Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist richtig!)

Wir hatten aufgrund einer Initiative der liberalen Frauen kürzlich eine Umfrage unter 2 500 weiblichen FDP/DVPMitgliedern. Dort hat sich ganz klar ergeben: Die liberalen Frauen sind mit großer Mehrheit gegen eine Quote. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf und dem Änderungsantrag heute nicht zustimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viel wichtiger als der Aufbau von Listen ist, dass es gelingt, reichlich qualifizierte Kandidatinnen zu finden. Wo die dann auf der Liste stehen, ist nicht ganz so wichtig. Es gibt seit vielen Jahren Beispiele dafür, dass gute Leute, egal, ob männlich oder weiblich, auch von hinten nach vorn gewählt werden. Ein ganz prominentes Beispiel war damals Hildegard Hamm-Brücher im

Münchner Stadtrat, die vom vorletzten Listenplatz auf den zweiten Platz gewählt wurde.

(Zuruf des Abg. Wieser CDU)

So etwas passiert auch heute immer wieder. Was müssen wir deshalb tun? Wir brauchen nicht irgendein Gesetz, in dem wir irgendetwas vorschreiben und reglementieren,

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Das eine tun und das andere nicht lassen!)

sondern – darin besteht wirklich unser aller Aufgabe – wir müssen das Interesse von Frauen am politischen Engagement wecken. Wir müssen – das ist mir ganz wichtig, und deswegen wiederhole ich es hier zum x-ten Male – Frauen und ihre Anliegen endlich politisch ernst nehmen. Da hat auch die Presse eine gewisse Verantwortung. Vielleicht ist manchem die „Stuttgarter Zeitung“ von gestern in Erinnerung. Da wurde – sehr erfreulich – berichtet, dass die FDP jetzt eine Kampagne für mehr Engagement von Frauen gestartet hat. Und wie war das Ganze von der Zeitung illustriert? Der stellvertretende Bundesvorsitzende beglückwünscht die Generalsekretärin mit Küsschen zu ihrer Wahl.

(Abg. Capezzuto SPD: Ah ja! – Abg. Fischer SPD: Da muss man nicht stolz sein, wenn man darüber berichtet!)

Mein Gott, uns Frauen geht es nicht darum, dass wir abgebusselt werden! Wir wollen ernst genommen werden. Wir wollen gleichwertig mitarbeiten.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Teßmer SPD: Haben wir ja gar nicht gewusst!)

Aber solche Bilder werden auch von Leuten, die uns dann wieder vorhalten, dass wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, durchaus unter die Menschen gebracht, und damit werden auch entsprechende Images gepflegt. Wichtig ist die positive Akzeptanz der politischen Arbeit von Frauen. Denn das Wissen, die Erfahrungen und das Know-how von Frauen sind außerordentlich wichtig, gerade auch für Gemeinderäte, Ortschaftsräte und Kreistage. Insofern hat diese Debatte vielleicht wenigstens ein Gutes: Es wird wieder einmal Aufmerksamkeit für das Thema geweckt.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch.

(Abg. Pauli CDU: Warum reden da bloß Frauen?)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ziel des Gesetzentwurfs, den Frauenanteil in den Kommunalparlamenten zu erhöhen, ist richtig – da sind wir uns sicher alle einig. Der Frauenanteil von 18,9 % in den Gemeinderäten und knapp 14 % in den Kreistagen ist zu wenig. Deshalb ist es dringend notwendig, dass der Frauenanteil erhöht wird.

In 72 der 1 100 baden-württembergischen Kommunen ist noch immer keine Frau im Gemeinderat vertreten. Das hat die Landesregierung auf eine parlamentarische Initiative der Kollegin Dr. Gräßle geantwortet. Da können Sie, liebe Kollegin, noch lange sensibilisieren und Bewusstseinsbildung betreiben, bis sich da etwas verändert.

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Halt, halt! Das hatte schon einen Wert!)

In der Diskussion zeichnen sich zwei Stellschrauben ab, an denen man ansetzen kann. Der eine Punkt lautet: Wie viele Frauen stehen überhaupt auf der Liste? Die zweite Frage ist, wie viele Frauen dann gewählt werden.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Den zweiten Aspekt, wie viele Frauen dann gewählt werden, kann man gesetzlich natürlich nicht beeinflussen. Man muss sich aber einmal ansehen, welche Frauen gewählt worden sind. Der Wahlerfolg von Frauen in Kommunalwahlen ist nach wie vor stark davon abhängig, für welche Partei oder Gruppierung sie antreten.

Die Wählerschaft der Grünen hat ähnlich viele Frauen gewählt, wie aufgestellt wurden. Das kann man in einer Studie nachlesen, die die Landesregierung in Auftrag gegeben hatte.

Die Wählerschaft der CDU und der freien Wählervereinigungen scheint in dieser Frage noch konservativer zu sein als ihre Parteien, denn dem relativ geringen Anteil der Bewerberinnen von etwa 20 % steht ein noch geringerer Anteil an gewählten Gemeinderätinnen gegenüber, nämlich etwa 10 bis 13 %. Das heißt, die konservative Wählerschaft von CDU und freien Wählern braucht tatsächlich sehr deutliche Signale ihrer Parteien, um den politischen Willen einer Erhöhung des Frauenanteils zu realisieren und positiv darauf zu reagieren. Da geht es in der Tat um Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung.

Aber in dem Bereich, in dem es um die Aufstellung der Listen geht, besteht natürlich die Möglichkeit, den Anteil von Frauen durch gesetzliche Bestimmungen zu erhöhen. Deshalb ist dieser Gesetzentwurf im Grundsatz zu begrüßen, geht uns aber nicht weit genug. Denn wenn es das Ziel ist, den Anteil von Frauen und Männern in kommunalen Gremien in Übereinstimmung mit ihrem Bevölkerungsanteil zu bringen, dann ist der angestrebte Frauenanteil von 40 % zu wenig, da der weibliche Bevölkerungsanteil nun einmal 51 % ausmacht.

Deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der eine paritätische Listenbesetzung vorsieht, wie es die Grünen in ihrer Satzung festgeschrieben haben. Wenn alle Parteien im Prinzip eine solche Quotierung in ihren Satzungen hätten, wäre dieser Gesetzentwurf auch überflüssig. Deshalb sage ich immer: Moderne Frauenpolitik kann man von den Grünen lernen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, nicht immer nur schöne Sonntagsreden oder schöne Plenarreden zu halten, wenn es um Frauenthemen geht, sondern tatsächlich auch einmal die Möglichkeit zu ergreifen, etwas umzusetzen. Diese Umsetzung kostet noch nicht einmal viel Geld.

Ich bitte Sie, unserem Änderungsantrag bzw. dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Dr. Schäuble.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Der Minister muss aber nicht reden!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf vielfachen Wunsch

(Heiterkeit und Beifall der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

spreche ich auch in der zweiten Lesung zu diesem Thema.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Ganz überraschend!)

Ich bin in Fragen der Frauenförderung der Kollegin Lichy und der Kollegin Gräßle nach anfänglichen Missverständlichkeiten eigentlich fast hörig geworden.

(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Teßmer SPD: Schön, wenn er das lächelnd zugibt! – Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Hoffentlich hört das keiner!)

In Fragen der Frauenförderung, habe ich gesagt! – Das Vertrauen der Kollegin Gräßle ist so groß, dass sie mir im Zusammenhang mit der heute Morgen ja sehr ausführlich besprochenen bevorstehenden Verwaltungsreform schon jetzt vertrauensvoll ihre Vorstellungen zur Frauenförderung mit auf den Weg gegeben hat. Es ist für mich eine große Ehre, dass Sie dieses Thema bei mir in guten Händen wissen.

Ich will aber darauf hinweisen – das sage ich, Herr Kollege Birzele, nachdem wir beim letzten Mal aufgrund Ihres Beitrags schon einmal darüber gesprochen haben –: Das Ihnen ja wohl vertraute Innenministerium, sprich die Kommunalabteilung, hat die verfassungsrechtlichen Fragen ein weiteres Mal gründlich geprüft, und ich muss Ihnen als Innenminister das Ergebnis unserer Prüfung mitteilen: Es bestehen ganz erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit Ihres Gesetzentwurfs

(Abg. Birzele SPD: Worin sollen die bestehen?)

unter dem Gesichtspunkt der Wahlrechtsgleichheit und unter dem Gesichtspunkt der Wahlfreiheit. Das muss man wissen, wenn man über dieses Thema spricht.

Unabhängig davon darf ich aber auch noch einmal wiederholen, was schon in der ersten Lesung nicht nur von mir, sondern auch von Frau Kollegin Gräßle und von Frau Kollegin Berroth gesagt worden ist: Das Thema der Frauenförderung bei den Kommunalwahlen durch den Gesetzgeber vorschreiben zu wollen ist ein Weg, der in die Irre führen würde.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Es klatschen aber nur wenige Frauen in der CDU- Fraktion!)

Ich kann nur unterstreichen, was in dem Zusammenhang von verschiedenen Debattenrednerinnen schon gesagt worden ist. Ich will auch noch einmal in Erinnerung rufen – auch dies ist heute angesprochen worden –: Wir kommen bei dem Thema dann voran, wenn zum einen die Bereitschaft, Frauen das Vertrauen auszusprechen, größer wird, wir zum anderen aber auch bei der anderen Problematik Erfolg haben, nämlich dabei, dass sich eben Frauen, die allgemein als für solche Aufgaben qualifiziert gelten, auch in stärkerem Maße als bisher für Kandidaturen bereit finden. Dies sind, so meine ich, die beiden entscheidenden Gesichtspunkte, und deshalb bitte ich um Verständnis: Es hat gar nichts mit fehlender Frauenförderung zu tun, wenn wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen, weil er auf einen falschen Weg führen würde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Birzele.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit will ich nur bemerken: Sowohl die Grünen als auch die SPD haben in ihren Parteistatuten Quotierungsvorgaben. Es gibt keine erfolgreiche Wahlanfechtung aufgrund dieses Sachverhalts, obwohl schon mehrere Wahlen auf allen Ebenen nach diesen Vorgaben durchgeführt worden sind. Die verfassungsmäßigen Bedenken scheinen deshalb nicht allzu groß zu sein, wenn niemand von solchen Bedenken Gebrauch gemacht und eine solche Wahl angefochten hat.

Eine zweite Bemerkung zum Antrag der Grünen. Frau Kollegin Lösch, wenn man etwas will, muss man es auch präzise formulieren. Ihr Antrag ist nicht korrekt. In einem Satz sagen Sie „sollen“, und im letzten Satz heißt es „müssen“. Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie sollen, wollen oder müssen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Oder müssen! – Abg. Blenke CDU: Die Kollegin Lösch ist auch nicht Juristin!)