Protokoll der Sitzung vom 18.12.2003

Ich darf zum Abschluss noch zwei Zitate bringen. Die spannende Frage ist ja die, ob die Hoffnung berechtigt ist, dass das, was aussteht, tatsächlich noch kommt. Wenn es nach dem Kommentator der „Welt“ geht, können wir alle Hoffnung aufgeben.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Denn die „Welt“ schreibt unter der Überschrift „Kläglicher Kompromiss“: keine Hoffnung. Sie endet:

Ein Gutes allerdings hat der klägliche Kompromiss. Er macht auch dem letzten Träumer klar, dass eine große Koalition ein Albtraum wäre.

Das schreibt die „Welt“.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich bin begreiflicherweise zwar nicht für große Koalitionen und könnte mir manches Problem auch fortdenken, wenn man sich Rot-Grün gleich mit fortdenken könnte.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Aber ich halte es doch mehr mit dem Verfasser des Leitartikels der „Stuttgarter Nachrichten“, der unter der Überschrift „Das Steuer-Strohfeuer“ schreibt:

Alle Parteien haben bewiesen, dass sie willens und fähig sind, eigene Interessen hintanzustellen und gemeinsam nach tragfähigen Lösungen zu suchen. Auch wenn ihnen der ganz große Reformwurf misslungen ist: Der Anfang ist gemacht. Weitere Schritte werden folgen. Zwangsläufig. Deutschland im Winter: Und es bewegt sich doch.

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

In vorweihnachtlicher Zeit möchte ich gerne daran glauben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was ist nun der Sinn dieser Debatte?

(Abg. Pfister FDP/DVP: Sagen Sie es uns, Herr Fraktionsvorsitzender! Sagen Sie es uns!)

Gestern ist schon im Rahmen der Haushaltsdebatte von Ihnen allen, außer von mir, über dieses Thema geredet worden. Wir reden jetzt über ein Thema, für das wir in keiner Weise zuständig sind.

(Abg. Pfister FDP/DVP: So viel zum Thema „Ak- tuelle Debatten“!)

Wir haben auf diese Vorgänge keinen Einfluss. Im Übrigen sind sie vorbei.

Natürlich muss man in der Politik auch Vorgänge bewerten. Aber das muss doch der Bundestag machen. Der ist doch das richtige Organ dafür. Wir als Landesparlament haben auf diesen Vorgang faktisch keinen Einfluss.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Da hat er ja Recht!)

Die Exekutive kann das im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss völlig eigenständig behandeln.

Wenn die Debatte einen Sinn haben soll, dann muss man sich allerdings für die Föderalismuskommission überlegen, ob dieses Verfahren sinnvoll ist. Ich möchte nicht so weit gehen wie der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier, der dieses Exekutivmodell des Föderalismus überhaupt infrage gestellt und ein Senatsmodell vorgeschlagen hat, bei dem gewählte Vertreter der Länder die zweite Kammer bilden.

(Zuruf der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

Wir könnten aber auch sagen: Wir wählen wenigstens die Regierungsmitglieder in den Bundesrat. Dann haben sie ir

gendwie eine Legitimation durch uns. Dann machen solche Debatten vielleicht auch mehr Sinn.

Was folgt aus dieser Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen? Nichts!

(Beifall bei den Grünen)

Solche Debatten hier zu führen ist uns nicht dienlich.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Überflüssig! – Abg. Fischer SPD: Das passt zu vorhin! – Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Warum? Das hat einen ganz einfachen Grund: Wenn wir als Parlament über Dinge reden, für die wir gar nicht zuständig sind, dadurch aber in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, als seien wir dafür zuständig, dann trifft uns doch anschließend die Kritik, dass wir Dinge nicht geändert und nicht bewegt haben, die wir gar nicht ändern und bewegen können. So etwas zu tun ist nicht sinnvoll. Das heißt: Man muss hier über das reden, wofür man zuständig ist. Das andere kann in Reden einfließen – das ist ja völlig klar –, aber darüber extra Debatten zu führen ist nicht sinnvoll.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Schmiedel und Abg. Capezzuto SPD: Sehr gut! – Abg. Capezzuto SPD: Wo er Recht hat, hat er Recht! – Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Jetzt gehe ich zur Sache auf einen Punkt ein, der noch nicht angesprochen wurde. Die Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück enthielten Kürzungen im Bereich des Schienenverkehrs in Höhe von jährlich rund 1,9 Milliarden €, wirksam ab 2006. Nach den Plänen dieser beiden Ministerpräsidenten sollte jeder vierte Euro des Subventionsabbaus beim öffentlichen Verkehr eingespart werden, Straßenverkehr und Luftfahrt ausgeklammert. Als Begründung wurde ein höchst fragwürdiger Subventionsbegriff angeführt: Zuwendungen an die DB AG gälten als Subventionen, dagegen gälten Straßenbau und Luftfahrt als eigenständige staatliche Aufgabe.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Dieser absolut fragwürdige Subventionsbegriff hat nun dazu geführt, dass massiv in den öffentlichen Schienenverkehr eingegriffen wird, während der Straßen- und der Luftverkehr weitgehend geschont werden. Wir konnten noch das Schlimmste verhindern. Wir konnten erreichen, dass die Kürzungen, was Regionalisierungsmittel, GVFG-Zuschüsse und Aufwendungen für das Bundeseisenbahnvermögen betrifft, heruntergefahren werden. Die Mittel für diese Bereiche sollten ja pauschal um 4 % gekürzt werden. Wir konnten erreichen, dass lediglich eine einmalige Kürzung um 2 % vorgenommen wird.

Leider sind aber noch acht Vorschläge im Raum, die dazu führen, dass weitere massive Kürzungen bei den Investitionsmitteln im öffentlichen Schienenverkehr bevorstehen.

Das sind, wenn man das summiert, jetzt rund 550 Millionen € ab 2006. Davon sind ca. 250 Millionen € beschlossen und 300 Millionen € strittig. Es stehen also massive Eingriffe bevor. Das kommt dabei heraus, wenn man das Prinzip des Rasenmähers verfolgt. Es kommt wirklich nichts

Gescheites dabei heraus. Das zeigt auch – mein Vorredner hat es schon gesagt –, was von großen Koalitionen zu erwarten ist.

Die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen im Bundestag haben sich in einer Protokollnotiz verpflichtet, die globale Minderausgabe im Verkehrsbereich abweichend von den Vorschlägen der Herren Koch und Steinbrück nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Schiene und Straße in die Haushaltsberatungen einzubringen. Wir versuchen also, die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses über die globalen Minderausgaben zu kompensieren.

Den Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück ist es gelungen, durch einen völlig irreführenden Begriff der Subvention dem Schienenverkehr massiv zu schaden. Wir versuchen nun, dies durch Auswege noch zu korrigieren. Ob das gelingt, weiß ich nicht.

Man muss sich einmal vorstellen, was das bei dem hohen Verkehrsaufkommen auf den Straßen bedeutet. Man muss sich nur einmal beim mittleren Neckarraum anschauen, welche wirtschaftlichen Schäden diese Staus verursachen, was das für ein Hemmnis für den Standort Baden-Württemberg ist. Vor diesem Hintergrund in den Schienennahverkehr einzugreifen und diese Mittel zu streichen ist absolut kontraproduktiv und völlig unbegreiflich.

Es zeigt, dass eine Föderalismusreform mit einer klaren Kompetenzordnung notwendig ist, da wir solche fernab der Öffentlichkeit ausgekungelten Ideen auf den Tisch bekommen, bei denen wir größte Schwierigkeiten haben, alles richtig auf die Reihe zu bringen. Mit solchen Verfahren hat sich der Parlamentarismus wirklich keinen Dienst erwiesen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Finanzminister Stratthaus.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestern ist in der Tat lange und ausführlich gesprochen worden. Deswegen jetzt nur ganz wenige Sätze von mir.

Zunächst muss ich auch heute Herrn Kretschmann Recht geben. Mir ist richtig klar geworden: Die wichtigste aller Reformen – sozusagen die Mutter aller Reformen – wäre wirklich die Föderalismusreform.

(Abg. Wieser CDU: Oi!)

Ich sehe deren tatsächliche Notwendigkeit.

Jetzt aber zur Sache selbst. Wir sollten einen Fehler nicht machen. Wir haben einen Kompromiss geschlossen. Diesen Kompromiss müssen wir jetzt auch tragen. Natürlich kann man sagen, man hätte das eine oder andere gerne anders gehabt. Wenn aber vier Gruppen einen Kompromiss geschlossen haben, dann müssen sie auch dahinter stehen. Wenn sie ihn im Prinzip ablehnen würden, dann hätten sie gleich gar nicht zustimmen dürfen. So kann es eigentlich nicht sein.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Göschel SPD: Richtig!)

(Minister Stratthaus)