Herr Kollege Walter, stimmen Sie mir zu, dass es nicht korrekt ist, in Baden-Württemberg noch von Gentechnikfreiheit zu reden, und dass das auch gegenüber dem Verbraucher unkorrekt ist, wenn der Anbau solcher Pflanzen jetzt in Europa zugelassen ist und auch die Handelsfreiheit besteht?
Wir können höchstens davon reden, dass in Baden-Württemberg die zulässigen Grenzwerte eingehalten werden, aber wir können niemals mehr von Gentechnikfreiheit reden.
Da stimme ich Ihnen nur teilweise zu. Mir geht es ja darum – das wissen Sie, wenn Sie mir zugehört haben –, dass wir in Baden-Württemberg das entsprechende Saatgut einsetzen und dass wir selbst nichts dazu tun, dass es noch mehr Verunreinigungen gibt.
Deswegen brauchen wir für Saatgut und alle anderen Dinge niedrige Schwellenwerte. Dass wir es tatsächlich nicht mehr schaffen, das aus der Welt zu bringen, wenn es irgendwo in Europa angebaut wird, darüber sind wir uns doch alle einig. Es darf aber nicht sein, dass wir auch noch aktiv einen Beitrag dazu leisten. Darum geht es mir.
In der zweiten Runde werde ich noch darauf eingehen – das ist mir ganz wichtig, Herr Minister –, dass dann, wenn das ernst gemeint ist, was Sie uns geantwortet haben – davon gehe ich aus –, klar ist, dass es nicht morgens hü und mittags hott oder umgekehrt geht. Wenn beispielsweise in diesem BioLab weiterhin die Gentechnik einseitig hofiert wird und so getan wird, als ob es keine Risiken gäbe, und wenn in Ihrem Ministerium Studien der britischen Regierung einfach heruntergespielt werden – wie es in Ihrer Stellungnahme zu meinem Antrag geschehen ist – und Sie alles Negative über die Gentechnik herausstreichen und den einen positiven Aspekt, den man noch gefunden hat – der aber bald obsolet sein wird –, in den Mittelpunkt stellen, dann stelle ich mir die Frage, wie ernsthaft Ihr Ministerium das wirklich meint.
Wir sind uns doch einig, meine Damen und Herren: Die Gentechnik wäre aufgrund der Strukturen in Baden-Württemberg der Sargnagel für unsere Landwirtschaft.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die grüne Gentechnik birgt, wie jede neue oder verstärkt in Anwendung kommende Technik, Risiken und Chancen in sich. Für die einen birgt der Anbau gentechnisch verbesserter Pflanzen Risiken. Immer mehr sehen jedoch große Chancen, mit gentechnisch veränderten Orga
weil resistente und besser wachsende Pflanzen weniger Pflanzenschutzmittel benötigen. Das bedeutet konkret mehr Bodenschutz.
Im Rahmen dieser öffentlich ablaufenden Diskussion müssen wir uns positionieren und den Betroffenen – in erster Linie unseren Landwirten – verantwortbare Rahmenbedingungen für den Umgang mit der grünen Gentechnik geben.
Aus den Fehlern der Vergangenheit bei der Anwendung der Gentechnik Anfang der Achtzigerjahre sollten wir gelernt haben. Damals haben sich zu viele in unserem Land gegen die Gentechnik gewehrt, obwohl – um nur ein konkretes Beispiel zu nennen – im Medizinforschungsbereich mithilfe der Gentechnik unermessliche Fortschritte zum Wohle vieler Patientinnen und Patienten erzielt werden konnten, auf die wir heute überhaupt nicht mehr verzichten wollen und können.
Schon heute werden 80 Medikamentensorten weltweit mithilfe der Gentechnik hergestellt, davon allerdings nur drei in Deutschland. Das hängt damit zusammen, dass wir diese Entwicklung zum Zeitpunkt ihres Beginns teilweise verschlafen haben.
Und haargenau diesen gleichen Fehler, Herr Kollege Walter, machen Sie heute mit Ihren Ausführungen oder beispielsweise auch mit dem Antrag Drucksache 13/2723, den wir in der letzten Woche im Landwirtschaftsausschuss beraten haben. Sie haben darin die Landesregierung aufgefordert, „zukünftig auf die Förderung der Erforschung gentechnisch veränderter Mikroorganismen in Baden-Württemberg zu verzichten“. Das heißt: Sie fordern ein Forschungsverbot für die grüne Gentechnik. Das wirft uns zurück und bringt uns in eine Sackgasse, aus der wir uns in den vergangenen Jahren erst mühsam wieder herausgearbeitet hatten.
Meine Damen und Herren, entscheidend sind die Rahmenbedingungen. Die EU-Kommission hat am 23. Juli 2003 Leitlinien für die Erarbeitung geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen verabschiedet. Der Kernansatz dabei ist: Keine Form der Landwirtschaft – ob konventionelle, ökologische oder GVO-gestützte Produktionssysteme – sollte in der EU ausgeschlossen sein.
Auch die Bundesregierung bezweckt laut § 1 ihres Entwurfs zur Änderung des Gentechnikgesetzes, dass sowohl mit gentechnisch unveränderten als auch mit gentechnisch veränderten Anbauformen Lebens- und Futtermittel erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können. Aber das ist nur der Wortlaut. In der konkreten Ausgestaltung des Ge
setzentwurfs werden die Landwirte völlig allein gelassen. Landwirte, die die Gentechnik einsetzen, werden zu Schadenersatzansprüchen herangezogen, und zwar auch dann, wenn sie die gesetzlichen Vorschriften penibel beachten und ihr berufliches Wissen voll einsetzen. Selbst dann gibt es keine Möglichkeit der Haftungsbefreiung. Auf diese Weise haben die Landwirte in unserem Land keine oder zumindest kaum eine Chance, die grüne Gentechnik anzuwenden.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ja, darum geht es, Herr Kollege! Das haben Sie nicht begriffen! Das ist gerade das Ziel dieser Regelung!)
Meine Damen und Herren, Ministerin Renate Künast sorgt mit ihrem Gesetzentwurf auch in diesem Bereich wieder einmal zuverlässig dafür, dass die deutschen Landwirte die schlechtesten Bedingungen in Europa bekommen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Widerspruch bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Die wollen doch gar keine Gentechnik haben, die wollen einen Schutz dage- gen haben! – Abg. Heike Dederer GRÜNE: Keine Ahnung!)
Es ist und war in diesem Fall auch ein Fehler, dass die EU keine gemeinsame Regelung im Interesse einer Wettbewerbsgleichheit gefunden hat.
Wenn es etwas gibt, bei dem es Sinn machen würde, es auf europäischer Ebene zu regeln, dann wäre das die Wettbewerbsgleichheit für unsere Landwirte.
(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Die Leute wollen gar keine Gentechnik! Sagen Sie doch dazu einmal etwas! – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)
Meine Damen und Herren, die Haftungsfrage ist der eine Grund, weshalb wir für freiwillige Zusammenschlüsse von Landwirten für Zonen, in denen ohne Einsatz von Gentechnik angebaut werden soll, auch wenn dies auf Dauer wohl wenig realistisch ist, Verständnis haben. Der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband geht mit einer Begrenzung dieser Aktion zunächst bis zum Ende 2004 und einer freiwilligen Basis auch äußerst pragmatisch vor.
(Abg. Alfred Winkler SPD: Herr Schüle! – Abg. Alfred Winkler SPD hält einen Zeitungsartikel in die Höhe.)
Es gibt einen zweiten Grund dafür, weshalb es auch Sinn machen könnte, dass das Land solche Initiativen positiv begleitet. Denn unsere Landwirte müssen auch das Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher, die am Ende entscheiden, ob sie gentechnisch veränderte Produkte kaufen, berücksichtigen. Hier besteht Zurückhaltung und Verunsicherung, zu deren Entstehung Sie Ihren Teil beitragen. Es werden Gefahren heraufbeschworen, die es gar nicht gibt. Die rot-grüne Bundesregierung selbst und das RobertKoch-Institut in Berlin haben klar und eindeutig ausgesagt, dass von gentechnisch verbesserten Pflanzen weder für die
Umwelt noch für die Gesundheit Gefahren ausgehen. Ergebnis einer gezielt fortgesetzten Verunsicherung würde sein, dass wir Massenimporte aus Übersee oder aus anderen europäischen Ländern bekämen und dass unsere Landwirte dadurch das Nachsehen hätten. Diese Ungerechtigkeit dürfen wir nicht zulassen.
Fazit: Nicht die Verhinderung einer echten Koexistenz, sondern eine berechenbare Ausgestaltung dieses Miteinanders verschiedener Produktionsarten
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das weiß doch kein Mensch, wie das geht! Jetzt sagen Sie einmal, wie das gehen soll!)
im Interesse unserer Landwirte sollte im Vordergrund stehen. Sie sollten daher keine Ängste schüren, sondern mithelfen, eine konstruktive Lösung für unsere Landwirte in unserem Land zu erarbeiten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es könnte so schön sein auf dieser Welt, wenn die Botschaft lautete: Bei der Einführung der Gentechnik, diesem Quantensprung in der Pflanzentechnologie, teilen wir schön auf in diejenigen, die sich Gewinne erhoffen, nämlich die Weltkonzerne, die produzieren und verkaufen, mit Patenten und sogar noch dem Zwang,
dass die Spritzmittel aus der eigenen Firma kommen – wie der linke Schuh zum rechten –, und andererseits in die Verbraucher und die Gesellschaft, die die Haftung übernimmt oder für das Risiko aufkommt, das dabei entsteht. Diese Botschaft kann so nicht lauten. Sie muss hier und heute anders lauten.
Die Zulassungsverordnung zu GVO verlangt das Inverkehrbringen – keine Einschränkung, kein Verbieten –, und sie lässt die Haftungsfrage sehr weit offen. GVO und gentechnisch veränderte Lebensmittel zusammen mit dem Begriff der Koexistenz: Meine Damen und Herren, schon die Terminologie „gentechnisch“ ist falsch. Denn es geht nicht mehr um die Technik der Genveränderung, sondern vielmehr um die Applikation, um die Anwendung der bereits veränderten Pflanzen auf breiter Basis in unserer Landschaft.
Bei dem Begriff Koexistenz geht es um eine bewusste völlige Irreführung. Herr Minister, Sie sind ein Anhänger der Koexistenz und wollen gentechnikfreie Flächen.