Protokoll der Sitzung vom 28.06.2001

Jetzt komme ich abschließend auf die Ideologie der Frau Berroth zu sprechen. Meine Damen und Herren, uns, den Roten und den Grünen, wird bei diesem Thema Ideologie vorgeworfen. Jetzt möchte ich aber einmal an das erinnern, was sich am 5. Dezember 1996 im Ausschuss für Umwelt und Verkehr des Landtags von Baden-Württemberg ereignet hat.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist aber schon lange her! – Abg. Drexler SPD: Sehr schön!)

Damals wurde ein Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP/DVP folgenden Inhalts – ich nenne nur zwei Punkte – behandelt:

... sich über den Bundesrat für eine beschleunigte Novellierung der Verpackungsverordnung einzusetzen;

... eine Pfandpflicht auf Einweggetränkeverpackungen in Baden-Württemberg einzuführen, sobald die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind.

(Abg. Walter GRÜNE: In Baden-Württemberg!)

In Baden-Württemberg!

Begründung: Der stetige Rückgang der Mehrwegquote bei einzelnen Getränkearten wie z. B. beim Bier zeigt, dass die Mehrwegquote in der geltenden Verpackungsverordnung nicht ausreicht...

Ein weiterer Punkt:

Die bereits vorliegenden Ergebnisse von Ökobilanzen des Umweltbundesamtes zeigen eindeutig, dass Getränke in Mehrwegverpackungen deutlich ökologische Vorteile gegenüber Einwegverpackungen haben.

(Abg. Drexler SPD: Also jetzt, Frau Berroth!)

Jetzt verrate ich Ihnen, wie die Abstimmung ausgegangen ist.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Wahrscheinlich einstim- mig!)

Es gab zwei Enthaltungen

(Abg. Drexler SPD: Republikaner!)

oder Gegenstimmen; das geht hier nicht so genau hervor. Jedenfalls ist der Antrag mit einer klaren Mehrheit der Fraktionen beschlossen worden.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wir haben da- zugelernt, Sie nicht! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Sie haben es überhaupt nicht gewusst!)

Frau Berroth, das entspricht haargenau den Anträgen, die wir heute stellen. Sie haben dem bereits 1996 zugestimmt. Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Hei- derose Berroth FDP/DVP: Ja, aber wir sind lernfä- hig! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Sie haben das gar nicht gewusst!)

Das Wort erteile ich Herrn Umweltminister Müller.

(Abg. Drexler SPD: Er ist auch eingeknickt! Er hat damals auch zugestimmt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Meine Stimme ist sehr lädiert. Deswegen muss ich leise sprechen. Ich hoffe, es wird dadurch eindringlich.

(Abg. Teßmer SPD: Es kann auch leise sein!)

Ich will kurz sprechen und hoffe, dass das dadurch klar wird. Ich muss auch mit einer gewissen Leidenschaftslosigkeit sprechen; das muss aber der Debatte nicht abträglich sein.

(Unruhe)

Worum geht es? Es geht für die einen um die Frage des Pfandes und für die anderen um die Frage des Mehrwegs. Was ist die eigentlich richtige Fragestellung? Das Pfand ist ein Instrument, der Mehrweganteil, die Mehrwegmenge ist das Ziel.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!)

Das heißt, wir müssen uns zunächst einmal darüber klar werden: Ist für uns das Pfand ein Selbstzweck oder ein Mittel zum Zweck? Wenn es ein Mittel zum Zweck ist, dann habe ich dieses Mittel daran zu messen, ob es geeignet ist und ob es Nebenwirkungen hat, die ich nicht haben will. Die zweite Frage, die ich zu beantworten habe, lautet ganz einfach: Gäbe es andere Mittel, um das eigentliche Ziel zu erreichen?

(Abg. Pfister FDP/DVP: Richtig! Jetzt ist es klar!)

Das ist die Fragestellung.

(Abg. Drexler SPD: 72 %!)

Das eigentliche Ziel ist Mehrweg.

(Abg. Drexler SPD: 72 %!)

Darauf komme ich gleich zu sprechen.

Das muss zunächst einmal klar sein. Wir können keine Instrumentendebatte führen, wenn wir eine Zieldebatte zu führen haben.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wir haben zu klären: Wie erreichen wir das Ziel, in dem wir uns im Prinzip einig sind?

Jetzt mache ich eine kleine Einschränkung, die der Begriff „im Prinzip“ schon zeigt, nämlich: Drücken wir das Ziel in einer Menge aus oder in einer Quote?

Übrigens, diese unterschiedliche Fragestellung „Pfand oder Mehrweg – was ist hier die Frage?“ zeigt sich auch in den unterschiedlichen Anträgen von SPD und Grünen; die sind ja nicht identisch. Es ist interessant, dass die SPD im Prinzip etwas sagt, was unserer Position entspricht: sich nicht nur auf Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zu verlassen, sondern gegebenenfalls das Pfand zu installieren. Das ist übrigens genau die Position, die wir seitens einer Reihe unionsregierter Bundesländer entwickelt haben. Wir verlassen uns nicht darauf, aber wir versuchen es.

Witzigerweise sagt aber die SPD: „... um die 72 % zu erhalten.“ Das sagt Trittin nicht. Es ist das Eigenwillige, dass sich der Trittin’sche Vorschlag völlig von dem Ziel der 72 % löst.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das zum Selbstzweck macht!)

Es wird schlicht gestrichen. Und die Frage, ob es dann wirkt oder nicht, spielt im Unterschied zu unserem Vorschlag, auf den ich gleich zu sprechen komme, keine Rolle mehr.

(Abg. Drexler SPD: Das spielt auch keine Rolle!)

(Minister Müller)

Der Vorschlag der Grünen setzt schlicht daran an, dass er sagt, wir sollten Trittin zustimmen. Okay, das ist in sich schlüssig. Aber ich weiß nicht, ob Ihnen seitens der SPDFraktion klar geworden ist, wie nahe Sie eigentlich an unserer Position sind – nur mit einem Unterschied: dass wir nicht sagen: „72 % als Quote“, sondern eine bestimmte Zahl als Menge. Auf diesen Unterschied komme ich gleich noch zu sprechen.

(Abg. Drexler SPD: Sie gehen runter vom Mehr- weg!)

Wir müssen nur einmal festhalten: Der Vorschlag der Bundesregierung streicht die Schwelle – er streicht sie – und hofft auf die Wirksamkeit des Instrumentes Pfand. Ob diese Hoffnung berechtigt ist, ist genau die Frage, die wir zu klären haben.

(Abg. Birzele SPD: Töpfer!)

Unser Ziel heißt – in wenigen Worten ausgedrückt –: Mehrweg ohne Pfand, wenn möglich, ohne Pfand, wenn nicht anders möglich, dann mit Pfand. Mehrweg ist die eigentliche Zielsetzung, die wir haben.

Ich glaube, dass wir uns in diesem Ziel einig sind. Das sind wir der Umwelt schuldig, das sind wir in der Tat dem Mittelstand schuldig, den mittelständischen Brauereien. Das sind wir auch unserer eigenen Glaubwürdigkeit schuldig.

Die Frage ist: Wie erreichen wir dieses Ziel?