Für den professionellen Beobachter hält sich die Überraschung über die Fluten und Stürme... in Grenzen; dies entspricht genau den Szenarien, die von den Großrechnern der Klimaforscher ausgespuckt werden, wenn man vorher alle verfügbaren Daten eingibt und nach Voraussagen für das künftige Klima fragt.
So Dr. Hermann Ott, Direktor der Abteilung Klimapolitik des weltweit renommierten Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie, in einem Kommentar zur Hochwasserkatastrophe an der Elbe. Und er führt weiter aus:
Der Pegel Plittersdorf am Rhein ist nicht sehr weit von meinem Wohnort entfernt, und dort werden die Pegelstände seit 1880 erfasst. Neun der zehn größten Flutwellen sind dort in den letzten 19 Jahren aufgetreten. Das sollte uns zu denken geben.
Die Versicherungen haben diese Tatsache schon seit langem begriffen, meine Damen und Herren. Sie haben sich schon seit zehn Jahren auf kommende extreme Wetterereignisse eingestellt und beschäftigen ganze Abteilungen mit der Beobachtung und Analyse der Klimaentwicklung. Ich habe auch bemerkt, dass die SV-Versicherung die in Druck gegebenen Leitlinien zum Hochwasserschutz mit finanziert oder mit herausgegeben hat.
Hochwasserrisiken und die durch Hochwasser tatsächlich eingetretenen Schäden haben auch in unserem Land deutlich zugenommen. Unser Antrag vom September des vergangenen Jahres nimmt darauf Bezug und fordert daher die Beschleunigung im Vollzug der Hochwasserschutzprogramme und eine verlässliche finanzielle Begleitplanung für einen überschaubaren Zeitraum. Dies halten wir nach wie vor für dringend geboten, meine Damen und Herren.
Ich will gerne noch einmal auf die finanziellen Randbedingungen eingehen, soweit es die Ausgaben des Landes betrifft. Wenn wir zunächst einmal einen Planungszeitraum von zehn Jahren unterstellen, würde das bei den Gewässern I. Ordnung Investitionen in Höhe von etwa 57 Millionen € bedeuten. Wenn wir die Gewässer II. Ordnung mit 20 bis 25 Millionen € hinzunehmen, wären das pro Jahr rund 80 Millionen €. Wenn wir diesen Zeitraum auf 15 Jahre verlängern, Herr Minister, kommen wir immerhin noch auf 60 Millionen € pro Jahr. Wenn wir das mit dem vergleichen, was in den vergangenen Jahren ausgegeben wurde: Das waren bescheidene 14 Millionen € bei den Gewässern I. Ordnung, und wenn man die 20 Millionen € bei den Gewässern II. Ordnung hinzunimmt, sind wir lediglich bei 34 Millionen €.
Insofern ist es durchaus erfreulich, dass die Mittel für Gewässer I. Ordnung im Rahmen des Nachtragshaushalts auf 34 Millionen € verdoppelt wurden. Wir hatten allerdings von unserer Seite gefordert, noch einmal 8 Millionen € zuzulegen. Dann wären wir zuzüglich der Gelder für Gewässer II. Ordnung bei einem Volumen von 54 Millionen €. Dies halten wir eigentlich angesichts der Aufgaben, die bevorstehen, für geboten. Wir haben uns mit dieser Forderung nach 8 Millionen € zusätzlich leider nicht durchsetzen können.
Herr Minister, Sie haben damals gesagt: „Es fehlt uns die Verwaltungskraft, dieses Geld auszugeben.“ Deshalb, meinen wir, ist es notwendig, durch eine kombinierte Investitions- und Finanzplanung Verlässlichkeit und Sicherheit herzustellen, damit wir in diesem Bereich die notwendigen Maßnahmen voranbringen können.
Wir hatten uns in der Tat seit dem vergangenen September mehrfach mit dem Hochwasserschutz beschäftigt – einmal in der Debatte im Plenum zum gemeinsamen Antrag zum Integrierten Rheinprogramm, wo wir Einvernehmen feststellen konnten, sowie bei den Diskussionen zum Nachtragshaushalt. Mittlerweile liegen auch die Leitlinien zum Hochwasserschutz vor.
Dennoch: Das Thema ist aktuell, und wir wollen gerne bei unserem Antrag bleiben, Sie dabei auch bei den Dingen unterstützen, die Sie uns bereits zugesagt haben. Deshalb darf ich für unsere Fraktion beantragen, den Antrag an den Ausschuss für Umwelt und Verkehr zu überweisen.
Spät am Nachmittag behandelt. Er wird aber auch spät thematisch behandelt. Herr Kollege Kaufmann, ich glaube nicht, dass man daraus die Priorität, die dem Hochwasserschutz in diesem Haus gegeben wird, ablesen kann.
Wir haben in den letzten Plenarsitzungen und im Ausschuss für Umwelt und Verkehr des Öfteren auch über gemeinsam von allen Fraktionen getragene Anträge, Beschlussfassungen und deren Umsetzung beraten.
Sie haben den vorliegenden Antrag im September letzten Jahres gestellt – zu einer Zeit, zu der die Entscheidung, die Sie jetzt angesprochen haben, im Nachtragshaushalt noch
nicht getroffen war. Ich möchte einmal die Prognose wagen: Wenn Sie in diesen Antrag schon eine Ziffer hineingeschrieben hätten, wären Sie nicht bei einer Erhöhung um 25 Millionen € gelandet, sondern wären mit der Erhöhung um 17 Millionen €, die wir im Nachtragshaushalt erreicht haben, zufrieden gewesen. Ich hätte mir bei der Einmütigkeit, die in diesem Hause zum Hochwasserschutz besteht, auch vorstellen können, dass Sie über Ihren Schatten springen und bei den Nachtragshaushaltsberatungen sagen: „Verdoppelung von Mitteln für Gewässer I. Ordnung in dieser Zeit, alle Achtung! Das tragen wir so mit.“
Einmütigkeit in der Sache – das habe ich angesprochen. Deshalb ist auch das, was Sie im ersten Satz Ihres Beschlussteils fordern, schon Bestandteil der Beschlussfassung des Landtags von Baden-Württemberg: die vorgesehenen Rückhaltemaßnahmen im Rahmen des Integrierten Rheinprogramms beschleunigt voranzutreiben. Das ist bereits Beschluss vom 18. April 2002.
Sie beantragen jetzt eine Finanzierungsplanung. Der Minister für Umwelt und Verkehr Müller hat am 22. Januar 2003 hier im Landtag vorgetragen, was er, wenn er die Erhöhung auf 34 Millionen € erhält, mit diesem Geld anfangen kann: Polder Söllingen/Greffern ist im Bau und wird voraussichtlich bis Anfang 2005 fertig gestellt sein. Die Rheinschanzinsel kann mit diesen 34 Millionen €, die inzwischen in den Haushalt eingestellt sind, so schnell wie möglich realisiert werden. Weitere Planfeststellungsverfahren laufen. Also kann man doch in der Einmütigkeit, die in diesem Hause besteht, mit Fug und Recht sagen: Das, was wir grundlegend beschlossen haben, wird auch umgesetzt.
Wenn Sie darüber hinaus die Kombination von Mitteln für Investitionen und Personalstellen ansprechen: Auch das ist Gegenstand der Umsetzung. Darauf hat Minister Müller bereits in der Plenarsitzung am 22. Januar 2003 hingewiesen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der SPD stammt vom September 2002 und ist wohl vor allem unter dem Eindruck des Sommerhochwassers gestellt worden. Dieses Jahr haben wir eigentlich gerade das entgegengesetzte Problem. Es ist eher zu trocken.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das haben wir auch schon gemerkt! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Caroli SPD: Die Rede auch!)
Allerdings wissen wir auch alle, dass durch die Erwärmung des Erdklimas und die damit verbundenen extremeren Niederschläge mit einer steigenden Häufigkeit von Hochwassern zu rechnen ist. Hochwasserschutz ist deshalb ein An
liegen aller im Landtag vertretenen Fraktionen; das haben wir ja schon bei verschiedenen Diskussionen und Debatten festgestellt. Auch die Koalition misst dem Hochwasserschutz im Land große Bedeutung zu. Sie hat deshalb im letzten Nachtragshaushalt 14 Millionen € zusätzlich für den Hochwasserschutz eingestellt, obwohl es sonst überall Einsparungen gab.
Herr Kaufmann, ein Vorgehen nach dem Motto „darf es ein bisschen mehr sein?“ hätten wir natürlich überall gerne. Aber solange die Politik in Berlin dazu führt,
(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Birzele SPD: Tata, tata, tata! – Abg. Walter GRÜNE: Den Satz sagt sie jedes Mal!)
dass überall die Steuereinnahmen sinken, ist dies leider nicht möglich. Jedes Mal, wenn Sie erneut solche Forderungen stellen, werden Sie von mir auch wieder diese Antwort kriegen.
Die in der Stellungnahme zu dem Antrag aufgezählten vielfältigen Hochwasserschutzprogramme zeigen: Unsere Regierung in Baden-Württemberg macht keine Politik für den Augenblick, sondern Politik mit Weitsicht.
Das Integrierte Rheinprogramm würden wir schon gern beschleunigen. Wir haben dazu ja auch Anhörungen im Umweltausschuss durchgeführt. Dabei ist aber auch deutlich geworden, dass neben dem Hochwasserschutz auch berechtigte Interessen vieler Bürger und Verbände zu berücksichtigen sind, die in die andere Richtung gehen. Verfahrensbeschleunigung hieße deshalb in vielen Fällen weniger Bürgerbeteiligung und Demokratie. Sie müssen sich überlegen, ob Sie das wollen.
Hochwasserschutz, meine Damen und Herren, ist nicht nur Ländersache. Es war deshalb richtig, dass der Bund im September 2002, also ebenfalls unter dem Eindruck des Hochwassers vor allem in Ostdeutschland, ein Programm zur Verbesserung des Hochwasserschutzes angekündigt hat. Bedauerlich ist nur, dass bisher überhaupt nichts geschehen ist. Unsere Bundestagsfraktion hat deshalb am 1. Juli dieses Jahres einen Antrag im Bundestag eingebracht,
und zwar mit dem Thema „Hochwasserschutz – Solidarität erhalten, Eigenverantwortung stärken“. Um diese Eigenverantwortung geht es durchaus, und zwar um die Eigenverantwortung auf allen Ebenen. Es geht um Wasserrückhalt in den Niederschlagsgebieten, es geht um die Gewährleistung des Wasserabflusses unterhalb der Niederschlagsgebiete, und es geht um schadensminimierende Landnutzung in Überschwemmungs- und Risikogebieten, also zum Beispiel
um das Freihalten von hochwassergefährdeten Flächen und um aktive Maßnahmen wie die verstärkte Schaffung von Retentionsflächen, auch weit weg von den Flüssen.