Protokoll der Sitzung vom 16.07.2003

Meine Damen und Herren, normalerweise brauche ich mindestens acht Jahre, um einen Meisterbrief zu erwerben, und muss dazu Zusatzqualifikationen in nicht unerheblichem Umfang erwerben. Ich sehe die Gefahr, dass durch dieses Gesetz der Meisterbrief über kurz oder lang in vielen Bereichen überhaupt nicht mehr gemacht wird. Das wäre für die Qualifikation, für die Ausbildung in unserem Land nachteilig.

Ich möchte noch einmal mit Nachdruck auf Folgendes hinweisen: Angesichts der Jugendarbeitslosenquote in anderen

hoch gelobten EU-Ländern müsste Brüssel eigentlich sagen: Wir machen uns Gedanken darüber, in Europa ein System der dualen Ausbildung wie in der Bundesrepublik Deutschland einzuführen. Es sollte nicht so sein, dass wir umgekehrt ein System einführen, das dazu führt, dass wir uns mit einer Jugendarbeitslosigkeit auseinander setzen müssen, die wir nicht in den Griff bekommen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Da müssen Sie in der Schule etwas machen!)

Wir alle kennen die Klagen der Handwerksbetriebe, dass es sehr schwer sei, junge Leute mit geringen fachlichen Kenntnissen und geringen sozialen Kompetenzen so auszubilden, dass sie sich in einer komplexen Arbeitswelt überhaupt behaupten können.

(Abg. Capezzuto SPD: Was hat das mit dem Meis- terbrief zu tun? – Abg. Drexler SPD: Das muss doch in der Schule geschehen!)

Dies hat sehr viel mit dem Meisterbrief zu tun. Das haben Sie leider noch nicht verstanden, meine Damen und Herren.

(Abg. Drexler SPD: Dann tun Sie doch etwas! – Unruhe)

Es ist doch ganz klar, dass nur die vielen stabilen Handwerksbetriebe in der Lage sind, in größerem Umfang auszubilden, und dass diese Betriebe, die ausbilden – bei uns 40 % aller Auszubildenden –, dazu beitragen, dass die Jugendarbeitslosigkeit bei uns relativ gering ist.

(Zurufe von der SPD)

Es muss doch Ursachen dafür geben. Sie bestehen darin, dass im Handwerk die jungen Leute an die Berufe herangeführt werden.

Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht den großen Befähigungsnachweis ausdrücklich bestätigt, und zwar aus der Erkenntnis, dass die Ausbildungsbereitschaft und der Ausbildungsumfang unserer Handwerksbetriebe wichtig sind.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abg. Fauser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Wintruff?

(Abg. Drexler SPD: Nein, sie ist in einem Zwi- schensatz! – Abg. Wintruff SPD: Ich hätte Sie doch etwas Schönes gefragt! – Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, es wurde bereits angesprochen, dass das Handwerk bereit ist, gemeinsam mit der Regierung zu arbeiten. Das Handwerk schlägt vor – ich zitiere –, dass über das Kriterium Gefahrengeneigtheit hinaus Kriterien der Ausbildungsleistung sowie der Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter wie Gesundheit, Umwelt, Verbraucherschutz oder Verkehrssicherheit zu ergänzen sind.

Meine Damen und Herren, Sie sagen, Frisör sei ein leichter Ausbildungsberuf, das könne jeder machen. Wie Sie viel

leicht nicht wissen, ist der Frisörberuf bei den Berufsgenossenschaften als besonders risikoreich eingestuft. Frisöre haben erhebliche Beiträge an die Berufsgenossenschaften zu zahlen.

(Abg. Ruth Weckenmann und Abg. Drexler SPD: Allergien! – Abg. Capezzuto SPD: Meinen Sie, mit dem Meisterbrief kriegen die keine Allergien?)

Daher ist es in Zukunft wichtig, dass die Leute Verbraucherschutz genießen und nicht mit grünen Haaren aus dem Frisörsalon kommen.

(Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist mir völlig unverständlich, aus welchen Gründen Metzger kein gefahrengeneigter Beruf sein soll.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Darf ich um mehr Ruhe im Saal bitten?

Ich kann mir nur vorstellen, dass Herr Clement daran interessiert ist, einen breiten bodenständigen Mittelstandsbereich aufzubrechen, weil die Handwerker in vielen Bereichen nicht zu seiner Wählerklientel gehören.

(Abg. Capezzuto SPD: So ein Blödsinn!)

Meine Damen und Herren, das Handwerk ist eine Stütze für unsere Volkswirtschaft, es ist ein Puffer für unseren Arbeitsmarkt. Es ist der wichtigste Träger beruflicher Bildung, und das Handwerk und seine vielfältigen Betriebe tragen einen großen Teil gesellschaftlicher und sozialer Lasten. Es ist ein Leichtsinn, der uns noch teuer zu stehen kommen wird, wenn wir ohne Not 65 Bereiche aus der A-Anlage heraus in die B-Anlage nehmen.

Ich bitte die Regierung, auf das Handwerk zu hören und im Vermittlungsausschuss dafür zu sorgen, dass neue Kriterien mit aufgenommen werden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Witzel.

(Zuruf von der SPD: Jetzt müssen wir noch einmal fragen, was die FDP von Lambsdorff hält! – Ge- genruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP: In diesem Fall nichts! – Lebhafte Heiterkeit bei der SPD und den Grünen – Zurufe von der SPD: Jetzt ist es raus! – Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Win- truff SPD: Das kriegt der schriftlich! – Abg. Ca- pezzuto SPD: Das ist protokolliert! – Glocke der Präsidentin – Abg. Capezzuto SPD: Das Protokoll schicken wir dem zu! – Abg. Drexler SPD: Wir ha- ben nicht nach Möllemann gefragt, sondern nach Lambsdorff! – Lebhafte Unruhe – Glocke der Prä- sidentin)

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren!

(Lebhafte Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Witzel!

Wir erleben gerade das große Geschrei um die Aufhebung des Meisterzwangs. Schauen wir nach Südtirol und denken etwa 15 Jahre zurück. Dort hatte man damals genau das gleiche große Geschrei. Dort ist ein Fliesenleger vor Gericht gezogen, weil er keinen Meisterbrief hatte, aber Fliesen verlegen wollte. Er hat Recht bekommen, und deshalb wurde damals in Südtirol der Meisterzwang abgeschafft. Es gab damals kritische Stimmen. Genau die gleichen Argumente, die heute hier vorgebracht werden, gab es damals auch.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Wie viele Arbeits- lose gibt es denn in Südtirol?)

Jetzt ist es wichtig, zu schauen, was dort passiert ist. Gut, Südtirol ist kleiner als Baden-Württemberg.

(Abg. Drexler SPD: Ganz Südtirol ist jetzt gefliest! – Heiterkeit)

Aber man sollte sich einmal anschauen, was sich dort ergeben hat.

(Abg. Wintruff SPD: Sogar die Vorgärten sind ge- fliest!)

Erstens können wir festhalten:

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Die Zahl der Handwerksbetriebe in Südtirol stieg von 12 000 auf über 13 000. Es ist dabei nicht so, dass sich nur größere Betriebe in kleinere zerlegt hätten und alles kleinere Betriebe geworden wären, sondern auch die Zahl der Beschäftigten in den Betrieben ist insgesamt kräftig gestiegen.

(Abg. Capezzuto SPD: Natürlich! Ist ja klar!)

Punkt 1.

Punkt 2: Es ist nicht so, dass der Meisterbrief in Südtirol an Wert verloren hätte und zur Makulatur geworden wäre, sondern er ist erhalten geblieben. Ein großer Anteil der neuen Selbstständigen macht freiwillig die Meisterprüfung.

(Abg. Wintruff SPD zu Abg. Beate Fauser FDP/ DVP: Wer selbst keine Fragen zulässt, kann übri- gens auch keine stellen!)

Die Provinzregierung, die damals, vor etwa 15 Jahren, Zeter und Mordio geschrien hat, schwärmt heute von den sehr guten Erfahrungen.

Meine Damen und Herren, ich möchte das nur anfügen, um ein bisschen Sachlichkeit in die Debatte hineinzubringen. Wir wollen hier jetzt nicht nur herumschreien und Argumente, die nicht stimmen, in der Gegend herumwirbeln, sondern wir wollen sachlich über die ganze Angelegenheit diskutieren.