Protokoll der Sitzung vom 17.07.2003

(Unruhe bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Nein! Wir nicht!)

Soll ich es Ihnen bringen?

(Abg. Drexler SPD: Machen wir eine Wette? – Abg. Göschel SPD: Das ist objektiv falsch! – Wei- tere Zurufe)

Bei den Grünen ist es heute noch so. Bei Ihnen war das in dieser Legislaturperiode bekanntermaßen nicht mehr der Fall. Aber in der zweiten Hälfte der letzten Legislaturperiode waren Sie noch bei denen, die Kürzungsvorschläge gemacht haben.

(Abg. Hauk CDU zur SPD: Das waren immer nur die Ortsumgehungen, bei denen ihr erhöhen woll- tet! – Abg. Drexler SPD: Machen wir eine Wette!)

Gut.

(Zuruf des Abg. Göschel SPD)

Nein, nein.

(Abg. Drexler SPD: Wer verliert, läuft die Strecke, die nicht gebaut worden ist, allein ab! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Jawohl. Einverstanden! Nehmen Sie einen Saldo der Anträge aus der letzten Legislaturperiode, in denen Sie Kürzungen und Erhöhungen vorgeschlagen haben, und vergleichen Sie das mit dem, was wir gemacht haben! Da liegen wir klar vorn. – Und Sie laufen, Herr Kollege Drexler.

Aber jetzt zurück zum Hochwasserschutz: Es gab eine Verdoppelung der Mittel. Wir haben derzeit jedes Jahr immerhin 80 Millionen € für den Hochwasserschutz zur Verfügung. Das sind die 34 Millionen € für die Gewässer

(Minister Müller)

I. Ordnung und ungefähr 26 Millionen € für die Gewässer II. Ordnung – das gibt zusammen 60 Millionen € –, und dann können Sie ein Drittel hinzurechnen, weil wir ja nicht nur aus der Landeskasse, sondern auch aus der Bundeskasse – beim Integrierten Rheinprogramm – und aus den kommunalen Kassen Geld dazubekommen. Mittlerweile haben wir 80 Millionen € für den Hochwasserschutz zur Verfügung, und das ist eine Menge Geld. Ich kann nur hoffen, dass diese Beträge auch in der Zukunft zur Verfügung stehen.

Damit es jetzt mal konkret wird, will ich Ihnen sagen, was wir allein mit den Zusatzmitteln – das heißt mit den Geldern aus dem Nachtragshaushalt 2003 – in Baden-Württemberg machen, allein mit den 17 Millionen €, die wir in diesem Jahr zusätzlich haben und die wir, nehme ich mal an, auch im nächsten Jahr und in den Folgejahren haben. Ich zähle Ihnen die Projekte nachfolgend einmal auf, denn Hochwasserschutzmaßnahmen sind Projekte, die in der Regel im Verschwiegenen stattfinden – man sieht sie nicht, sie geschehen an Ortsrändern, sie geschehen im Tiefbau, anschließend wird das Ganze in das Gelände eingepasst, und man merkt eigentlich gar nicht mehr, dass da viel Geld verbaut worden ist –:

Sanierung Nagoldtalsperre, zweiter Bauabschnitt, Damm und Mauer M 19 in Calmbach, Ausbau Hardtbachpolder, Sanierung Hochwasserrückhaltebecken Heiligkreuz, Dammverstärkung Rheinhochwasserdamm XXX, Fertigstellung im Herbst, Erhöhung des Rheinhochwasserdamms XXXIV, Baubeginn im Herbst, Kriegbachpolder, Verlegung Gießgraben. So viel zum nördlichen Oberrhein.

Am Neckar die Maßnahmen in Wertheim und die Maßnahmen in Freudenberg. Die werden in diesem Jahr noch nicht kassenwirksam, aber sie sind im Blick auf die Zusatzmittel in diesem Jahr positiv entschieden worden. Da geht es jeweils um beträchtliche Summen.

Im Bereich Donau/Bodensee die zwei Schlüsselmaßnahmen im Rahmen des Integrierten Donauprogramms, nämlich auf der einen Seite Wolterdingen und auf der anderen Seite das Industriegebiet Donautal in Ulm – beide Maßnahmen werden in diesem Jahr begonnen –, Hochwasserschutz im Raum Ravensburg, in Öpfingen, in Erbach, die Illersanierung, Grundsatzplanung, die Illersanierung Aufweitung zwischen Kilometer 17 und Kilometer 9, Hochwasserschutz in Tübingen in Planung und ebenso in Tuttlingen.

Am südlichen Oberrhein bzw. Hochrhein die IRP-Planung für den Polder Bellenkopf und Rappenwörth, die Sanierung der Regelungsbauwerke Erlach und Riegel, Pumpbauwerk Kaiserwald, Hochwasserrückhaltebecken in Holchen, in Hürben, in Mührig, Sanierung der Flussdeiche Acher/ Rench, Elz/Dreisam und Sanierungen am Rhein.

Was machen wir? Überall handeln wir, überall geht es voran, und überall verbessert sich der Hochwasserschutz.

Ich kann Ihnen auch sagen, dass wir uns größere Maßnahmen vornehmen, beispielsweise den Polder Rheinschanzinsel, mit dem wir wahrscheinlich im ersten Quartal 2004 beginnen können.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Welcher Polder?)

Rheinschanzinsel. – Wenn der Polder Söllingen/Greffern am Ende des Jahres 2004 fertig gestellt wird, haben wir am Rhein immerhin schon einen Schutz vor einem 120-jährlichen Hochwasser; das ist bereits über dem Landesdurchschnitt.

Man kann also sagen: Mit dem Geld geschieht etwas Sinnvolles. Ich wollte die Liste ganz bewusst einmal herunterbeten, um zu verdeutlichen, dass die Summen nicht etwa irgendwohin fließen und kein Mensch etwas davon merkt. Es handelt sich um eine reale Verbesserung.

Ich bin dankbar für den Konsens in diesen Fragen in diesem Hause. Falls es bei den nächsten Haushaltsberatungen einen Kampf um die Mittel hierfür gibt, helfen Sie mir bitte! Das wird nicht ganz einfach sein. Aber ich bin der Auffassung, dass wir uns mit dem Hochwasserschutz im Land BadenWürttemberg mittlerweile blicken lassen können. Wir brauchen hier im Interesse der Bürger und im Interesse der sich in der Tat verschärfenden Probleme, die wir lösen müssen, Solidarität und ein Zusammenstehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Kaufmann.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ach nein! Herr Pro- fessor!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann mir eine Replik auf die Kollegin Berroth nicht verkneifen, weil die gebetsmühlenhaften Wiederholungen mit Schuldzuweisungen an den Bund nicht mehr zu akzeptieren sind.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Der Bund ist allen seinen Verpflichtungen dort, wo er für Gewässer I. Ordnung mit zuständig ist und wo er an der Finanzierung beteiligt ist, nachgekommen. An den Mitteln des Bundes hat es nicht gelegen, dass wir mit den Hochwasserschutzmaßnahmen im Verzug sind. Das muss man an dieser Stelle deutlich sagen. Er ist allen seinen Verpflichtungen nachgekommen.

(Beifall bei der SPD – Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Kaufmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Berroth?

Bitte schön, Frau Berroth.

Herr Kollege Kaufmann, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich nicht von den Verpflichtungen des Bundes gesprochen habe, sondern von den Steuermitteln, die dem Land zur Verfügung stehen und die geringer sind, weil die Bundespolitik die Berechnungsgröße hierfür verringert?

(Oh-Rufe von der SPD)

Frau Berroth, wir sprechen seit 1988 über Hochwasserschutz. Das Integrierte Rheinprogramm ist schon 20 Jahre in der Diskussion. Der Hochwasserschutz hat nicht erst in den letzten Jahren begonnen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Sie wollten mehr Geld für dieses Jahr!)

Und da frage ich Sie, wer für die Finanzgestaltung in diesem Lande zuständig war.

(Beifall bei der SPD)

Ihren Vorwurf kann ich gerne zurückgeben.

Ich erinnere Sie auch an das Fünf-Punkte-Programm der Bundesregierung zum Hochwasserschutz vom vergangenen Jahr unter dem Motto „Vorbeugen statt Nachsorgen“. Es enthält Elemente, die meines Erachtens auch für BadenWürttemberg beispielhaft sein können.

Herr Schebesta, dass wir die Mittel im Nachtragshaushalt erhöht haben, war dringend erforderlich. Ich sage Ihnen noch einmal: Wenn Sie die 570 Millionen € mit jeweils nur 17 Millionen € im Jahr zu finanzieren hätten, brauchten Sie über 30 Jahre, um alles abzuarbeiten. Insofern war es dringend notwendig, diese Mittel zu erhöhen. Wir hätten gern noch etwas zugelegt, um den Planungszeitraum und den Investitionszeitraum damit zu verkürzen.

(Abg. Schebesta CDU: Bei einer Verdoppelung!)

Meine Damen und Herren, welche Fragen bleiben offen? Meines Erachtens bleiben drei wichtige Fragen offen, auf die die Antworten ausstehen.

Erstens: Wie gehen wir mit der Veränderung des Klimas um? Wie reagieren wir darauf? Hochwasserschutz ist eine vernetzte Angelegenheit und beschränkt sich nicht auf bautechnische Maßnahmen. Da ist die Landesregierung ebenfalls gefordert. Ich nenne die Themen „Energieverbrauch“ und „Einsatz regenerativer Energien“. Das sind Fragen, die hier dazugehören und die von uns beantwortet und mehr beachtet werden sollten.

(Abg. Hauk CDU: Wärmedämmung, Altbausanie- rung!)

Zweitens: Wie gehen wir mit der zunehmenden Versiegelung der Flächen um? Ich denke daran, wie stark Sie sich im Kampf gegen Windkraftanlagen mit einer Änderung des Landesplanungsgesetzes eingesetzt haben, und meine, der Hochwasserschutz hat dieselbe Priorität. Dort könnten die Möglichkeiten und die Instrumente, die Ihnen zur Verfü

gung stehen, entsprechend genutzt werden, und das sollten Sie auch tun, meine Damen und Herren.

Drittens: Es gibt Naturereignisse, die nicht abwendbar sind; das ist klar. Wir können den Menschen keine absolute Sicherheit garantieren. Wie gehen wir also mit den Ereignissen um, die nicht beherrschbar sind? Da haben Sie die entsprechenden Katastrophenpläne und -szenarien vorgelegt. In Rastatt haben wir dazu eine Pilotstudie. Ich meine, es darf aber nicht acht Jahre dauern, wie Sie angekündigt haben, bis wir all die Möglichkeiten, die wir dort haben, in die notwendigen Maßnahmen umgesetzt haben. Auch hier ist eine Beschleunigung erforderlich.