Protokoll der Sitzung vom 17.07.2003

Nur wenn wir den Weg beschreiten, die Steuerreform vorzuziehen und gleichzeitig schädliche oder überflüssige Subventionen zu streichen, tun wir etwas für dieses Land. Dann schaufeln wir mittelfristig die Investitionen für Bildung, Forschung, ökologische Modernisierung und eine moderne Kinderpolitik frei, die wir brauchen, um ein positives Signal für die Bevölkerung und die Wirtschaft zu setzen, sich an allen Reformen zu beteiligen, damit es mit diesem Land wieder aufwärts geht.

Nützen Sie jetzt diese Chance. Sie haben im Bundesrat eine große Verantwortung. Wir haben Ihnen die Hand gereicht und erwarten von Ihnen jetzt: Schluss mit dem Neinsagen, Schluss mit der Wartesaalpolitik, Ihre Vorschläge bitte auf den Tisch!

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Scheffold.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute eine Aktuelle Debatte über die Steuerpolitik der Bundesregierung und die Auswirkungen auf die Landespolitik führen, muss man zunächst einmal sagen, Herr Kollege Kretschmann – darauf muss man dieses Thema zuschneiden –, dass es nicht genügt, den Blickwinkel allein auf die Steuer- und Finanzpolitik zu richten, sondern dass es in der Tat in Deutschland in erster Linie entscheidend wäre, den Blickwinkel auf die Wirtschaftspolitik insgesamt, auf die Arbeitsmarktpolitik und auf unsere Lohnnebenkosten zu lenken.

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Wenn Sie einmal bedenken, dass vor zwei, drei Tagen Alan Greenspan damit gerechnet hat, für die USA gebe es in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum in der Größenordnung von 2,5 bis 2,75 % und im nächsten Jahr von 3,75 bis 4,75 %, dann erkennen Sie, welche Welten uns von anderen Wirtschaftsnationen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, trennen. Deswegen wäre es zwingend notwendig, dass die Bundesregierung in diesen zentralen Themenfeldern endlich Handlungsfähigkeit zeigt.

(Zuruf des Abg. Birzele SPD)

Ich finde es ganz vernünftig, dass der Ministerpräsident, auch in einem Interview – Sie haben ihn ja vorhin auch zitiert –, gesagt hat, wir müssten zu längeren Arbeitszeiten kommen. Es ist eine durch vielfältige Untersuchungen belegte Tatsache, dass dies nicht Arbeitsplätze vernichtet, sondern Arbeitsplätze schafft. Deswegen wäre es zwingend notwendig, dass in diese Richtung gehandelt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die jetzt vorgeschlagene Vorziehung der dritten Stufe der Steuerreform führt für das Land Baden-Württemberg zu einem Ausfall in der Größenordnung von 650 Millionen € in einer Zeit, in der wir ohnehin, finanzpolitisch gesehen, einen begrenzten Handlungsspielraum haben. Trotzdem sage ich für die

CDU-Landtagsfraktion: Wir sind der Auffassung, dass die Steuern herabgesetzt werden sollen und die Steuerreform vorgezogen werden soll. Aber dann, bitte schön, Herr Kretschmann, muss das seriös passieren.

(Abg. Drexler SPD: Wie denn? – Abg. Schmiedel SPD: Machen Sie einmal Vorschläge! – Abg. Wal- ter GRÜNE: Beispiele!)

Dann muss das passieren, indem man eine solide Gegenfinanzierung macht,

(Abg. Drexler SPD: Wie denn?)

indem man möglichst wenig neue Schulden macht und vor allem einen Ausgleich für die Länder und die Kommunen zur Verfügung stellt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Alles richtig! Aber jetzt bitte kon- kret! – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Vorschläge! – Abg. Drexler SPD: Machen Sie doch einmal ei- nen Vorschlag!)

Herr Kollege Drexler, ich brauche Ihnen ja nur vorzulesen, was heute in der Zeitung steht oder aus dem Internet herausgezogen werden kann.

(Abg. Capezzuto SPD: Ihre Vorschläge! – Weitere Zurufe von der SPD)

Oder, Herr Kretschmann:

Die Grünen-Haushaltsexpertin im Bundestag, Antje Hermenau, hält das von Finanzminister Hans Eichel vorgelegte Finanzierungskonzept zum Vorziehen der Steuerreform für „nicht ausreichend“.

Bundesbankchef kritisiert Schröders Kurs.

Simonis fordert neue Vorschläge von Eichel

weil sein Konzept unzureichend für ihre Landespolitik, für ihre finanziellen Spielräume in Schleswig-Holstein sei.

(Zurufe von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist doch die Reaktion aus Ihrem eigenen Lager.

(Abg. Drexler SPD: Dann sagen Sie doch, was Sie wollen!)

Wir haben doch die Situation, dass Sie sich an die Stelle wenden sollten, die auch die Vorschläge machen muss und machen kann. Das ist zunächst einmal die Bundesregierung.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Ihre Meinung! – Abg. Birzele SPD: Gilt dieses Prinzip auch im Landtag?)

Die Regierung in Berlin soll jetzt ein vernünftiges Steuerkonzept vorlegen. – Selbstverständlich gilt dieses Prinzip auch im Landtag, Herr Kollege Birzele. Wir werden uns im Zuge der Haushaltsberatungen für das Jahr 2004 sehr genau überlegen, an welcher Stelle wir Einsparungen vornehmen und inwieweit wir uns neu verschulden müssen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Scheffold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Palmer?

Bitte schön, Herr Palmer.

Herr Kollege Scheffold, sind Sie schon auf den Gedanken gekommen, dass sich der Bundesfinanzminister schwer tut mit Vorschlägen zum Abbau von Steuersubventionen, weil er sofort damit rechnen muss, dass Sie alles im Bundesrat ablehnen?

(Abg. Seimetz CDU: Der arme Mensch! – Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Herr Kollege Palmer, die größte Subvention im Bundeshaushalt betrifft die Steinkohle. Ich habe aus diesem Parlament noch nie jemanden gehört, der gesagt hat, die Subvention der Steinkohle dürfe nicht zurückgefahren werden.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das ist nicht die größte Subvention, bei weitem nicht, Herr Kolle- ge!)

Herr Kollege, ich kann es Ihnen vorlesen. Ich habe die Angaben dabei: Die Subvention der Steinkohle beträgt 2,92 Milliarden €.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: 10 Milliarden € für Eigenheime! Ist das keine Subvention?)

Entschuldigung. Dann sollten Sie eine Diskussion darüber führen, welchen Subventionsbegriff Sie anwenden. Wenn Sie aber den Bundes- und Landessubventionsbegriff nehmen, dann dürfen Sie das nicht dazurechnen.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Und die Landwirt- schaft? – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Definieren Sie Subvention! – Abg. Kretschmann GRÜNE: Nur Subventionen ablehnen, die einen nicht persönlich betreffen, ist auch nicht besonders intelligent!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich schließe mich im Übrigen der Auffassung des Ministerpräsidenten an: Die Abschaffung der Eigenheimzulage ist in diesem Land, in Baden-Württemberg, in der Situation, in der wir uns befinden, und bei den Auswirkungen, die sie auf die Wirtschaft hat, vollkommen unerträglich.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP)

Ich habe mir einmal die Zahlen herausgesucht, als das Vorziehen der Steuerreform in die Diskussion gekommen ist. Die Steuerersparnis durch die Steuerreform beträgt bei einem Bruttoverdienst von 50 000 € im Jahr 900 € und bei 75 000 € Bruttoverdienst ca. 1 600 €. Wenn Sie verheiratet sind und zwei Kinder haben, bekommen Sie beim Neubau eines Hauses über 4 000 € Eigenheimzulage im Jahr. Ich möchte einmal wissen, Herr Kollege Kretschmann, wo das wirtschaftliche Wachstum herkommen soll, wenn Sie den Leuten auf der einen Seite ein bisschen geben und auf der anderen Seite das Doppelte und Dreifache nehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Boris Palmer GRÜ- NE: Das sind Mitnahmeeffekte! – Zuruf des Abg. Zimmermann CDU – Abg. Kübler CDU: Sehr gut! Guter Mann!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drexler.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Scheffold, Sie haben keinen einzigen Vorschlag gemacht. Sie haben nur herumgeeiert.

(Abg. Hauk CDU: Entschuldigung! Wir reden doch über die Auswirkungen!)

Sie hätten den Vorschlag der Bundesregierung jetzt ablehnen können – was Sie gemacht haben. Dann muss man aber auch sagen, wie man es machen will.

(Abg. Zimmermann CDU: Wir lehnen die Bundes- regierung ab!)