Krank gemeldet sind Frau Abg. Ulla Haußmann und die Herren Abg. Gustav-Adolf Haas und Wolfgang Staiger.
Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung – Die Finanzkraft der Kommunen stärken – für eine umfassende Gemeindefinanzreform – Drucksache 13/1945
Dazu rufe ich den Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/2198, zur Großen Anfrage Drucksache 13/1945 auf.
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion bei gestaffelten Redezeiten und für das Schlusswort fünf Minuten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Finanzsituation der Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der FDP/DVP-Fraktion eindeutig hervor und wird auch durch die neuesten Zahlen der November- und Mai-Steuerschätzungen untermauert. Allein die Tatsache, dass 69 von 86 Großen Kreisstädten und acht von neun Stadtkreisen des Landes im Jahr 2003 nicht mehr die gesetzlich vorgeschriebene Nettoinvestitionsrate erwirtschaften, wirft ein Schlaglicht auf die Situation, in der sich die Haushalte unserer Kommunen befinden.
Wenn man auf den Volksmund hört, dann gehört Klappern zum Handwerk und Klagen zu den Kämmerern, Bürgermeistern und Oberbürgermeistern. Ist also die Frage der Finanzkrise der Kommunen ein Lamento, eine alte Leier, oder ist dies tatsächlich der Wendepunkt einer unendlichen Geschichte? Die Antwort werden wir heute nicht finden, aber ich denke, die Zahlen zeigen eindeutig: So dramatisch wie jetzt war die Situation unserer Städte und Gemeinden noch nie, und dringender Handlungsbedarf liegt vor.
Waren es im Jahr 2002 noch 11 Große Kreisstädte, die überhaupt keine Zuführung vom Verwaltungshaushalt zum Vermögenshaushalt hatten, so hat sich diese Zahl im Jahr 2003 auf 45 von insgesamt 86 Großen Kreisstädten vervierfacht, wobei von 7 Großen Kreisstädten zum Zeitpunkt der Erhebung überhaupt noch kein Haushaltsplan vorlag – mit Sicherheit deshalb, weil es den Gemeinderäten nicht gelungen ist, den Ausgleich zu erreichen.
Bei den 1 015 kreisangehörigen Gemeinden sieht es nicht besser aus. Hier schnellte die Zahl der Gemeinden ohne jegliche Zuführung zum Vermögenshaushalt von 149 im Jahr 2002 auf 317 im Jahr 2003 in die Höhe, bei den 35 Landkreisen von 0 auf 10.
Allein diese wenigen Zahlen zeigen, wie dramatisch sich die Finanzsituation unserer Städte und Gemeinden verschlechtert hat. Diese negative Entwicklung wird sich gemäß der Steuerschätzungen vom November und vom Mai weiter fortsetzen. Die Gemeindefinanzen werden sich deutlich negativer entwickeln als die Finanzen bei Bund und Ländern.
Die Haushalte der Gemeinden sind gleich von mehreren Seiten unter Druck. Eigene Steuereinnahmen brechen weg, vor allem die Einkommensteueranteile und die Gewerbesteuer. Hinzu kommt die Delegation von Aufgaben – vor allem vonseiten des Bundes – ohne die Bereitstellung der erforderlichen Mittel; dies erhöht die Ausgaben. Gleichzeitig wachsen die von den Gemeinden zu leistenden Umlagen – auch dies geht aus der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP hervor – von 4,34 Milliarden € im Jahr 1993 auf 6,26 Milliarden € im Jahr 2002. Wenn einerseits die Umlagen so dramatisch steigen, die von den Städten und Gemeinden zu finanzieren sind, und andererseits die Einnahmen stagnieren, zurückgehen und wegbrechen, dann merkt man, in welche schwierige Situation unsere Kommunen kommen. Die kommunale Selbstverwaltung wird dadurch ausgehöhlt. Sie ist wirklich gefährdet.
Festzustellen bleibt: Die Städte und Gemeinden in Deutschland insgesamt steuern nicht auf eine Finanzkrise zu, sondern sie sind bereits mittendrin.
Die den Kommunen mit der Steuerreform von der rot-grünen Bundesregierung versprochenen Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer in Milliardenhöhe sind gänzlich ausgeblieben – im Gegenteil: Die Gewerbesteuer ist flächendeckend eingebrochen. In Baden-Württemberg lag das Auf
kommen im Jahr 2002 um 500 Millionen € unter dem des Jahres 1993. Die rot-grüne Bundesregierung hat die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage aber genau mit den zu erwartenden Mehreinnahmen aus der Gewerbesteuer begründet. Nachdem nun diese Mehreinnahmen erwiesenermaßen ausgeblieben sind, ist die Geschäftsgrundlage für die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage weggefallen,
und deshalb muss als Sofortmaßnahme zur Rettung unserer Kommunen die Gewerbesteuerumlage unverzüglich abgesenkt werden. Die FDP/DVP-Fraktion fordert deshalb die Senkung der Gewerbesteuerumlage als Sofortmaßnahme zur finanziellen Entlastung der Kommunen. Wir wissen, dass dies auch zu Mindereinnahmen beim Land führt, wollen dies aber bewusst in Kauf nehmen, um unseren Kommunen zur Seite zu springen.
(Abg. Kretschmann GRÜNE: Wie wollt ihr die de- cken? Was heißt „in Kauf nehmen“? Die muss man decken!)
Was wir ebenfalls brauchen: Wir brauchen auf Bundesebene wieder eine Wirtschaftspolitik für mehr Wachstum und Beschäftigung, den Umbau der Sozialsysteme und eine Offensive zum Abbau der Bürokratie. Erst wenn der Konjunkturmotor wieder anspringt, werden auch die Gemeinden finanziell gesunden.
Wir brauchen darüber hinaus den Abbau staatlicher Aufgaben. Vor allem muss es ein Ende damit haben, dass Aufgaben von oben nach unten, vor allem vom Bund auf die Kreise, die Städte und Gemeinden delegiert werden, ohne dass hierfür ausreichende Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Die FDP/DVP-Fraktion fordert deshalb die Verankerung des Konnexitätsprinzips nach dem Motto „Wer bestellt, bezahlt“ im Grundgesetz nach dem Vorbild der baden-württembergischen Landesverfassung.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Kretschmann GRÜNE: Als ob das bei uns jemals funktioniert hätte! – Gegenruf des Abg. Pfister FDP/DVP: Bes- ser als im Bund!)
Viertens: Wir brauchen eine grundlegende Reform der Gemeindefinanzen. Wir brauchen eine Reform, die diese Bezeichnung auch wirklich verdient.
Die FDP hat hierzu ein in Bund und Ländern abgestimmtes und in sich schlüssiges Konzept entwickelt, das die Gemeindefinanzen auf eine neue und tragfähige Grundlage stellen wird.
Dieses Konzept hat hier Professor Pinkwart am vergangenen Freitag bei einer sehr gut besuchten Anhörung der FDP/DVP-Fraktion vorgestellt. Die Tatsache, dass zahlrei
che der anwesenden Bürgermeister für einen Ersatz der Gewerbesteuer durch ein eigenständiges Hebesatzrecht auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer plädiert haben, zeigt mir, dass die Zustimmung zu diesem Modell auch innerhalb der Kommunen wächst
und dass diese Zustimmung größer ist, als die öffentlichen Verlautbarungen der kommunalen Landesverbände deutlich machen.
Deshalb kämpfen wir für diese Reform, weil wir meinen, dass dadurch die Finanzautonomie unserer Städte und Gemeinden verstärkt und abgesichert wird.
Fünftens: Der FDP/DVP-Fraktion ist es ein besonderes Anliegen, dass die im Zuge der Verwaltungsreform geplante Effizienzrendite auch tatsächlich erwirtschaftet wird. Die Übertragung von Aufgaben auf die Landkreise darf nicht zu steigenden Kreisumlagesätzen führen,
die dann wieder von den kreisangehörigen Städten und Gemeinden zu tragen wären. Dies muss nach dem Dafürhalten der FDP/DVP-Fraktion fest vereinbart und auch anhand statistischer Methoden überprüft werden. Die FDP/DVP setzt sich darüber hinaus dafür ein, dass Eingriffe in die kommunale Finanzmasse so weit wie möglich vermieden werden. Sollte die sich weiter zuspitzende Finanzkrise des Landes uns dazu zwingen, auch Kürzungen im Rahmen des FAG vornehmen zu müssen, besteht die FDP/DVP darauf, dass die Kommunen gleichzeitig von Aufgaben und gesetzlichen Standards gemäß dem Konnexitätsprinzip entlastet werden.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Politik ist dazu da, dass sie gestaltet. Wenn man die Berliner Politik ansieht, dann fällt es einem in der heutigen Situation sehr schwer, festzustellen, wo noch gestaltet wird und wie gestaltet wird.
(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das ist ja wohl ein Witz! Ihr habt gerade bei der Gesundheitspolitik die größten Schwierigkeiten, überhaupt auf die Rei- he zu kommen! – Abg. Fischer SPD: Ich würde den Mund nicht so voll nehmen!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Resultate sind ja auch ernüchternd. Im Jahr 2001 hatte die Bundesrepublik noch ein Wirtschaftswachstum von 0,6 %. Im Jahr 2002 – man höre und staune – erwartete die Bundesregierung ein Wirtschaftswachstum von 2,5 %; tatsächlich betrug es dann 0,2 %.
Im Jahr 2003 erwarten Sie 0,75 %. Vorgestern hat Herr Professor Sinn vom Ifo-Institut gesagt, er erwarte für dieses Jahr ein Nullwachstum.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Folge davon ist eine einzige Zumutung – für den Bund selber natürlich, weil er keine Steuereinnahmen mehr hat, aber insbesondere auch für die Länder, für Baden-Württemberg und seine Kommunen.
Wenn Sie das nicht glauben, dann sage ich Ihnen – FAZ vom 31. März 2003 –: „Rekorddefizite machen Kommunen das Wirtschaften immer schwerer.“