Protokoll der Sitzung vom 11.03.2004

Natürlich muss die Entwicklung sorgfältig im Auge behalten werden, aber der Verbraucher sollte entscheiden können – deshalb Kennzeichnung –, und die Landwirte sollten, wenn von den gentechnisch veränderten Pflanzen keine Gefahren ausgehen, ebenso entscheiden können, welche Art von Bewirtschaftung sie wählen. Deshalb muss das derzeit nach wie vor bestehende De-facto-Moratorium beseitigt werden, und zwar so, dass es nicht durch ein neues De-facto-Moratorium abgelöst wird.

Jetzt bin ich bei einem inhaltlichen Punkt der Bewertung des Gesetzentwurfs der rot-grünen Bundesregierung. Auch durch eine Haftungsregelung kann man das, was man nicht will, natürlich verhindern, und es kann auch durch Haftungsregelungen zu einem weiteren De-facto-Moratorium kommen. Deshalb ist dieser Punkt, die Regelung der Haftung, sicher ein Punkt, über den es jetzt im Verfahren auf Bundesebene bis zur Verabschiedung ausführlich zu diskutieren gilt. Denn der bisher vorgelegte Vorschlag geht sicher sehr in Richtung dieser Befürchtung, dass es zu einem neuen De-facto-Moratorium aus anderen Gründen kommt.

Dabei möchte ich es bewenden lassen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Teßmer.

(Abg. Walter GRÜNE: So viele Steilvorlagen!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben ja heute früh schon viele sachliche Argumente eingebracht. Ich bin auch etwas überrascht, dass der Umweltminister zu diesem Antrag Stellung genommen hat. Dies geschah zwar im Einvernehmen mit dem MLR, aber ich frage mich natürlich, ob man vor knapp einem Jahr, als man die Stellungnahme zu dem Antrag abgegeben hat, nicht daran gedacht hat, dass die Stimmung bei den Verbrauchern, den Landfrauen und den Landwirten vielleicht doch einen anderen Weg geht, als man das damals gedacht hat.

Der Vorredner hat immer, wenn er auf Inhalte zu sprechen kam, sehr schön gesagt: „man kann“ oder „es kann“. Sie können genauso wenig abschätzen, dass das harmlos ist, wie wir genau festlegen können, was gefährlich ist.

Tatsache ist, dass die Freilandversuche in weit geringerer Zahl als möglich stattfinden. Das heißt, die Genehmigungen sind weit zahlreicher als die tatsächlich durchgeführten Versuche, weil man, glaube ich, anders als der CDU-Antrag das hier deutlich machen will, die globale Ernährungssicherheit sehr wohl auch ohne Gentechnik schaffen kann. Das ist sicher nicht die Voraussetzung und die Begründung für Baden-Württemberg, dass damit die weltweite Ernährungssicherheit gewährleistet ist.

Wir haben noch immer ein bisschen das Gefühl, dass man auch deutlich machen muss, wer das eigentlich will. Die Landwirte wollen es mehrheitlich nicht, die Landfrauen wollen es einheitlich nicht, die Bauernverbände sagen zumindest optisch Nein, und Herr Stächele sagt, wenn er außerhalb dieses Landtags ist, man solle es freiwillig nicht machen. Nur Herr Müller, der ja unterschrieben hat, ist dafür.

Ein bisschen vorsichtig müssten wir bei den Aussagen des Robert-Koch-Instituts schon sein. Sie haben die Aussage völlig korrekt wiedergegeben. Das Robert-Koch-Institut sagt nur, dass sich keine Hinweise auf Risiken ergeben haben. Das heißt aber nicht, dass es keine gibt. Das können Sie genauso wenig ausschließen, wie ich ausschließen kann, dass es wirklich keinerlei Gefahr gibt.

Wenn Sie doch sonst immer andere Länder heranziehen, die in diesem Bereich so vorbildlich sind, dann nehmen Sie doch einmal unseren Nachbarn Schweiz. Die Schweiz hat nämlich mit ihrem Haftungsrecht – nicht so, wie die CDU in Berlin einmal gesagt hat: man solle einen Fonds schaffen; das wäre ja wunderbar, dann zahlt der Steuerzahler auch noch die Risiken – geregelt, dass der Inverkehrbringer haftet. Diese Inverkehrbringer müssen in der Schweiz eine Zahlung von 20 Millionen Schweizer Franken leisten und unterschreiben, dass sie unbegrenzt haften. Das hat in der Schweiz dazu geführt, dass gar keine Freilandversuche beantragt wurden und auch keine Gentechnik angewendet wird.

Das Einzige, was ich natürlich durchaus sehe, ist, dass es in bestimmten Bereichen des Pflanzenschutzes ein Weniger

gibt. Aber – das müssen wir auch ehrlich sagen – es gibt auch eine deutliche Abhängigkeit, alles von demselben oder einem benachbarten Produzenten zu nehmen, weil Saatgut und Pflanzenschutz meistens im Pack gekauft werden. Das ist nichts Falsches, aber es macht abhängig. Gerade heute früh haben wir ja bei einem anderen Tagesordnungspunkt gesagt, dass wir wollen, dass Landwirte und Anwender entscheiden können, was sie tatsächlich wollen.

Wir bitten darum, dass man die Stellungnahme hier nicht zu deutlich übernimmt. Danach heißt „mehr beantragen“ „größere Sicherheit“. Das halte ich für falsch. Aus dem Gutachten des Robert-Koch-Instituts kann man sehr wohl lesen, dass noch nicht zu 100 % auszuschließen ist, dass bleibende, irreparable Schäden durchaus möglich sind.

Wir bitten die Landesregierung, sich auch ein kleines bisschen in Baden-Württemberg umzuhören, wer das eigentlich will. Das sind weit weniger als noch am 20. Mai vorigen Jahres.

Herr Umweltminister, Sie haben zu dem Antrag eine Stellungnahme abgegeben. Aber wir halten es für gut, wenn dieser Antrag heute nicht für erledigt erklärt wird, sondern zur weiteren Behandlung in den Ausschuss Ländlicher Raum und Landwirtschaft kommt, denn dahin gehört er. Unsere Leute sollten das anwenden oder noch besser nicht anwenden.

In diesem Sinne wollen wir keine Moratoriums-Lockerung, und Schwellenwerte müssen nicht nur festgelegt werden, sondern sie müssen auch nachweisbar sein. Auch das ist nicht ganz einfach. Inzwischen gibt es schon Spezialisten, die von einem grundsätzlichen, nicht verhinderbaren Kontaminationsverdacht reden, der ohnehin durch Windflug und Ähnliches entsteht. Das möchten wir nicht.

In diesem Sinne: Biotechnologie in Baden-Württemberg ja, aber keine grüne Gentechnik, und schon gar nicht auf unseren Äckern.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drautz.

(Abg. Walter GRÜNE: Die Hohenloher sind ja alle gegangen!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich knüpfen wir unmittelbar an die Debatte von heute Vormittag an. Der Antrag und die Stellungnahme der Landesregierung zeigen deutlich auf, in welchem Dilemma Frau Künast steckt. Sie hat eine Richtlinie zu erlassen.

(Abg. Walter GRÜNE: Das hast du heute Morgen schon vorgelesen! – Weitere Zurufe, u. a. Abg. Teßmer SPD: Herr Kollege, ist das die Rede von heute Vormittag?)

Nein, Herr Kollege.

(Abg. Walter GRÜNE: Gib die Rede doch zu Pro- tokoll!)

Aber Sie haben sich auch gegenüber heute Vormittag wiederholt, weil uns gar nichts anderes übrig bleibt, als heute Nachmittag dasselbe zu diskutieren wie heute Vormittag.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das kann man auch zwei- mal sagen! – Gegenruf des Abg. Fischer SPD: Mit dem Unterschied, dass jetzt ein anderes Publikum da ist!)

Meine Damen und Herren, die von der EU gesetzte Frist – Oktober 2002 – ist seit langem verstrichen. Auch daran sieht man, wie schwer sich die Bundesregierung tut. Auch hier zeigt sich, dass uns die Wahrheit längst eingeholt hat. Gentechnik ist nicht nur in der Humanmedizin eine Selbstverständlichkeit, sondern auch im Lebensmittelbereich eine Realität, der wir uns stellen müssen. Weitere Verzögerungen bei der Umsetzung von EU-Richtlinien helfen nicht. Es nützt nichts, wenn wir den Kopf in den Sand stecken und die Realitäten verkennen. Im Gegenteil, der Bundesgesetzgeber ist gehalten, endlich klare Regelungen für den Umgang mit Saat- und Erntegut zu schaffen.

(Abg. Walter GRÜNE: Das hat er doch getan!)

Weitere Untätigkeit führt nicht nur zu Sanktionen der EU, sondern verunsichert auch weiter unsere Verbraucher und Erzeuger. Wer die Sorgen der Verbraucher ernst nimmt, hat auch die Pflicht, den Verbraucher aufzuklären und unbegründete Ängste abzubauen. Dort, wo Technik Sinn macht, muss das auch gesagt werden, genauso wie wir darauf hinweisen müssen, wo die Risiken der Technik liegen. Hier muss eine klare Abwägung stattfinden. Es gilt aber auch, Nutzen und Risiken korrekt darzustellen und nicht einseitig zu bewerten und damit Ängste zu schüren. Dies muss auch verhindert werden.

Heute Vormittag wurde gesagt, selbst bundeseigene Institute wie das Robert-Koch-Institut oder das Institut für Risikobewertung weisen darauf hin, dass von der Gentechnik keine Gefahren für Mensch und Umwelt ausgehen. Frau Künast hat selber in der Bundestagsdebatte ausgesagt, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel keine gesundheitlichen Risiken in sich bergen.

Herr Walter, Sie sagen: „Keine Gentechnik!“ Ich sage Ja zur Gentechnik, wenn die Eigenschaften der Pflanzen unbedenklich sind,

(Abg. Teßmer SPD: Wer legt das fest?)

Eigenschaften übrigens, die die traditionelle Pflanzenzucht auch hervorbringen kann, nur eben langsam.

Die EU-Länder haben mit ihrer Entscheidung Vertrauen in die Gentechnik dokumentiert. Die Bundesregierung kann dies nicht ignorieren, ebenso wenig wie die Stellungnahme ihrer eigenen Fachbehörden.

Abschließend stelle ich fest: Wir können uns keinen weiteren Stillstand erlauben, auch deshalb nicht, weil in der Freisetzungsrichtlinie auch strengere Maßnahmen für das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen festgelegt werden müssen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Walter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hätte gerne einmal eine Antwort sowohl vom Kollegen Schebesta als auch vom Kollegen Drautz auf die Frage, welchen Nutzen die baden-württembergische Landwirtschaft eigentlich von dieser Risikotechnologie haben soll.

(Abg. Schebesta CDU: Umweltpolitisch habe ich das angesprochen!)

Wir haben doch heute Vormittag darüber gesprochen, dass es ein immenser Imageverlust für unsere Produkte wäre, wenn wir tatsächlich solche Produkte – ob Sie das jetzt „gentechnisch manipuliert“ oder „gentechnisch verändert“ nennen, ist eigentlich dasselbe –

(Abg. Schebesta CDU: Nein, nicht ganz! – Gegen- ruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Doch!)

auf den Markt brächten. Welchen Nutzen hätte die Landwirtschaft denn davon? Sie hat doch keinen Nutzen.

(Abg. Schebesta CDU: Auch umweltpolitisch nicht?)

Nein, auch umweltpolitisch nicht. Auch nicht, was die Strukturen angeht, oder in Bezug auf ihr Image. Es ist ein völlig falscher Zug, auf den wir versuchen aufzuspringen. Ich halte das für völlig abwegig, was Sie da behaupten, Herr Kollege Drautz. Ich habe es heute Vormittag schon gesagt und kann es nur wiederholen: Die Ängste – –

(Abg. Drautz FDP/DVP: Sie schüren Ängste!)

Wir schüren keine Ängste, sondern die Leute haben zu Recht Ängste, weil sie nicht wissen, welche Auswirkungen diese Risikotechnologie haben wird. Das müssen Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

(Zurufe der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE und Drautz FDP/DVP)