Die Überzeugungsarbeit muss sich aber – das sei mir als Mann gestattet zu bemerken, und das klang auch bei Frau Kollegin Gräßle an – zu einem abgeminderten Teil, wie ich schuldbewusst eingestehe, auch an die Adresse der Frauen richten.
Ich darf Ihnen sagen – vielen von Ihnen wird das auch schon widerfahren sein –: Ich habe in meiner früheren Eigenschaft als Kreisvorsitzender der CDU in vielen Fällen vergeblich versucht, Frauen, die absolut kompetent und eine Bereicherung gewesen wären, zu einer Kandidatur zu überreden. Diese Überzeugungsarbeit ist also von allen zu leisten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Beate Fauser FDP/ DVP: Genau! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Bei uns klappt es! – Zuruf des Abg. Bebber SPD)
Frau Lösch, ich würde die Überzeugungsarbeit bei Ihnen leisten, aber Sie sind bereits gewählt. Es ist zu spät.
Aber Scherz beiseite: Ich glaube, wir liegen richtig, wenn wir sagen: Wir sind hinsichtlich der Überzeugungsarbeit weitergekommen. Auf diesem Weg muss aber noch einiges geleistet werden. Aber wer glaubt, man könne durch gesetzliche Vorschriften gegenüber Parteien und Wählervereinigungen das Problem verringern, befindet sich meines Erachtens auf einem Holzweg.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich vor wenigen Wochen die Presseerklärung des Sozialministeriums auf den Tisch bekam, habe ich mich wirklich gefreut und gedacht: Es kommt nicht sehr häufig vor, dass sich Regierung und Opposition einmal einig sind, sieht man einmal von der Olympiabewerbung Stuttgarts ab. Ich habe auch gedacht: Willkommen im Klub, Frau Lichy!
Aber jetzt zeigt sich wieder einmal – dass jetzt der Herr Minister gesprochen hat und nicht Sie, zeigt mir das natürlich auch –, dass es bei der Äußerung eines Wunsches bleibt, ohne dass etwas dafür getan wird, dass dieser Wunsch auch in Erfüllung geht.
Es bleibt wieder einmal nur bei einer scheinbaren Übereinstimmung und bei bloßen Lippenbekenntnissen, ohne dass entsprechende Konsequenzen gezogen werden.
Lassen Sie uns doch endlich einen Zustand beenden, mit dem Sie angeblich genauso unzufrieden sind wie wir. Ich unterstelle Ihnen, dass Sie unsere Landesverfassung ernst nehmen. Deshalb unterstelle ich auch, dass Sie es ernst damit meinen, dass die kommunalen Gremien das Volk vertreten. So steht es nämlich in Artikel 72 der Landesverfassung.
Unsere Aufgabe als Parlament ist es eben auch, dafür zu sorgen, dass sich der Bevölkerungsanteil von Männern und Frauen auch in den kommunalen Gremien entsprechend widerspiegelt. Der Bevölkerungsanteil von Frauen beträgt 51 %. Wir sind da ganz bescheiden und fordern fifty-fifty. Wir wollen gleich viele Gemeinderätinnen und Gemeinderäte. Das ist unser Ziel.
Dass wir von diesem Ziel noch weit entfernt sind, brauche ich nicht zu wiederholen. Es dauert 100 Jahre, bis wir so weit sind, dass der Frauenanteil in den kommunalen Gremien 50 % beträgt. Ganz offensichtlich wollen Sie noch 100 Jahre warten. Wir wollen das nicht, übrigens genauso wenig wie die Frauen, die sich vor Ort für das Wohl ihrer Gemeinde einsetzen.
Während der Anteil der Frauen im Stuttgarter Gemeinderat 36 % beträgt, finden sich in den Gremien kleiner Gemeinden sehr häufig gar keine Frauen und beträgt der durchschnittliche Anteil der Frauen in kommunalen Gremien höchstens 8 %. Wir können uns eben nicht auf der Quote der Landeshauptstadt Stuttgart ausruhen
und sie als gutes Beispiel darstellen, wenn es auf dem flachen Land anders aussieht. Baden-Württemberg ist nun einmal ein Flächenstaat. Deshalb gilt es, Konsequenzen zu ziehen. Es gilt, jetzt das in die Tat umzusetzen, was Sie, Frau Lichy, vor sechs Wochen verkündet haben. Sie haben die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft aufgefordert, Regelungen und Konzepte zu entwickeln, um den Frauenanteil in der Kommunalpolitik zu erhöhen. Ich frage Sie jetzt: Was haben Sie damals mit „Regelungen und Konzepte“ gemeint? Haben Sie damit Überzeugungsarbeit gemeint, wie das heute anklingt? Wohl kaum.
Aber so weit wie Sie bei Ihrer Ankündigung geht unsere Fraktion ja noch nicht einmal. Wir wollen nach unserem Vorschlag, dass jeder fünfte Platz frei besetzt wird, was immer noch 40 % Frauen garantiert oder, je nach Sichtweise, meine Herren, mehr als 40 % Frauen verhindert. Von daher könnten Sie also heute ganz beruhigt unserem Gesetzesvorschlag zustimmen, wenn Sie schon keine Konsequenzen aus Ihren eigenen Ankündigungen ziehen und nicht in der Lage sind, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wenn wir et- was für nicht sinnvoll halten, stimmen wir auch nicht zu!)
Stattdessen wollen Sie wieder einmal – und ich frage mich: wie lange eigentlich noch? – durch Überzeugung mehr Frauen dazu bringen, zu kandidieren. Dabei wissen Sie so gut wie ich, dass das wesentlich einfacher ist, wenn Frauen überhaupt eine Chance auf einen aussichtsreichen Platz haben. Das ist nämlich das Wesentliche.
Natürlich haben es die Wählerinnen selbst in der Hand, durch Kumulieren und Panaschieren Bewerberinnen und Bewerber unabhängig vom Listenplatz zu wählen. Aber von daher zählt das Argument, dass durch quotierte Listen der Wähler beeinflusst wird, wie das in Ihrer Partei auch immer wieder gesagt wird, bei Kommunalwahlen noch weniger als bei sonstigen Wahlen.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Warum soll man es dann überhaupt machen? – Abg. Bebber SPD: Der Minister legt einen jährlichen Überzeu- gungsbericht vor!)
Vor allem Sie, meine Herren von der CDU – und da meine ich natürlich auch den Herrn Minister –, müssten wissen, dass die Platzierung der Bewerberinnen auf den Kommunalwahllisten erhebliche Auswirkungen auf die Wahl der Frauen hat. Schauen Sie sich doch einmal Ihre eigenen Listen von 1999 an. Da wurden die Frauen nämlich sehr häufig auf hintere Plätze gesetzt.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: So ist es! – Abg. Teßmer SPD: Katastrophal! – Abg. Seimetz CDU: Nein, nein! Bei uns nach dem Alphabet! – Abg. Mappus CDU: Bei Ihnen, bei uns nicht!)
Und wen wundert es, dass sie dann nicht gewählt wurden? Der Frauenanteil in der CDU-Fraktion ist doch nicht von ungefähr so niedrig wie in keiner anderen Partei.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Sei- metz CDU: Nur, die Frauen wählen keine Frauen! Das ist das Problem!)
Frau Kollegin HallerHaid, habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie diesen Gesetzentwurf eingebracht haben, um den Frauenanteil bei der CDU zu erhöhen?
(Beifall des Abg. Schmid SPD – Heiterkeit – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ja! – Abg. Seimetz CDU: Das war eine sehr gute Frage! – Abg. Bebber SPD: Wir haben uns das lange überlegt!)
Genau. Frau Berroth, Sie haben die Logik begriffen. Auch die CDU hat es dringend nötig, und auch die Frauen in der CDU erwarten, dass endlich von dieser Fraktion im Landtag ein klares Signal ausgeht, dass mehr Frauen aufgestellt werden müssen.
Angesichts Ihrer Reaktion habe ich immer noch den Eindruck, dass Sie glauben, Frauen wären in der Kommunalpolitik letzten Endes verzichtbar. Aber die Kommunalpolitiker betonen immer wieder – auch die in Ihrer Partei –, wie wichtig der Blickwinkel von Frauen ist. Frauen haben durch ihren Stand in der Familie bei Themen wie Pflege, Kindergarten usw. – das brauche ich gar nicht alles aufzuzählen – einen anderen Blickwinkel auf die Kommunalpolitik, und dies hat sich zwar in der Kommunalpolitik, aber leider noch nicht hier in diesem hohen Haus herumgesprochen.
Frau Abgeordnete, darf ich Sie bitten, zum Ende zu kommen. Sie haben Ihre Redezeit um eine Minute überzogen.