Protokoll der Sitzung vom 18.12.2003

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aktuelle Debatte unter Tagesordnungspunkt 1 ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Aktuelle Reformentscheidungen im Vermittlungsausschuss und im Bundesrat: Entscheidende Weichenstellungen für Wachstum, Beschäftigung und öffentliche Haushalte in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion der CDU

Es gelten die üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Gräßle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute keine Dementis von gestern zu machen, was ja nicht jeder sagen kann, der im Vermittlungsausschuss beteiligt war. Wir haben wichtige Ergänzungen abzugeben, die darauf hinweisen, dass das Vermittlungsergebnis wirklich ein großer Erfolg für das Land Baden-Württemberg ist.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Jetzt kann man ja Zeitung lesen!)

Das Vermittlungsergebnis bringt uns für das Land selber 57 Millionen €.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Es ist ja gut, dass ihr es gemerkt habt!)

Die großen Gewinner sind die Kommunen. Es bringt den Kommunen im Land Baden-Württemberg im nächsten Jahr 387 Millionen €, im übernächsten Jahr 641 Millionen €. 2006 sind es dann bereits 721 Millionen € und 2007 788 Millionen €. Baden-Württemberg hat – die Zahlen zeigen es, sie liegen seit heute Nacht vor – gut verhandelt, und wir sind froh, dass wir einige der großen Probleme über den Vermittlungsausschuss lösen konnten.

(Beifall bei der CDU)

Leider hat sich gezeigt, dass die heiße Nadel das bevorzugte Arbeitsinstrument der rot-grünen Koalition in Berlin ist.

(Lachen des Abg. Birzele SPD)

Wir werden darauf achten, dass bei der Umsetzung der Vermittlungsergebnisse das, was die Union erreicht hat, nicht durch die Hintertüre verschwindet und durch neue und bürokratische Regelungen wieder kassiert wird.

Wir haben beim Thema Arbeitsmarkt einen großen Erfolg zu verzeichnen, weil mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe soziale Leistungen aus einer Hand kommen und bei diesem Punkt Träume wahr werden, Träume einer Zusammenfassung und einer Entbürokratisierung. Uns und unseren Kommunen bleibt die Megabehörde einer Bundesanstalt für Sozialhilfe und Wohngeld erspart. Die Kommunen können bis zum 31. August 2004 eine Option ausüben, wie sie mit dieser Frage der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe umgehen wollen.

Nicht mit 10 000 neuen Stellen, sondern vor Ort praxistauglich und praxisnah sollen die Dinge erledigt werden. Die CDU hat hier ihre Handschrift hinterlassen. Sie hat gezeigt, was für uns von der CDU Sozialpolitik und auch praxisnahe Arbeitsmarktpolitik ist.

(Beifall bei der CDU)

In Baden-Württemberg bezogen 2002 nicht einmal 10 % der Sozialhilfeempfänger Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Weniger als 10 % der Sozialhilfeempfänger waren erwerbstätig. Das heißt, dass wir daran arbeiten müssen und dass die Bundesregierung daran arbeiten muss, einen größeren Prozentsatz der Sozialhilfeempfänger arbeitsfähig zu machen. Hier kommt unser Interesse zum Tragen: Wenn es uns nicht gelingt, entlang von mehr Wachstum und Beschäftigung für mehr Arbeitsplätze zu sorgen, wird jeder Druck sowohl auf Sozialhilfeempfänger als auch auf Arbeitslosengeldempfänger ins Leere gehen, weil diese Leute dann einfach keine Arbeit finden. Das heißt, das Paket, das jetzt vorgelegt wurde, kann nur ein Einstieg sein.

Es kann auch ein Einstieg in Strukturreformen des Arbeitsmarkts sein. Es ist ein Anfang. Wir freuen uns schon jetzt auf die nächsten Ergebnisse im Vermittlungsausschuss. Wir gehen davon aus, dass diese Arbeit entlang von mehr Beschäftigung auch zum Wohle Baden-Württembergs weitergeführt werden muss.

Wir sind froh über die Regelungen zur Zumutbarkeit von Arbeit. Der Satz „Die Aktiven suchen Arbeit, die Passiven suchen Nichtzumutbarkeitsgründe“ gehört der Vergangenheit an, weil jetzt klar ist, dass die Zumutbarkeit entlang der Kriterien, die auch für Sozialhilfeempfänger gelten, geregelt werden kann. Das ist angesichts von 5 Millionen Arbeitslosen und angesichts vieler nach wie vor unbesetzter Stellen ein erster, ein wichtiger Schritt. Die beste Sozialpolitik aber – da sind wir uns sicher einig – ist nach wie vor die Vollbeschäftigung.

Wir sehen in den Maßnahmen zum Abbau des Kündigungsschutzes einen Meilenstein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Oh-Rufe von der SPD)

Aber hier ist auch klar, dass die Bundesregierung von der CDU gezwungen wurde, auf das Ergebnis zurückzukommen, das wir bereits 1996 hatten.

(Zurufe von der SPD, u. a.: Das stimmt doch gar nicht!)

Die rot-grüne Bundesregierung hat seit ihrem Amtsantritt 1998 drei Punkte zurückgenommen: den demographischen Faktor, die Zuzahlung in der gesetzlichen Krankenversicherung und den Kündigungsschutz in Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern. Der Kündigungsschutz war jetzt der letzte Schritt. Willkommen in der rauen Wirklichkeit, willkommen in der Realität! Wir freuen uns, dass wir Sie jetzt endlich so weit haben. Aber wir haben inzwischen leider sechs Jahre verloren.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP)

Der Wirtschaft reichen die Reformen nicht. Das Echo aus der Wirtschaft ist eindeutig. Uns reichen sie auch nicht.

(Abg. Walter GRÜNE: Warum habt ihr das 1998 nicht gemacht?)

Deshalb ist uns klar und ist auch der Wirtschaft klar, dass dies nur ein erster Schritt sein kann. Weitere werden folgen.

Danke.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Scheuer- mann CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Junginger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Gräßle musste sogar ihre Freude von einem Manuskript ablesen, obwohl diese Aktuelle Debatte doch von den Erwägungen und Gedanken im Meinungsaustausch darüber geprägt sein sollte, was der Vermittlungsausschuss zuwege gebracht hat.

(Beifall des Abg. Fischer SPD – Abg. Dr. Inge Gräßle CDU, ein einzelnes Blatt Papier hoch hal- tend: Das war mein Manuskript! – Abg. Dr. Birk CDU: Sie führen sich auf wie ein Erbsenzähler!)

Seite um Seite haben Sie vorgetragen, Frau Kollegin.

(Abg. Fleischer CDU: Das stimmt nicht und geht Sie auch nichts an! Oberlehrerhaft! – Abg. Alfred Haas CDU: Das war eine Lüge!)

Wir haben eine gute Perspektive von unserer Seite aus.

Was ist nun also zu rühmen? Wer hat denn ein Vermittlungsausschussergebnis vorzuweisen, das den Bedürfnissen der Gemeinschaft der Gemeinden, der Wirtschaft und der Steuerzahler entspricht? Ich glaube, dass das, was die Opposition im Bund zuwege gebracht hat, in keinem Punkt den Notwendigkeiten und Bedürfnissen dieser Gesellschaft und dieses Staates entspricht.

(Beifall des Abg. Kaufmann SPD)

Lassen Sie mich bei der Gemeindefinanzreform anfangen. Das ist ein Thema, denn die Gemeindefinanzreform hat nicht stattgefunden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Frau Petra Roth, Oberbürgermeisterin in Frankfurt, hat gerade gestern noch einmal darauf hingewiesen: Die Reform muss jetzt im Jahr 2004 versucht werden. Was herausgekommen ist, ist eine Nulllösung.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

Damit ist den finanziellen Problemen der Gemeinden in keiner Weise abgeholfen. Wenn Frau Kollegin Gräßle das als einen Fortschritt begrüßt, dann frage ich: Mit welchen Gemeinden steht sie in Verbindung? Ich kenne keine einzige.

(Abg. Fleischer CDU: Was sagt denn der Herr Schily dazu?)

Ich zitiere Herrn Doll, der auch nicht unserer Partei angehört, der sagt: „Das ist ein jammervolles Ergebnis. So haben wir uns das nicht vorgestellt.“

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da hat er ausnahms- weise Recht!)

Woran liegt es, dass man nicht den Mut hatte, auch die Selbstständigen und Freiberufler zur Verstetigung der Gewerbesteuereinnahmen, die wir von ihrer Bedeutung her als Gemeindewirtschaftssteuer einordnen können, einzubeziehen?

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU – Abg. Flei- scher CDU: Wissen Sie, was Sie mit Ihrer Regie- rung in Berlin machen? – Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)