Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

Das Wort zur Aussprache erteile ich Frau Abg. Grünstein.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Kommunalpolitik in Baden-Württemberg ist eine Männerdomäne.

(Zuruf: Deswegen funktioniert es so gut!)

Nur jedes sechste Gemeinderatsmitglied ist eine Frau. Noch weniger Frauen, 13,9 %, sind in den Kreistagen vertreten. Dies soll sich bei der nächsten Kommunalwahl am 13. Juni 2004 ändern. Es muss ein wichtiges Ziel aller Demokraten sein, sich auf allen Ebenen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der Politik einzusetzen.

Ich würde jetzt eigentlich von den Kolleginnen und Kollegen zu meiner Rechten tosenden Beifall erwarten.

(Abg. Teßmer SPD: Höchstens von Frau Lichy!)

Denn das ist der Originalton Ihrer Staatssekretärin, der verehrten Frau Kollegin Lichy.

(Beifall bei der SPD – Abg. Capezzuto SPD: Jetzt aber! – Abg. Marianne Wonnay SPD: Beifall er- wartet! – Abg. Seimetz CDU: Bei Selbstverständ- lichkeiten klatschen wir nicht! – Weitere Zurufe)

In dem Punkt ist sie eine sehr gute Frau. Ich gebe Ihnen absolut Recht. Denn die Frau hat in diesem Punkt Recht.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Die Frau hat in die- sem Punkt Recht! – Abg. Seimetz CDU: Selbstver- ständlich!)

Die Mitglieder des ausschließlich männlich besetzten Arbeitskreises Innenpolitik der CDU-Fraktion haben es im Ausschuss abgelehnt, die Frauen der jeweiligen Verbände anzuhören. Wahrscheinlich war ihnen völlig klar, wie das Ergebnis sein würde. Sie haben kein ausgeprägtes Interesse daran gezeigt, Dinge zur Kenntnis zu nehmen, die Ihnen nicht in den Kram passen, selbst wenn sie von der Mehrheit der Bevölkerung ausgedrückt werden.

Was wollen wir Ihnen denn so Verwerfliches anbieten? Wir wollen, dass bei der Aufstellung der Listen für Gemeinderäte und den Kreistag eine angemessene Berücksichtigung

von Frauen und Männern erfolgt – also ein Mann/eine Frau oder eine Frau/ein Mann, und jeder fünfte Platz kann entweder mit einem Mann oder einer Frau besetzt werden. Natürlich können die Listen auch paritätisch gestaltet werden.

Alle verfassungsrechtlichen Bedenken, die bisher vorgetragen worden sind, entbehren jeder Grundlage. Die Tatsache hingegen, dass wir zu wenig Frauen in den kommunalen Gremien vorfinden, wurde auch von den kommunalen Landesverbänden bedauert.

(Abg. Wieser CDU: Haben Sie schon einmal Kan- didatinnen aufgestellt?)

Oh, ich mache seit 35 Jahren Politik vor Ort, mein lieber Herr Kollege. Ich weiß es. Aber komischerweise gibt es immer wieder Gremien und Gruppierungen, die damit keine Probleme haben. Vielleicht liegt es ja auch ein bisschen an Ihnen. Ich weiß es ja nicht.

(Abg. Wieser CDU: Wie viele Frauen haben Sie in Ihrem Gemeinderat?)

Fast die Hälfte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit reinem Bedauern, wie es die Landesverbände über die Tatsachen zum Ausdruck bringen, ist es nicht getan. Kommen Sie bitte auch nicht wieder mit solchen unsinnigen Sätzen wie denen, dass man dann auch eine Quote für Alte und Junge und was weiß ich, für Blonde und Braune oder solchen Unsinn einführen müsse, wie wir das letzte Mal im Ausschuss von Ihnen hören mussten.

Zum Schluss erlaube ich mir, noch einmal Ihre Frauenbeauftragte zu zitieren. Sie fordert alle Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft auf, Regelungen und Konzepte zu entwickeln, um den Frauenanteil in der Kommunalpolitik zu erhöhen. Denkbar sei eine Listenaufstellung in Form eines Reißverschlussverfahrens. Auf den Listenplätzen sollten im Wechsel Männer und Frauen aufgestellt werden.

Hören Sie auf Ihre Staatssekretärin. Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Gräßle.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hören natürlich immer auf unsere Staatssekretärin.

(Abg. Fischer SPD: Oh, das stimmt aber nicht!)

Ich glaube, wenn man die Frau Staatssekretärin im richtigen Zusammenhang zitiert, hört es sich noch einmal ganz anders an.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns im Ziel einig: Wir brauchen mehr Frauen in den Gemeinderäten und Kreistagen. Das haben die bisherigen Beratungen gezeigt. Darin sind wir uns auch alle einig. Je kleiner die Kommunen sind, desto schwerer haben es Frauen, erstens aufge

stellt und zweitens gewählt zu werden, wobei die Aufstellung – das haben wir, glaube ich, genau gesehen – das kleinere Problem ist.

Die CDU-Landtagsfraktion will die Herausforderung annehmen, nämlich den Wettbewerb darum, Qualität und Quantität bei Gemeinde- und Kreisrätinnen in Baden-Württemberg bei den Kommunalwahlen im kommenden Jahr zu erhöhen. Dazu, liebe Freunde, brauchen wir keine gesetzlichen Regelungen, sondern mehr Verständnis, Frauen in der Politik die Türen zu öffnen. Außerdem brauchen wir bessere Bedingungen für sie und ihre Familien, um beides miteinander unter einen Hut zu bekommen. Entsprechende Ausführungen habe ich bereits bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs gemacht.

Der SPD-Gesetzentwurf – Frau Grünstein, das ist seine große Schwäche – macht glauben, dass es an der Aufstellung, an den Listenplätzen liege. Damit verschleiert er nur den Blick auf die wirklichen Probleme. Die gesetzliche Festschreibung von Listenplätzen ist für uns kein Thema. Wir setzen weiter auf die Sensibilisierung unserer Parteibasis, auf die Schulung von Interessentinnen, und wir setzen auf den Ehrgeiz der Verantwortlichen vor Ort, uns und anderen zu zeigen, dass sie als Vertretung der großen Volkspartei CDU – ich spreche hier für meine Partei – die Gesellschaft in ihrer ganzen Breite auf den Listen und in den Fraktionen abbilden wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Capez- zuto SPD: Tosender Beifall!)

Wir lehnen den Gesetzentwurf der SPD ab und bekennen uns auch zu der Herausforderung und der Chance, die der Bundesgesetzgeber den Parteien gibt. Das Bundeswahlgesetz verweist auf die überragende Rolle, die die Parteien bei der Rekrutierung der Kandidatinnen und Kandidaten spielen. Die Parteien und nicht der Landesgesetzgeber sind über ihre Satzungen Herr und Frau des Verfahrens. Alles, was geregelt werden muss, ist geregelt. Wir müssen nur noch die eigenen Satzungen mit Leben erfüllen, und wir wissen, dass all dies schwerer ist, als wir uns das vorstellen. Aber eine weitere gesetzliche Regelung wird uns überhaupt nichts nützen.

Wir müssen durch Platzierungen auf den Listen den Wählerinnen und Wählern eindeutige Signale geben, und wir müssen auch Frauen und das, was sie wollen, sowie ihre Arbeit kommunal besser herausstellen, sodass sich Wählerinnen und Wähler davon überzeugen können, welch gute Arbeit die Frauen machen und welche Vorstellungen die Kandidatinnen haben. Die Wählerinnen und Wähler müssen verstehen, dass die Frauen, die sich zu einer Kandidatur bereit erklären, eine große Bereicherung für das Gemeinwesen, den Gemeinderat und den Kreistag sein werden.

Die Grünen, liebe Frau Lösch, tarocken mit ihrem Antrag dem SPD-Gesetzentwurf nach. Wir wollen keinen feiner ziselierten falschen SPD-Gesetzentwurf, nur weil die Grünen ein Thema verpennt haben und jetzt noch einen eigenen Ansatzpunkt suchen. Wir werden auch diesen Antrag ablehnen.

Ich bin mir sicher, dass uns die nächsten Kommunalwahlen mehr Frauen in die Kommunalparlamente bringen als bis

lang. Das bedeutet aber, dass wir uns alle an die Arbeit machen und wir alle es auch auf uns nehmen, sowohl für Kandidatinnen zu werben als auch uns dafür einzusetzen, dass diese Frauen auf den Listenplätzen entsprechende Chancen haben.

Danke.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die gleichwertige Beteiligung von Frauen im politischen Bereich ist auch der FDP/DVP ein wichtiges Anliegen.

(Abg. Capezzuto SPD: Ah ja! – Abg. Teßmer SPD: Noch gar nicht gemerkt!)

Der vorliegende Gesetzentwurf pflegt allerdings wieder einmal die alte SPD-Unsitte der Gleichmacherei. Was die einen für sich für gut halten – und das sei ihnen ja durchaus zugestanden –, das muss man doch nicht gleich für alle vorschreiben.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Als Vorschlag, wie Frau Staatssekretärin Lichy das benannt hat, ist es ja durchaus gut. Aber ich denke, die einzelnen Gliederungen müssen selbst entscheiden, wie sie vorgehen, und ich sage Ihnen eines: Ich will auch nicht verhindern, dass es gelegentlich Listen gibt, die von mehreren Frauen angeführt werden. Als Beispiel nenne ich unsere Kreistagsfraktion in Böblingen. Sie besteht zu zwei Dritteln aus Frauen. Die liberale Gemeinderatsfraktion in Heidelberg hat eine hundertprozentige Frauenquote.

(Unruhe bei der SPD – Abg. Capezzuto SPD: E i n e Frau! Tätä, tätä!)

Nein, nein, es sind mehr als nur eine.

(Unruhe bei der SPD)

Ich habe Ihnen in der ersten Lesung außerdem schon erläutert, dass bei einer Kommunalwahl, bei der kumuliert und panaschiert werden kann, der Listenplatz nur sehr bedingt hilfreich ist.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist richtig!)