählervereinigungen erteilt. Ich glaube also, dass das verfassungsrechtlich schwierig ist. Dies sei aber dahingestellt.

Nachdem Kollegin Gräßle, unter deren strenger Anleitung ich im Laufe der Jahre die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in einem völlig neuen Lichte sehe,

(Heiterkeit)

selbst gesagt hat, dass dieser Gesetzentwurf rechtspolitisch nicht das Gelbe vom Ei sei, meine ich, dass ich auch als

(Minister Dr. Schäuble)

Vertreter der Landesregierung unabhängig von den verfassungsrechtlichen Bedenken, die ich habe, raten darf, diesen Weg nicht zu gehen. Offensichtlich muss einfach mehr Überzeugungsarbeit geleistet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Beides!)

Den Beifall der Kollegin Gräßle habe ich sicherlich zu einem Gutteil auch meinem Verdienst um die Landesliste bei der letzten Bundestagswahl zu verdanken.

(Beifall der Abg. Dr. Inge Gräßle und Johanna Lichy CDU)

Diese Überzeugungsarbeit – das klang auch an – muss sich wie immer – Herr Kollege Pfister, wenn ich Sie ansprechen darf – an die Adresse von uns Männern richten.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Wieso sprechen Sie jetzt gerade mich an? – Heiterkeit)