Protokoll der Sitzung vom 17.07.2003

(Abg. Zimmermann CDU: Wir lehnen die Bundes- regierung ab!)

Herr Zimmermann, Sie lehnen alles ab. Das ist mir klar. Sie können nach Kirchheim zurückgehen; das langt auch.

Sie haben also abgelehnt. Dann soll man doch nicht so tun, als wäre das eine ganz einfache Geschichte. Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben im Übrigen sehr unterschiedliche Meinungen. Die eine Seite sagt: Wenn man den Bürgern jetzt wieder zu viel an Subventionen aus der Tasche holt – also aus der rechten Tasche herausholt und in die linke Tasche die Steuerermäßigung steckt –, dann haben wir keine erhöhte Binnennachfrage. Das ist durchaus eine logische Begründung.

Schließlich haben Sie selber – Herr Stoiber, Herr Teufel, alle – im Bundestagswahlkampf gesagt: „Zieht die Reform der Steuern vor, gebt den Menschen mehr von ihrem Einkommen, um die Nachfrage zu stützen.“ Auf unsere Frage, wie Sie das finanzieren wollen, haben Sie damals gesagt: „Das finanziert sich im Großen und Ganzen durch das Wachstum selbst!“ Das war Ihre Aussage im Wahlkampf, unisono.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Walter GRÜNE – Abg. Birzele SPD: Sehr richtig! Und zwar 100 %!)

Herr Westerwelle hat im Wahlkampf gesagt: „Jetzt macht doch die Steuerreform! Schaut nach Amerika. Die machen dort ständig Steuerreduzierungen, und das schafft dann das Wachstum und finanziert sich von selbst.“ Jetzt ist das der Vorschlag der Bundesregierung. Und prompt sagt die CDU Nein, und die FDP/DVP sagt auch Nein.

Ich sage Ihnen: Wenn das so weitergeht, kriegen wir das nicht hin. Das wird sehr teuer werden. Und wenn wir kein Wachstum mehr haben, Herr Scheffold, dann wird es im nächsten Jahr noch schlimmer und schwieriger, Wachstum zu erzeugen. Deshalb appelliere ich einfach an die Union – –

(Abg. Pfister FDP/DVP: Und was machen die Län- der, Herr Drexler?)

Darüber muss man reden, Herr Kollege. Im Übrigen haben wir vor einem halben Jahr im Bundesrat einen Vor

schlag zum Subventionsabbau gemacht, mit vielen Beispielen. Unter anderem war vorgesehen, den Mehrwertsteuerhalbsatz auf Blumen wieder von 7 % auf 14 % zu erhöhen; die Länder hätten partizipiert: mittelfristig 1,6 Milliarden €. Aber das ist alles abgelehnt worden,

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Sehr richtig!)

außer der Körperschaftsteuer. Jetzt verlangen Sie wieder Vorschläge.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist ja auch eine Belas- tung für die Bürger! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Milchmännerrechnung!)

Man muss doch einmal ehrlich sein. Entweder Sie wollen Subventionsabbau, und zwar so massiv, dass der größte Teil dieser Steuerreform damit finanziert wird. Dann bezahlen es natürlich die Bürger; das ist doch klar. Auf der anderen Seite entlasten Sie die Bürger durch Steuersenkungen. Damit bekommen Sie keine erhöhte Binnennachfrage.

Bei der Union gehen die Meinungen völlig durcheinander – aber völlig! Vor einigen Tagen hat sich Frau Merkel für die Steuerreform ausgesprochen, Herr Stoiber auch. Herr Merz war massiv dagegen und Herr Koch auch.

(Abg. Wieser CDU: Wenn ich Ihre Regierung hät- te, würde ich alles zumachen!)

Dann hat man alles zusammengefasst und gesagt, man warte jetzt auf die Vorschläge der Bundesregierung. Jetzt sind die Vorschläge der Bundesregierung gekommen, und Frau Merkel sagt wieder Nein. Herr Koch sagt: „So überhaupt nicht!“ In der Zwischenzeit wurde Herr Merz abgesetzt, wie ich der Zeitung entnommen habe,

(Abg. Capezzuto SPD: Jesses! So ein Durcheinan- der!)

und Ole von Beust als Finanzkoordinator eingesetzt, weil Frau Merkel Herrn Merz nicht mehr an ihrer Seite haben will.

Ich sage Ihnen: Suchen Sie sich zuerst einmal eine Linie. Ich weiß, dass das schwer ist. Ich weiß auch, dass der Herr Finanzminister den Ausfall von 640 Millionen € auch nicht decken kann. Aber dann machen wir doch gemeinsam Vorschläge!

Bei der Eigenheimzulage gebe ich im Übrigen zu, dass wir auf Ihrer Seite stehen. Da haben wir einen Dissens mit den Grünen. Wir sind ebenfalls der Auffassung, dass man das in einem Bereich, in dem wir in Baden-Württemberg so viel Zuwachs und Zuwanderung haben, nicht machen kann. Aber, Herr Scheffold, dann kann man nicht sagen: Sie muss bestehen bleiben. Dann muss man etwas anderes machen. Dann nehmen wir die 10 Milliarden € für die Eigenheimzulage, schlagen die rund 3 Milliarden € für den Osten noch dazu, denn für 3 Milliarden € sollen dort in den nächsten zehn Jahren fast eine Million Wohnungen abgerissen werden – mit Staatsgeld, das muss man sich einmal vorstellen –, weil es dort zu viele gibt. Dann haben wir 13 Milliarden €. Da kann man einiges sparen, und dann kann man das Geld vernünftigerweise denen geben, die noch Wohnungen brau

chen. Der Rest kann für den Abriss verwendet werden. Dagegen habe ich ja nichts. Aber die Eigenheimzulage so zu erhalten, wie sie jetzt aussieht, werden wir finanziell nicht durchstehen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Bitte lautet also, liebe Kolleginnen und Kollegen: Deutschland braucht Reformen; Deutschland braucht die Steuerreform. Mit der Agenda 2010 haben wir etwas versucht. Ich hoffe, dass Sie da mitmachen. Bei der Gesundheitsreform versuchen wir es gerade. Auch da hoffe ich, dass Sie mitmachen. Wenn wir die Steuerreform hinbekommen und nicht an allem herummäkeln, sondern wenn es relativ schnell gelingt, dass sie zum 1. Januar 2004 wirksam wird, hoffe ich, dass wir wieder Wachstum haben und aus dem Tal herauskommen. Das täte uns allen gut: der CDU, der SPD, der FDP/DVP und auch den Grünen. Jetzt besinnen wir uns doch einmal gemeinsam auf unsere Verantwortung für Deutschland und machen das!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Theurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem Punkt hat der Kollege Drexler Recht: Deutschland braucht Reformen, Deutschland braucht eine neue Bundesregierung. Deshalb fordere ich Neuwahlen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Wider- spruch bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Jesses Gott! Um Gottes willen! Kleingeist! Geh doch zum Frisör! – Gegenruf des Abg. Fleischer CDU: Nur, wenn der den Meisterbrief hat!)

Die Koalition hat angesichts leerer Kassen und völlig zerrütteter Haushalte Reformpläne präsentiert, deren Umsetzung neue Riesenlöcher in den Etat reißen wird,

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

sagte Frau Kerstin Müller im Jahr 1997 im Deutschlandfunk, meine Damen und Herren.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Hoppla!)

Sie führte für die grüne Bundestagsfraktion am 10. Juni 1997 aus:

Angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte ist eine Senkung des Steueraufkommens nicht zu vertreten.

(Abg. Birzele SPD: Warum zitieren Sie nicht die Reden von 1993?)

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist finanzpolitisch unsolide, die damit verbundenen Steuerausfälle sind für die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden nicht verkraftbar.

So hieß es damals in einem Antrag der grünen Bundestagsfraktion. Hätten wir 1997 die Steuerreform gemacht, die gegenfinanziert war,

(Abg. Drexler SPD: Die war nicht gegenfinanziert! Erzählen Sie doch keine Märchen! – Zuruf des Abg. Birzele SPD)

dann hätten wir heute eine wettbewerbsfähigere Wirtschaft. Dann hätten wir heute weniger Arbeitslosigkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir hätten heute mehr Geld in der Kasse.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Rot-Grün hat damals im Bundesrat eine überzeugende Steuerreform der Petersberger Beschlüsse blockiert und erwartet jetzt, dass die Länder auf eigene Interessen verzichten.

(Abg. Birzele SPD: In acht Jahren die Schulden verdreifacht! – Zurufe der Abg. Drexler und Ca- pezzuto SPD)

Wie unglaubwürdig das ist, das kann sich doch jeder an einer Hand abzählen. Herr Schröder war selber der Wortführer der Blockadehaltung damals im Bundesrat und erwartet jetzt ein anderes Verhalten. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen! Ich verleihe Herrn Schröder den Pharisäerpreis, meine Damen und Herren. Den hat er verdient.

(Abg. Drexler SPD: Sie reden so wenig im Land- tag! Deshalb versuchen Sie, jeden Auftritt zu zele- brieren! – Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Wir haben Vorschläge. Wir wollen die Steuerreform auch heute noch.

(Lachen bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Das ist völlig unglaubwürdig!)

Nein, das ist gar nicht unglaubwürdig.

(Abg. Capezzuto SPD: Blockierer!)