Protokoll der Sitzung vom 02.10.2003

Das ist wahr. Aber dann darf man auch nicht fordern, das Abitur zur Voraussetzung für die Erzieherinnenausbildung zu machen.

(Abg. Schmiedel SPD: Aber schaden tut es auch nicht! – Gegenruf des Abg. Herrmann CDU: Man- chen schon! – Unruhe)

Das ist hier geschehen.

Natürlich können Sie sich dafür entscheiden, das Ganze in den tertiären Bereich zu legen. Das ist der Hinweis, der hier gekommen ist. Wenn Sie es in den tertiären Bereich legen, dann müssen Sie das Abitur verlangen. Ich sage Ihnen: Den europäischen Vergleich, der hier immer angestellt wird, können Sie für viele andere Berufsgruppen auch vornehmen. In Finnland machen 60 % eines Jahrgangs Abitur.

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Ja, Moment. – Davon bekommt aber nur die Hälfte einen Studienplatz. Die anderen, die nicht ins Studium gehen, gehen in irgendeiner Weise in eine berufliche Bildung, die bekanntlich nicht so organisiert und auch nicht auf demselben Niveau ist wie in Deutschland.

(Abg. Röhm CDU: Völlig richtig! – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Aber Bildung schadet doch nicht! – Zuruf des Abg. Zeller SPD – Weitere Zu- rufe von der SPD)

Bildung schadet nicht. Das ist wahr. Bildung beginnt aber nicht mit dem Abitur und ist nicht auf Universitäten und Pädagogische Hochschulen konzentriert. Darum geht es.

(Beifall bei der CDU – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Die, die Abitur haben, sagen das!)

Deshalb gehen wir einen Weg, den alle 16 Bundesländer gehen. Wir haben die Erzieherinnenausbildung reformiert. Wir haben das Vorpraktikum durch das Berufskolleg ersetzt. Wir erfüllen mit der Anlage des Berufskollegs und der neuen Struktur der Ausbildung natürlich die Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz.

In den Ländern gibt es für die Ausbildungsdauer unterschiedliche Regelungen von vier oder fünf Jahren. Es gibt vierjährige Ausbildungen. Ich nehme das auf meine Kappe: Ich persönlich habe die fünfjährige Ausbildung abgelehnt, weil ich davon überzeugt bin, dass es in Zeiten, in denen wir über die Konzentration von Ausbildungszeiten reden und darüber, dass Fort- und Weiterbildung sowieso immer wichtiger werden, nicht richtig ist, die Ausbildung für Berufe wie Erzieherinnen – das gilt für viele andere Berufe auch – zwangsläufig auf fünf Jahre auszuweiten. Das halte ich schlicht für falsch.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben – das halte ich für einen ganz wichtigen Schritt auch im Hinblick auf die Berufsbiografien der Erzieherinnen – die Möglichkeit zum Erwerb der Fachhochschulreife eingebaut. Das ist eine wichtige Perspektive. Ich höre bereits jetzt aus den ersten Belegungen des Berufskollegs, dass es ein hohes Interesse daran gibt, die Fachhochschulreife zu erwerben. Und wenn das alle tun, ist es wunderbar. Aber auch hier frage ich: Warum müssen wir über das Angebot, über die Möglichkeit hinausgehend sagen: „Es soll nur Erzieherin werden, wer auf jeden Fall im ersten Anlauf die Fachhochschulreife erworben hat“?

Wir haben drittens Ausbildungsinhalte deutlich verändert – genau auf das hin, was Sie beschrieben haben. Die Kindertagesstätte ist ganz wesentlich ein Ort von Bildung. Wir haben zum Beispiel – um nur ein einziges Beispiel zu nehmen

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

die ganze Frage von Sprache und Sprachförderung deutlich akzentuiert, die Fremdsprache auch für die Erzieherinnen in die Ausbildung aufgenommen.

Wir haben übrigens die Ausbildungsordnung nicht im Kultusministerium gemacht, sondern sie ist in allen Detailfragen in einer Arbeitsgruppe mit den Trägerverbänden, mit den kommunalen Landesverbänden, mit Vertretern der Fachschulen entstanden. Ich selbst habe zwei Sitzungen dieser Arbeitsgruppe geleitet, um am Ende bei bestimmten Fragen unmittelbar ins Gespräch zu kommen. Das, was zustande gekommen ist, ist wesentlich von den Trägern, von den Kirchen, von den kommunalen Landesverbänden so mit uns entschieden worden. Ich glaube, dass im Bereich der beruflichen Bildung keine Konzepte gemacht werden dürfen ohne die Partner und vor allem ohne die, die Kindergärten verantworten, die sie konzipieren und die sie auch finanzieren.

Einmal abgesehen davon, dass ich mich ein bisschen wundere über die Mienen der Ahnungslosigkeit mancher hier, die sagen: „Man muss da jetzt einmal akademisieren, man muss ganz anders bezahlen“ – –

(Abg. Zeller SPD: Hören Sie doch einmal die Fachleute an!)

Ja, ich komme gleich zu Spitzer und Fthenakis. – Aber das ist doch eine Ahnungslosigkeit, die eigentlich für Politiker verboten ist, heute so zu tun, als könne man in Deutschland Erzieherinnen in den Kindertagesstätten

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Das, was Sie sagen, ist eigentlich auch verboten!)

auf das Gehaltsniveau von Lehrern bringen. Dann müsste man das Gehaltsniveau von Lehrern ändern, und zwar ganz schnell, um auf ein gleiches Niveau zu kommen. Das wissen Sie ganz genau.

(Abg. Teßmer SPD: Aha!)

Ja, dann kann doch einmal die erste SPD-regierte Stadt vorangehen und sagen: „Wir besolden unsere Erzieherinnen wie Grundschullehrerinnen.“ Also ich finde – –

(Abg. Zeller SPD: Sie lenken aber unheimlich ab!)

Nein, ich lenke überhaupt nicht ab.

(Abg. Zeller SPD: Doch, das ist alles eine Ablen- kung!)

Ich lenke überhaupt nicht ab. Zur Betrachtung der Wirklichkeit gehört, dass so etwas im Moment nicht möglich ist. Aber ich sage noch einmal: Auch wenn es möglich wäre, ist es ein falscher Weg, zu glauben,

(Abg. Christine Rudolf SPD: Das weiß doch jeder, dass das nicht von einem Tag auf den anderen ge- hen kann, Frau Schavan! Das gehört auch zu einer seriösen Politik!)

dass wir für Absolventinnen und Absolventen der Hauptund der Realschulen immer mehr Berufstüren schließen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Lasst uns doch lieber ein Atomkraftwerk bauen!)

Das ist eine falsche Entwicklung. Die umgekehrte Entwicklung ist nötig.

(Beifall bei der CDU)

Neben einer Reform der Erzieherinnenausbildung, wie wir sie jetzt beschlossen haben – wie sie übrigens auch in einer Anhörung war, wie sie dann nach der Anhörung zu Beginn dieses Schuljahres endgültig in Kraft getreten ist –, ist der zweite Punkt – und der wird Gegenstand der Beratungen in der Kultusministerkonferenz sein –: Wir brauchen in Deutschland in allen 16 Ländern einen Orientierungsplan für Bildung und Erziehung bis zum Schuleintritt. Wir haben erste Initiativen in Bayern, in Rheinland-Pfalz, in Berlin, und es geht jetzt darum, aus diesen unterschiedlichen Ansätzen ein Gesamtkonzept zu entwickeln, das mit Bildungsstandards verbunden ist.

Jetzt komme ich zu Herrn Professor Fthenakis. Also, mit ihm habe unter anderem ich in den letzten Wochen und Monaten viele Gespräche geführt,

(Abg. Zeller SPD: Hat offensichtlich nichts ge- nützt!)

auch darüber: Ist die Frage „Bildungsplan, Bildungsstandards, Erzieherinnenausbildung“ eigentlich nur in einem Kontext überzeugend zu denken, der mit einer völlig anderen Ansiedlung der Erzieherinnenausbildung verbunden ist?

Herr Fthenakis, der ja für Bayern den Bildungsplan, den Orientierungsplan erarbeitet hat, hat eindeutig gesagt: Das hat jetzt überhaupt keinen Sinn, und das ist doch nicht zwingend. Wir können einen Bildungs-, einen Orientierungsplan und Bildungsstandards und die ganze Bedeutung der Bildung im vorschulischen Bereich verbessern, ohne an diese Rahmenbedingungen zu gehen.

(Abg. Zeller SPD: Sie behaupten, er erzählt Ihnen etwas anderes, als er in der Anhörung des Schul- ausschusses gesagt hat? – Gegenruf des Abg. Wa- cker CDU: Das hat er aber auch gesagt! Sie wollen nur das hören, was Sie hören wollen! Das Protokoll insgesamt lesen! – Gegenruf des Abg. Zeller SPD: Lesen Sie das Protokoll! Jetzt geht es los! Jetzt wird es merkwürdig!)

Das kann ja passieren. Also, Herr Zeller!

Übrigens wissen Sie, dass Herr Spitzer Mitglied des Bildungsrats ist und uns bei diesen Fragen kontinuierlich begleitet.

Deshalb: Es wird Herr Fthenakis sein. Mein Vorschlag an die KMK: dass Herr Fthenakis wesentlich diese Initiativen der Länder auf der Basis des bisher Geleisteten zu einem Orientierungsplan zusammenbringt. Ich will sagen: Wir sind jetzt in einer Phase, in der sich aus einzelnen Initiativen ein Gesamtkonzept auch für andere Länder entwickelt. Vieles im Bildungsplan, im Orientierungsplan von Herrn Fthenakis und dem Staatsinstitut für Frühpädagogik sind baden-württembergische Einzelinitiativen der letzten Jahre aus unseren Einrichtungen, die in den letzten Jahren zum Teil große Fortschritte gemacht haben.

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Deshalb sage ich: Wir haben gute Kindertagesstätten. Jetzt ist es wichtig, dass sie weitere Unterstützung erhalten durch die Reform der Erzieherinnenausbildung, durch einen Orientierungsplan, der sich nicht nur an Erzieherinnen, sondern auch an Eltern wendet, durch ein gesellschaftliches Klima, das Lernen und Bildung in frühen Jahren ernster nimmt, durch die intensive Sprachförderung und die auch damit verbundene Unterstützung der Kindertagesstätten. Das heißt, ein wesentlicher Schritt, ein neues Kapitel – so sage ich es – in der Entwicklung der Kindertagesstätten ist aufgeschlagen. Das halte ich für gut, weil wir die Professionalität der Erzieherinnen nicht unterschätzen dürfen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Es ist ja wahr, dass vieles, was für Kinder wichtig ist, für jeden leistbar ist. Aber manches, was in Kindergärten und Kindertagesstätten notwendig ist, ist nicht für jeden leistbar. Dazu bedarf es einer Professionalität, die unsere Erzieherinnen haben und in der wir sie unterstützen müssen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Wonnay.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sie haben natürlich genau das versucht, was ich auch erwartet habe. Sie haben nämlich so getan, als ob derjenige, der sich für eine Reform der Erzieherinnenausbildung einsetzt, den jetzt aktiven Erzieherinnen sozusagen ihr Know-how und ihre Professionalität abspreche. Genau das habe ich nicht getan.

(Abg. Herrmann CDU: Sondern? Das ist doch der Umkehrschluss!)