Protokoll der Sitzung vom 25.06.2003

Das ist eigentlich der gesamte Hintergrund der Diskussion um eine Ausbildungsplatzabgabe: Niemand will Zwang. Jeder versucht, es auf einem freiwilligen Weg zu erreichen.

Es gibt erfreuliche Maßnahmen. Ich glaube, alle von uns sind vom Verband der Baustoffindustrie angeschrieben worden, der seine Mitgliedsfirmen aufruft auszubilden. Es gibt den Tarifvertrag in Niedersachsen, der vorsieht, dass in der dortigen Metallindustrie 10 % mehr Ausbildungsplätze angeboten werden. Wenn wir uns über den sozialen, wirtschaftlichen Wert der Ausbildung einig sind, dann müssen wir alle für die Sicherstellung dieses Angebots arbeiten. Die Bundesregierung tut dies. Sie hat mit den Sozialpartnern im April dieses Jahres die Offensive „Ausbilden jetzt – Erfolg braucht alle“ vorgestellt. Sie zielt darauf, mehr Ausbildungsplätze zu gewinnen und zu schaffen. Deswegen trifft zu, was die „Stuttgarter Zeitung“ heute sagt: „Die Bundesregierung kämpft gegen den Lehrstellenmangel.“

Die spannende Frage hier im Land ist aber: Wie kommt die Landesregierung ihrer Verpflichtung nach? Ich zitiere Sie wieder, Herr Minister Döring:

Aufgabe des Landes ist es, sich um den Erhalt und um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Ausbildung zu kümmern.

Da haben Sie Recht. Aber wie sehen Sie denn die Tatsache, dass 20 % der Jugendlichen in Baden-Württemberg die Schule mit so geringen Kenntnissen verlassen, dass sie nicht in Ausbildung kommen können? Wie sehen Sie die Tatsache, dass 40 % – fast die Hälfte – aller ausländischen Jugendlichen im ausbildungsrelevanten Alter von einer ordentlichen beruflichen Ausbildung ausgeschlossen bleiben? Ich kann nur sagen: Dazu hat Frau Ministerin Schavan heute Vormittag sehr eloquent geschwiegen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Wie schweigt man eloquent?)

Eloquent, indem man viel sagt und nichts sagt. Ganz einfach, das kann die Ministerin bestens.

Was macht die Landesregierung? Sie kürzt die Schulsozialarbeit. Sie streicht die Mittel des Programms „Jugend – Arbeit – Zukunft“ genau für diese Gruppe. Sie verabschiedet sich aus der Förderung der schwächeren Jugendlichen mit dem Hinweis, es gebe ja die Bundesmittel, das solle ruhig die Bundesregierung machen. Das heißt, die Landesregierung entzieht sich ihrer Verpflichtung gerade für die Schwächsten am Ausbildungsmarkt.

Die FDP – Herr Hofer, Sie sind ja ihr Repräsentant schlechthin – fordert immer vollmundig die Entlastung der Wirtschaft von zusätzlichen Kosten. Das Sozialministerium wiederum streicht die Zuschüsse für die Internatsunterbringung von Jugendlichen in Landesfachklassen. Ich denke jetzt an einen Auszubildenden im Ausbildungsgang Kachelofenbauer. Er bekommt keine Zuschüsse mehr mit dem Verweis darauf – da habe ich Ihre Gegenstimme vermisst –, dass diese Kosten ja zukünftig die Betriebe übernehmen könnten. So haben wir uns das allerdings nicht vorgestellt.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Aha! So geht es ja nicht!)

Die Jugendlichen in den Vollzeitschulen haben heute von der Kultusministerin wiederum keine Antwort auf die Frage bekommen, ob sie einen Platz erhalten.

(Abg. Capezzuto SPD: Unglaublich!)

Was macht das Land aber als Ausbilder? Diese Frage ist ja auch interessant. Seit 2001 ist die Zahl der Ausbildungsplätze beim Land und in den Landesbetrieben kontinuierlich zurückgegangen.

(Abg. Capezzuto SPD: Auch noch!)

Von den Unternehmen, bei denen das Land Mehrheitseigner ist, also offensichtlich etwas zu sagen hätte, wenn es etwas sagen wollte, bilden längst nicht alle aus. Deswegen ist schon die Frage zu stellen – appellieren Sie nicht an die Bundesregierung –: Wo bleibt denn hier das Signal? Sie tun nichts. Sie lassen die Jugendlichen im Stich – in der Schule,

bei der Förderung der Benachteiligten. Als Ausbildungsplatzanbieter und bei der Förderung der überbetrieblichen Ausbildung tun Sie auch nichts. Ich weiß nicht, Herr Minister Döring, ob Ihr lindgrünes Jackett als Zeichen der Hoffnung ausreicht oder ob wir hier nicht konkrete Maßnahmen bräuchten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schuhmacher.

(Abg. Kurz CDU: Einer, der ausbildet!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Weckenmanns Thema hieß ja eigentlich: „Fehlende Haushaltsmittel zur Modernisierung der Bildungsstätten des Handwerks“.

(Abg. Capezzuto SPD: Das kommt noch! Abwar- ten, Herr Schuhmacher!)

Sie haben richtigerweise auch über die Ausbildung gesprochen. Deswegen werde ich dazu auch ein paar Sätze sagen.

Erstens: Die überbetriebliche Ausbildung leistet einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt und zur Stärkung der überragenden Ausbildungsleistung des Handwerks.

Zweitens: Baden-Württemberg verfügt im Bereich der überbetrieblichen Ausbildungsstätten über ein gut ausgebautes und akzeptiertes Netz an Einrichtungen.

Drittens: Trotz der angespannten und schwierigen Haushaltslage fördert das Land die Modernisierungs-, Umstrukturierungs- und Anpassungsinvestitionen des Handwerks in den überbetrieblichen Ausbildungsstätten in erheblichem Umfang.

Zu den Zahlen möchte ich jetzt nichts sagen. Die wird sicher der Herr Minister nennen.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Zur Finanzierung: Ich weiß, dass die Handwerkskammern konkret beklagen, dass die steuerrechtliche Prüfung von ZOFF-III-Projekten – Investitionszuschüsse zu den überbetrieblichen Bildungszentren, Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung – gegenwärtig dezentral über die eigenen Sitzfinanzämter der Kammern erfolgt. Sinnvoll wäre es dagegen, die Prüfung zentral über das Finanzministerium oder die beiden Oberfinanzdirektionen abzuwickeln. Dies ist ein Teil, über den wir sicher reden müssen und über den auch schon geredet wurde.

Wenn man heute aber über das Handwerk und die Ausbildung spricht, muss man auch erwähnen, was die Bundesregierung derzeit mit dem Handwerk veranstaltet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Capezzuto: Ja, was zum Beispiel?)

Mit der beabsichtigten Änderung der Handwerksordnung fährt sie einen Frontalangriff auf das gesamte Handwerk.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zurufe von der SPD: Deregulierung!)

Der beabsichtigte Kahlschlag beim Meisterbrief als Zulassungsvoraussetzung für 65 Handwerksgewerke wird sich erheblich auf die Ausbildungsbereitschaft des Handwerks auswirken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Ca- pezzuto SPD: Wieso denn? Im Gegenteil!)

Ich nenne Ihnen jetzt einmal zwei Beispiele.

(Abg. Capezzuto SPD: Sie verdrehen alles!)

Nein. Man muss es verstehen. Ich bilde im Gegensatz zu Ihnen selbst aus. Das muss ich bloß einmal dazusagen.

(Abg. Capezzuto SPD: Mit dieser Leier kommen Sie mir schon seit sieben Jahren! Das halte ich langsam nicht mehr aus!)

Ich kenne ja die Störerei und möchte jetzt einfach nicht mehr darauf eingehen.

(Abg. Capezzuto SPD: Das ist gut so!)

Wir teilen auf in Erster-Klasse-Handwerker, die so genannten gefahrengeneigten Handwerker, und in diejenigen, die nicht gefahrengeneigt sind, die also keinen Meisterbrief brauchen. Dies ist nicht nur psychologisch falsch, sondern schafft auch keinen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Zurufe von der SPD)

Auch die Diskussion über eine Ausbildungsplatzabgabe ist ein völlig falscher Weg. Wir wissen ganz genau, dass Industrie und Handwerk ausbilden – auch dies hat Frau Weckenmann schon gesagt –, wenn Nachwuchs benötigt wird. Aber Sie kennen ja die derzeitige wirtschaftliche Situation,

(Abg. Wintruff SPD: Viel zu wenig wird ausgebil- det!)

die dies einfach nicht zulässt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Ich möchte trotzdem den Appell, den schon Frau Weckenmann vorgelesen hat, an meine Kolleginnen und Kollegen weitergeben: Wir müssen in der Industrie und im Handwerk ausbilden,

(Abg. Wintruff SPD: Ja!)

um eines Tages wirklich Facharbeiter zu haben, wenn wir sie brauchen.

(Abg. Wintruff SPD: Nicht nur eines Tages, son- dern das sollte man immer machen! Immer!)

Herr Wintruff! – Ich möchte aber auch einen Appell an die Jugendlichen und vor allem an deren Eltern richten, weil ich gerade heute wieder einen Bericht in der Zeitung gelesen habe. Ich bin übrigens stolz darauf, dass unser Arbeitsamtsbezirk Rottweil-Tuttlingen, zu dem auch die Kol