Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Wenn Sie das nicht glauben, dann sage ich Ihnen – FAZ vom 31. März 2003 –: „Rekorddefizite machen Kommunen das Wirtschaften immer schwerer.“

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das wissen wir doch! Das ist uns bekannt!)

„Schwarzwälder Bote“ vom 25. Juni 2003: „So manche finanziell klamme Kommune erhält einen blauen Brief.“

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Wir glauben das!)

Was heißt hier, das glauben Sie? Dann müssen Sie etwas tun,

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das tun wir!)

damit sich an dieser Situation etwas ändert, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wenn man einmal den Finanzierungssaldo der Kommunen betrachtet, also den Saldo zwischen den regelmäßigen Einnahmen und den Ausgaben, dann stellt man fest, dass er in den Jahren 1998 bis 2000 – man höre und staune – noch plus 2 Milliarden € betrug, 2001 minus 4 Milliarden €, 2002 minus 6,5 Milliarden €. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dieser Situation ist es dringend erforderlich, dass wir den Kommunen wieder den Spielraum zurückgeben, den sie brauchen, damit sie ihre Selbstverwaltungsautonomie auch umsetzen können.

Wenn Sie sagen: „Das wissen wir“, dann sage ich Ihnen: Das wissen Sie schon lange. Sie sagen nämlich in der Koalitionsvereinbarung 1998:

die rot-grüne Bundesregierung –

wollen die Finanzkraft der Gemeinden stärken

(Abg. Schmiedel SPD: Na also!)

und das Gemeindefinanzsystem einer umfassenden Prüfung unterziehen.

(Abg. Schmiedel SPD: Ja!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was haben Sie gemacht? Nichts ist gemacht worden! Im Mai 2002 hat man eine Kommission eingesetzt, die bis zur Bundestagswahl natürlich überhaupt nichts mehr erreichen konnte. In der

Zwischenzeit sind diese Kommissionsergebnisse vorgelegt worden, aber es ist noch lange nicht daran gedacht, sie auch umzusetzen. Reden ist bei dieser Bundesregierung eben das eine und Handeln das andere. Aber das ist etwas, was wir in weiten Bereichen der Bundespolitik feststellen müssen.

Wenn Sie das mir nicht glauben, dann glauben Sie es vielleicht dem Wirtschaftsreferenten der Stadt München, Reinhard Wieczorek. Er ist im Übrigen SPD-Mitglied. Ich zitiere aus der „Welt am Sonntag“ vom 18. Mai 2003:

Die Bundespolitik nimmt die Belange der Kommunen, die am nächsten an den Bürgern dran sind, nicht ernst. Uns sind letztes Jahr binnen zweier Wochen 35 % an zu erwartenden Erträgen weggebrochen, die Gewerbesteuervorauszahlungen brachen von 900 auf 600 Millionen € ein. Und das hatte seine Ursache in der Bundesgesetzgebung.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: Recht hat er!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das liegt natürlich an der schlechten konjunkturellen Entwicklung, aber das hat auch maßgeblich mit Steuergesetzgebung zu tun. Die rot-grüne Steuerreform hat zu erheblichen Ausfällen bei den Gewerbesteuereinnahmen geführt. Im Zuge der Unternehmensteuerreform wurde die Gewerbesteuerumlage von 20 auf 28 % erhöht.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Jetzt kommen Sie all- mählich zu dem, was Sie wollen, Herr Kollege! – Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Mit Zustimmung des Landes Baden-Württemberg!)

Dazu kommen wir sehr schnell, Herr Kollege Kretschmann. Die Länder haben im Bundesrat versucht, das wieder rückgängig zu machen, Herr Kollege. Der Bundesrat ist an der Bundestagsmehrheit gescheitert. Das ist doch das Faktum.

(Zuruf von der CDU: So ist es! Genau!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dieser Situation gibt es verschiedene Vorschläge der Gemeindefinanzreformkommission. Davon sind zwei in der engeren Diskussion. Sie wissen das. Das eine ist die Revitalisierung der Gewerbesteuer. Das ist offensichtlich die Auffassung des Bundeskanzlers, aber auch der kommunalen Spitzenverbände.

(Zurufe von der SPD)

Ja, natürlich auch der kommunalen Spitzenverbände. Dieser Vorschlag will die Freiberufler einbeziehen und vor allem ertragsunabhängige Elemente wieder in die Gewerbesteuer aufnehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, davor können wir nicht nur warnen, sondern das lehnen wir auch ab. Gerade in einer Krisenzeit dieses Staates, in der die Steuereinnahmen nicht sprudeln, sondern maximal zurückgehen, ist es völlig verfehlt, wieder an die Substanz der Unternehmen heranzugehen und die Wirtschaft zusätzlich zu belasten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Theurer FDP/DVP: Sehr richtig!)

Deswegen schlagen wir vor, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gewerbesteuer abzuschaffen und das von Herrn Professor Kirchhof vorgeschlagene Modell des Rechts zur Erhebung eines Zuschlags auf die Einkommensteuer und auf die Körperschaftsteuer für die Kommunen umzusetzen.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Aber das ist doch eine Steuererhöhung für den größten Teil der Bevölke- rung! – Abg. Junginger SPD: Ungeeignet! Völlig ungeeignet!)

Das hat ganz erhebliche Vorteile, meine sehr verehrten Damen und Herren. Erstens haben wir dadurch keine Substanzbesteuerung. Die Substanzbesteuerung haben wir bereits bei der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und auch der Vermögensteuer zurückgenommen. Es wäre dringend notwendig, dass auch Sie diesen Weg mit beschreiten.

Der zweite Punkt ist, dass es auch eine ganz wesentliche Steuervereinfachung ist, wenn wir endlich eine Steuer abschaffen. Es ist ein Mindestmaß an Klarheit, Transparenz, Berechenbarkeit und Gerechtigkeit in Deutschland erforderlich.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Wir können uns doch nicht abends an den Stammtischen darüber lustig machen, dass 80 % der Steuerliteratur dieser Welt aus Deutschland stammen, und sind dann nicht in der Lage, auch einmal einen entscheidenden Schritt in Richtung Steuervereinfachung zu gehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Der dritte Punkt ist, Herr Kollege Palmer, dass dies auch zu einer ganz erheblichen Verstetigung der Steuereinnahmen führt und die Kommunen von ihrer Abhängigkeit von einzelnen Betrieben entlastet. In meiner eigenen Kommune Schwäbisch Gmünd besteht eine erhebliche Abhängigkeit von einem großen Betrieb. Wir sind im Grunde in der Gefangenschaft dieses Betriebs. Deswegen gehen die Steuereinnahmen jetzt noch zusätzlich drastisch zurück. Das würde bei diesem Modell vermieden.

Viertens – das halte ich für einen mindestens ebenso gewichtigen Punkt – verwirklicht sich auch ein Stück Bürgernähe. Wenn die Bürger sehen, dass die Kommune über einen Hebesatz auch ein entsprechendes Projekt in der Gemeinde umsetzen kann, dann verwirklicht sich auch die Nähe zwischen Bürger und Verwaltung, und die Bürger sind im Übrigen viel eher bereit, auch einmal so etwas mit zu verwirklichen und zu unterstützen.

Schließlich und endlich, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir treten dafür ein, dass den Kommunen eine Soforthilfe zur Verfügung gestellt wird. Wir unterstützen, dass die Gemeinden im Rahmen des Aufbauhilfefondsgesetzes von ihrem Finanzierungsanteil freigestellt werden sollen. Wir sind also durchaus nicht immer gegen das, was die Bundesregierung vorschlägt. Wir unterstützen das, aber wir lehnen die kommunalen Investitionsprogramme von 7 Milliarden € vehement ab, weil es überhaupt keinen Sinn macht, Kommunen, die ohnehin schwach sind und keine

Möglichkeiten haben, zu investieren, mit billigeren Krediten zu versorgen. Das wird nicht zum Erfolg führen.

Wir sind bereit, die Gewerbesteuerumlage wieder abzusenken, weil sie im Zuge der Unternehmensteuerreform mit bestimmten Zielvorgaben eingeführt worden ist, die sich nicht verwirklicht haben. Jetzt ist es dringend geboten, die Änderung wieder zurückzunehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein letzter Punkt – auch von der FDP/DVP bereits angesprochen –: Das Konnexitätsprinzip, das im Land, weil es in der Verfassung verankert ist, bereits verwirklicht ist, dass nämlich das Land, wenn es Aufgaben an die Kommunen überträgt, auch entsprechende Gelder zur Verfügung stellt,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ja!)

müsste auch im Verhältnis zwischen Bund und Kommunen verwirklicht werden,

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!)

und deswegen unterstützen wir es, dass dem Konnexitätsprinzip auch auf Bundesebene Geltung verschafft wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Scheffold, gestatten Sie eine Nachfrage des Herrn Abg. Birzele?

Eine abschließende Frage. Ja.