(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU – Abg. Flei- scher CDU: Wissen Sie, was Sie mit Ihrer Regie- rung in Berlin machen? – Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)
Die Gegenrechnung mit Einkommen- und Körperschaftsteuer war vorzunehmen. Deswegen entsteht objektiv keine Belastung, mit Ausnahme einiger Großstädte, in denen die Gewerbesteuerhebesätze so hoch sind, dass sie über den Anrechnungssatz von 380 Prozentpunkten hinausgehen.
Das zweite Thema war: Wer darauf verzichtet, einige ertragsunabhängige Elemente aufzunehmen, wie es von Städtetag, Gemeindetag und ernst zu nehmenden Finanzwissenschaftlern verlangt wurde, wer dies verhindert, hat den Gemeinden nicht geholfen und wird sich im Jahr 2004 fragen lassen müssen, wann endlich die Bereitschaft da ist, die notwendige Gemeindefinanzreform vorzunehmen. Warum hat die Regierung ihr Modell in diesem Kompromiss verwässern lassen?
(Abg. Fleischer CDU: Merken Sie eigentlich nicht, dass Sie Ihre eigene Regierung beschimpfen? – Zu- ruf des Abg. Alfred Haas CDU)
Weil sie wegen der von 2005 auf 2004 vorgezogenen Steuerreform ein Ergebnis im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, im Interesse der Steuerzahler vorweisen wollte. Dass man dabei faule Kompromisse mitmacht, ist ja wohl selbstverständlich.
Denn nichts wäre so schlimm – Herr Kollege Fleischer, ich bitte das wahrzunehmen – wie ein Nullergebnis, nachdem man sich monatelang in der Öffentlichkeit wechselseitig blockiert und Vorwürfe erhoben hat, dass keine Bereitschaft zum Kompromiss bestehe.
Wenn das als ein Ergebnis für Baden-Württemberg benannt wird, dann sage ich wieder: Für die Bürgerinnen und Bürger von Baden-Württemberg ist es kein angemessenes Ergebnis. Wir haben das gestern in der Allgemeinen Aussprache zum Haushalt thematisiert: 7 Milliarden € Steuerentlastung sind zur Seite geschoben worden.
Wenn wir die Bundestagswahl gewinnen, dann werden wir innerhalb von hundert Tagen dafür sorgen, dass die Steuerreform 2005 auf 2003 vorgezogen wird.
Dafür sind wir bereit, Schulden aufzunehmen. Denn der Wachstumsimpuls kann nur durch entsprechende Steuerentlastungen herbeigeführt werden.
Das, was jetzt passiert, lässt große Zweifel aufkommen, ob ein Wachstumseffekt erzielt werden wird, ob die Wirtschaft angekurbelt wird. Das ist das, was auch die Unternehmer und die Wirtschaftsverbände mit Sorge anmerken: dass die notwendige Steuerentlastung ausbleibt, die mit dem Stichwort „Ökonomie ist Psychologie“ den Eindruck vermitteln soll, der Bürger habe mehr Geld zur Verfügung und brauche nicht mehr zu befürchten, dass er zusätzlich geschröpft wird. Dass das mit dem Ergebnis, auf das man wirklich nicht stolz sein kann, erreicht wird, daran haben wir erhebliche Zweifel.
Die weiteren Punkte werde ich in der zweiten Runde ansprechen. So jedenfalls, dass wir stolz sein könnten, kann man dieses Ergebnis nicht sehen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben das Thema schon gestern in der Haushaltsdebatte ziemlich breit behandelt. Ich will versuchen, Wiederholungen zu vermeiden. Ganz wird es nicht gelingen.
Ich habe schon etwas den Eindruck, dass dieser Antrag formuliert worden ist, bevor das Ergebnis bekannt geworden ist. Denn von entscheidenden Weichenstellungen für Wachstum und Beschäftigung geht im Moment niemand aus. Niemand spricht davon, dass das die entscheidende Weichenstellung sei. Ich will das Ergebnis nicht kleinreden; das darf auch nicht kleingeredet werden. Das Entscheidende ist, dass es überhaupt einen Kompromiss gegeben hat.
Alles andere wäre nicht verstanden worden. Alles andere wäre Rückschritt gewesen. Darüber besteht übrigens eine völlige Übereinstimmung aller Wirtschaftsinstitute und aller Repräsentanten der Wirtschaft. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung schreibt:
Ein Scheitern der Verhandlungen hätte bei in- und ausländischen Investoren einen extremen Verlust des Vertrauens in die Reformfreudigkeit Deutschlands gegeben.
Professor Rürup – er ist ja wohl unverdächtig – fügt hinzu: „Das hätte zweifellos auf die Konjunktur niedergeschlagen.“ Das ist der entscheidende Punkt. Da ist der Konjunkturansatz. Die Botschaft heißt: Die Richtung stimmt. Die Reformdebatte zeigt: Es bewegt sich immerhin noch etwas. Ich würde sagen: Wenn man hinhört, merkt man: Die Reform atmet noch deutlich.
Für Konjunktur und Beschäftigung ergibt sich darüber hinaus aber – da sind sich bis auf Wirtschaftsminister Clement alle einig – kein zusätzliches Wachstum und schon gar keine Beschäftigung. Übrigens hätte die volle Steuerentlastung auch nur 0,2 Prozentpunkte gebracht. Darin sind sich alle einig; ich brauche sie nicht alle zu zitieren.
Es gibt sogar Institute, die sagen: Die Hälfte der jetzigen Entlastung führt dazu, dass man die Prognose nach unten anpassen muss. Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle etwa sagt: „Die Prognose muss wegen der etwas geringeren Entlastung etwas reduziert werden.“ Ich finde, man muss da mit Realitätssinn an die Dinge herangehen. Das macht sich immer besser.
Wichtig ist meines Erachtens – das kommt mir etwas zu kurz –, dass die Steuerreform, diese Steuerentlastung, mit Strukturelementen auf dem Arbeitsmarkt verbunden worden ist – das ist eigentlich erstmals der Fall – und nicht einfach nur über Schulden finanziert wird. Das ist zu einem Gutteil gelungen – das ist ein ganz wichtiger Punkt –, ob das nun der Kündigungsschutz ist – in dieser Hinsicht hat man im Grunde auch nicht mehr gemacht, als das wiederherzustellen, was Rot-Grün unter großem Kampfgeschrei eingerissen hatte –, ob das die Regelung in Bezug auf die Langzeitarbeitslosen ist oder ob es die Verbindung von Arbeitslosenund Sozialhilfe ist, von der ich meine: Die Option für die Kommunen ist noch nicht das Gelbe vom Ei.
Viele Vorschläge aus den letzten Monaten sind im Vermittlungsausschuss ja unter den Tisch gefallen. Eigentlich tun mir diejenigen Leid, die da monatelang „gehirnt“ haben und ihr Sitzfleisch strapaziert haben. Denn das Ergebnis, das herausgekommen ist, hätte man meines Erachtens auch etwas schneller erzielen können, ohne monatelang daran arbeiten zu müssen.
Wichtig ist für uns, dass der Mittelstand bei den Reformverbesserungen, die durch den Kompromiss erreicht worden sind, im Vordergrund steht. Wir sind sehr froh – Sie nicht –, dass die Gewerbesteuer eben nicht in eine Gemeindewirtschaftssteuer umgewandelt worden ist.
Wir sind sehr froh darüber, dass nicht weitere Mittelständler wie Angehörige freier Berufe mit dem Vorwand der Ertüchtigung, der Modernisierung, der Vitalisierung des Gesetzes – schon diese Begriffe machen einen ja sehr stutzig –
und dies mit hohem bürokratischem Aufwand. Es ist mittelstandsfreundlich, dass der Ansatz der Verlustvorträge ab 1 Million € beschränkt wird. Ich will den kleinen Mittelständler sehen, der das erreicht. Auch ich bin der Meinung, dass die Großen zahlen müssen.
Im Übrigen ist die Abschaffung der Mindeststeuer bei Verlustrückträgen ebenfalls mittelstandsfreundlich. Das freut uns alle sehr.
Ein Nebenpunkt: Dass die Ausbildungsleistung des Handwerks bei der Meisterpflicht im Handwerk Berücksichtigung gefunden hat, freut uns sehr. Weiter so!
Gesamtbeurteilung – ich komme zum Schluss –: Die Politiker sind mit sich weitestgehend zufrieden, wie man hören kann. Aber ich denke, die Kommentatoren und die Wirtschaftler äußerten sich weniger zufrieden. Ob das Glas halb voll oder halb leer ist, ob es ein größerer Schritt oder ein Trippelschritt ist, ob Ruck oder Ruckerle, ob runde oder halbrunde Sache, ob Reform oder Reförmchen, ob Bescherung oder schöne Bescherung:
Der Blick muss nach vorne gerichtet sein. In der zweiten Runde, die noch kommt, darf bei der dritten Stufe der Steuerreform nicht nur die Entlastung um 7,8 Milliarden € nachgelegt werden. Es ist über Nacht ja übrigens 1 Milliarde € weniger geworden. Da kann man sich nur wundern. Die Milliarde ist ja wie Manna vom Himmel gefallen, oder das Christkind hat sie gebracht. Berliner würden sagen: „Det ham Se wohl verjessen in der Eile.“ Herr Koch hat gesagt, er würde mit Rot-Grün nie mehr in Eile diskutieren.
Ich darf zum Abschluss noch zwei Zitate bringen. Die spannende Frage ist ja die, ob die Hoffnung berechtigt ist, dass das, was aussteht, tatsächlich noch kommt. Wenn es nach dem Kommentator der „Welt“ geht, können wir alle Hoffnung aufgeben.