Dann wird sich Ihnen auch erschließen, weshalb wir diese Aktuelle Debatte beantragt haben: Um nämlich genau darüber zu reden, was die Beschlüsse des vergangenen Wochenendes für Baden-Württemberg bedeuten. Für uns bedeuten sie, dass der Zug in Richtung mehr Wachstum und Beschäftigung endlich angeschoben werden kann.
(Abg. Wieser CDU: Jetzt hat er auch Text dabei! Jetzt wird es besser! – Gegenruf des Abg. Rei- chardt CDU: Das wird dadurch auch nicht besser!)
Auch wenn die Kollegin Gräßle mir zugehört hat, hat sie es offenbar unterlassen, Herrn Hofer zuzuhören; denn er hat tatsächlich gewürdigt, was das Ergebnis für die Wirtschaft, die Unternehmen und den Wirt
schaftsaufschwung bedeutet. Es bleibt nämlich außerordentliche Skepsis, weil die 7 Milliarden €, die im Ausgangsentwurf noch zur Steuerentlastung eingesetzt werden sollten, eher die Hoffnung auf Aufschwung und Belebung des Wirtschaftsmarkts gebracht hätten.
Dies ist verhindert worden, ursprünglich noch mit der Vorstellung: keinen Cent mehr als 25 % Neuverschuldung. Auf einmal sind es 30 %,
die wir nebenher mitnehmen. Da müssen wir hinsichtlich der Glaubwürdigkeit fragen: Warum haben wir vorher eine Hürde aufgebaut, die wir hinterher im Interesse eines vernünftigen Kompromisses dann nicht mehr wahrhaben wollten?
Wenn es denn so wäre, dass jetzt ein Aufschwung und wirtschaftliche Belebung einträten, dann wäre das alles ja gerechtfertigt. Es ist aber zu befürchten, dass das Hin und Her und das Sich-über-längere-Zeit-wechselseitig-Blockieren eben nicht dazu führen, dass jetzt mit der Steuerentlastung von insgesamt 15 Milliarden € die Wirtschaft tatsächlich auch den Zuwachs, die Belebung erfährt, die notwendig sind.
Wenn ich dann höre, dass eine Lockerung des Arbeitsmarkts dazu führen werde, dass auf einmal Tausende neuer Stellen entstehen sollen, bleibt nur zu sagen, dass alle ernst zu nehmenden Institute nicht davon ausgehen. Wir haben ja in der Vergangenheit schon einmal erlebt, dass die Lockerung des Kündigungsschutzes überhaupt nicht zu neuen Arbeitsplätzen geführt hat. Im Übrigen nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass in den Zwischenjahren schon vielfältige Lockerungen eingetreten sind. Führen Sie sich nur einmal das Teilzeitbeschäftigungsgesetz vor Augen, durch das über Jahre hinweg befristete Arbeitsverhältnisse abgeschlossen werden können, ohne dass das dazu geführt hätte, dass die Zahl der Arbeitslosen deutlich zurückgegangen wäre.
Wir sagen, Zumutbarkeit jeder beliebigen Beschäftigung ist etwas, was wirklich unter sozialen Gesichtspunkten eine massive Verlagerung im Sinne von sozialer Armut nach sich ziehen könnte. Das ist etwas, wo wirklich erst einmal von unserer Seite Kröten geschluckt worden sind. Die Ergebnisse werden beweisen müssen, ob das, was Sie angekündigt haben, tatsächlich eintritt. Ob auf diese Weise in der Wirtschaft endlich die Zahl der Arbeitslosen wieder zurückgeht, für neue Beschäftigung gesorgt wird und wir alle das, was an Aufschwung kommt, kaum fassen können – all das werden wir abwarten müssen. Wenn Sie in diesem Punkt Recht hätten, dann wäre das Ergebnis wirklich uneingeschränkt gut. So ist es im Wesentlichen die Bekräftigung und Bestätigung der ersten Schritte der Agenda 2010 von Bundeskanzler Gerhard Schröder,
Wer dann für sich in Anspruch nimmt, dass er beispielsweise Hartz IV noch in irgendeiner Weise offen gehalten hat, der mag zur Kenntnis nehmen, dass ein Optionsmodell vereinbart worden ist und dass es, soweit ersichtlich, relativ wenige Gemeinden und kommunale Einrichtungen geben wird,
Denn das ist eindeutig zunächst einmal eine staatliche Aufgabe, die dann gemeinsam wahrgenommen werden kann.
Insofern sage ich noch einmal: Wir sind froh, dass überhaupt ein Ergebnis zustande gekommen ist. Wir sehen in allen Feldern nicht das, was eigentlich notwendig oder erforderlich gewesen wäre, aber die Blockade ist aufgelöst, und es mag sich, wer da will, als Sieger fühlen. Wichtig ist, dass der Schritt der vorgezogenen Steuerreform möglich geworden ist und dass es jedenfalls bei den Gemeinden, Herr Finanzminister, mehr oder minder plus/minus null aufgeht und dass das Signal gegeben worden ist, dass die Reduzierung der Gewerbesteuerumlage eine höhere Verfügungsmasse mit sich bringt. Denn die Erhöhung bei der Neuverschuldung um 5 Prozentpunkte trifft, wenn wir das richtig sehen, auch die Gemeinden.
Wenn Sie das gegenrechnen, dann ergibt das beispielsweise bei der Stadt Frankfurt am Main eine Entlastung um 36 Millionen € bei zusätzlichen Belastungen von 30 Millionen €. So hatte man sich dort die Lösung der Frage, wie die Gemeinden in ihrer Finanzsituation unterstützt werden sollen, nicht vorgestellt. So lautet die Meinung von Doll und Roth und Rommel und wen auch immer ich aus dem Lager der CDU benennen mag: Die Gemeindefinanzreform steht immer noch vor der Tür. Sie muss noch vorgenommen werden. Das, was bisher war, ist ein momentaner Entlastungseffekt, der einige Millionen gebracht, aber die Strukturproblematik der kommunalen Finanzen nicht gelöst hat.
Deswegen sage ich: Nach dem, was wir gestern besprochen haben, ist diese Debatte hier nicht mit neuen Erkenntnissen verbunden. Ich bitte darum, nicht schon Tage vorher Ergebnisse im Sinne von Siegesverkündigungen für eine Aktuelle Debatte vorzusehen, von denen dann hinterher nichts übrig bleibt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein Schritt in die richtige Richtung ist gemacht worden. Das ist unzweifelhaft und auch hier sehr deutlich geworden. Ich möchte nur darauf hinweisen: Mir geht es viel weniger um das Thema Steuerentlastung als um das, was damit an strukturellen Verbesserungen verbunden ist. Alle Fachleute waren sich darüber einig, dass sich auch eine volle Steuerentlastung nur marginal auf die Konjunkturentwicklung ausgewirkt hätte:
nicht 0,6 Prozentpunkte, wie Clement sagt, sondern höchstens 0,2 Prozentpunkte. Wir wissen bei dem Ergebnis, das jetzt erzielt wurde, noch nicht, wie die Netto- und Bruttoentlastung der einzelnen Haushalte aussehen wird. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler sagt: Das wird so wenig sein, dass es sich wahrscheinlich gar nicht zum Sparen lohnt, sondern dass es in den Konsum geht. Da hat er wahrscheinlich Recht.
Das ist vielleicht auch Galgenhumor; ich weiß es nicht. Wichtig sind die Ansätze einer strukturellen Veränderung.
Ganz schlimm fände ich es, wenn man sich jetzt zufrieden zurücklehnen und sagen würde – ich habe das von der Regierungskoalition auch nicht gehört –: „Jetzt haben wir doch alles gemacht.“ Das ist keineswegs der Fall.
Ich hoffe auch, dass sich die Tarifparteien bei den Öffnungsklauseln, bei den Flächentarifverträgen bewegen. Es gibt den Protokollvermerk, dass sie das im nächsten Jahr tun müssen. Ansonsten, sagt der Gesetzgeber, wird er es selbst machen. Schauen wir einmal.
Es gibt das ganze Thema Steuervereinfachung und alles, was damit verbunden ist. Da kann man doch nicht sagen: „Jetzt haben wir das vor Weihnachten hingekriegt.“ Meine Sorge ist, dass das einschläft. Das darf aber nicht einschlafen,
Ich möchte an dieser Stelle auch noch etwas zu den Gemeindefinanzen sagen; das habe ich vorhin nicht getan. Natürlich ist es für die Gemeinden ein guter Schluck aus der Pulle, wenn sie jetzt im Durchschnitt 35 € pro Einwohner bekommen. Aber es ist nun einmal bei den Kommunen so: Es ist keine einheitliche Landschaft. Es gibt gewerbesteuerstarke und gewerbesteuerschwache Kommunen; das wird es auch immer geben. Und die Auswirkungen sind auch gering. Aber man muss auch sehen, dass nicht der Eindruck entstehen darf, jetzt sei gar keine Gemeindefinanzreform mehr notwendig. Sie ist und bleibt notwendig; sie ist nach wie vor dringend notwendig.
Ich freue mich als Abgeordneter, dass das Land plus/minus null herauskommt, nachdem die Dinge vorher ja gewisser
maßen sehr viel negativer prognostiziert worden sind. Als einer, der aus der Kommunalpolitik kommt, kann ich Ihnen nur sagen: Das, was jetzt mit der Reduzierung der Gewerbesteuerumlage gemacht worden ist, ist nichts anderes als die Wiederherstellung des früheren Zustands; denn sie wurde unter völlig falschen Erwartungen angehoben,
nämlich unter der Erwartung, dass die Unternehmensbesteuerung mehr Einnahmen bringt. Das ist nicht eingetreten. Also, das wird zurückgenommen. Darauf haben die Kommunen aber eigentlich einen Anspruch; das ist eigentlich das Mindeste, was sie verlangen können. Dass sie jetzt noch 2,5 Milliarden € gewissermaßen über die Privatisierungsmittel hinzubekommen, das muss man begrüßen.
Aber eine Gemeindesteuerreform wird notwendig sein. Wir sagen: mit einem Hebesatz bei Einkommen- und Körperschaftsteuer und einer Umsatzsteuerbeteiligung. Ich kenne eine ganze Reihe von Gemeinden, die sagen: Wenn das kommt, wären wir zufrieden. Ich kenne auch eine Reihe von Gemeinden, die sagen: Nein, uns ist die Gewerbesteuer lieber, denn wir sind gewerbesteuerstark. Da muss man die Gemengelage einfach sehen.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal darum bitten, mit den Kräften nicht zu erlahmen. Wer jetzt meint, es sei geschafft, dem sei gesagt: Das nächste Jahr wird in Bezug auf Reformen in dieser Hinsicht noch sehr viel stürmischer werden.
Zum Schluss möchte ich noch einmal sagen: Herr Kretschmann, natürlich sind wir uns einig, was das Thema „große Koalition“ anbelangt. Wir sind möglicherweise auch nicht ganz so weit voneinander entfernt, was Aktuelle Debatten anbelangt. Denn natürlich gehört das Thema in den Haushalt immanent mit hinein. Es ist ein wichtiges Thema; es ist sogar eines der wichtigsten Themen für diese Haushaltsdebatte. Aber ob man da nun einen Tag später noch einmal eine Sonderdebatte führen muss, darüber kann man von mir aus streiten. Nun haben wir es gemacht, und vielleicht hat es auch etwas gebracht.
Ich möchte abschließend noch einmal sagen: Wenn man jetzt sieht, wer als Sieger und wer als Verlierer hervorgegangen ist, dann ist es schon ein starkes Stück, mit dem Betrag von 2,5 Milliarden € für die Kommunen zu argumentieren und zu sagen, die ganze kommunale Landschaft in Deutschland solle froh sein – sie wird es wohl zum Teil auch sein –, und zu meinen, bei tausend Milliönchen, um die man sich da verrechnet hat, könne man zur Tagesordnung übergehen. Da gibt es keinen Verantwortlichen. Da gibt es nichts. Das ist nun einmal so, und das wird einfach mit untergebuttert.
Das trägt nicht zur Glaubwürdigkeit solcher Runden bei. Das möchte ich an dieser Stelle gesagt haben.