Protokoll der Sitzung vom 31.03.2004

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Alfred Haas: Weil Sie sie angestachelt haben! – Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Stickelberger, das ist mir bekannt. Ich füge hinzu – Sie werden das sicherlich einräumen –: Sehr viele davon waren von der CDU, es gab aber auch andere.

Für mich ist das ein weiterer Beleg dafür, dass wir uns in Deutschland auch mit überfälligen Reformen leider Gottes sehr schwer tun. Das gilt auch für die Bundesregierung, die damit ebenfalls ihre Schwierigkeiten hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das ist doch bei diesem Punkt die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Nun, meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit der Polizeipostenreform vielleicht noch ein Wort an den Kollegen Oelmayer. Ich will nicht nur, wie Kollege Blenke es mit Recht getan hat, auf die Verfassung replizieren, darf aber doch noch auf eines hinweisen: Das Thema Polizeipostenreform wurde nach meiner Kenntnis mindestens zweimal im Innenausschuss behandelt. Der Innenausschuss – das werden Sie, glaube ich, nicht in Abrede stellen – ist ein Teil des Landtags von Baden-Württemberg. Insofern kann ich Ihren Vorwurf zur Verfahrensweise nicht nachvollziehen.

Im Gegenteil, der vorhin von mir mit Dankbarkeit erwähnte Staatssekretär Rech hat meines Erachtens in den letzten Wochen und Monaten in Überzeugungsgesprächen mit Landtagskolleginnen und -kollegen und mit den erwähnten Bürgermeistern eine Sisyphusarbeit geleistet.

(Abg. Stickelberger SPD: Er hat eben nicht über- zeugt!)

Deshalb war das Verfahren absolut in Ordnung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Oelmayer GRÜNE: Da klatschen ja die eigenen Leute nicht, Herr Minister! – Abg. Capezzuto SPD: Was ist los? Wo ist das Problem?)

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, einige Sätze zum Antiterrorprogramm sagen. Dieses Programm ist damals auf Vorschlag des Innenministeriums von den Fraktionen, die die Regierung tragen, beschlossen worden. Sie haben dankenswerterweise – was hätten Sie auch anderes tun sollen? – zugestimmt.

(Lachen bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Was hätten sie auch anderes tun sollen? Ablehnen?)

Natürlich! So einfach liegen die Dinge. Es tut mir Leid, dass ich Ihnen das nicht immer ganz ersparen kann.

Natürlich habe ich darauf hingewiesen, in welcher finanziell schwierigen Zeit wir uns befinden. Ich wiederhole – ich

(Minister Dr. Schäuble)

glaube, das müsste eigentlich die Unterstützung des gesamten hohen Hauses finden –, dass ich meine Aufgabe als Ressortminister so verstehe, dass ich immer auch das Ganze sehen muss und nicht nur das sehen darf, was die, die sich selbst als Klientel oder Lobby fühlen, von mir erwarten. Das muss immer im finanziellen Rahmen sein.

Aber die Gespräche mit dem Finanzminister werden nicht nur wegen Madrid aufgenommen – das ist psychologisch sicherlich eine Unterstützung; das ist gar keine Frage; so ist es nun einmal in der Politik –, sondern vor allem aus einem anderen Grund. Über das, was wir zunächst einmal vorhatten, haben wir auch Gespräche mit dem Finanzministerium geführt. Dies geschah übrigens auch zum Thema Sachmittelausstattung, zu dem der Finanzminister gesagt hat, dass bei Ermittlungskosten oder bei Mehrarbeitsvergütungen dann, wenn es nicht mehr anders geht, aus dem Gesamthaushalt geholfen werden muss. Das ist ja ganz klar. Wir können ja nicht an den Ermittlungen sparen. Aber was die personelle Seite angeht, hatten wir – irgendjemand hat es vorhin in der Diskussion erwähnt – zunächst einmal den Versuch unternommen, diese Stellen der Spezialisten – etwa im Landeskriminalamt, aber auch im Landesamt für Verfassungsschutz – von den Einsparungen auszunehmen, indem der Stellenabbau – und zwar auch mit nicht gleichwertigen Stellen – auf anderen Gebieten erbracht werden sollte.

Dies erweist sich, wie wir inzwischen wissen, aus praktischen Gründen als sehr schwierig, sodass auf dieser neuen Geschäftsgrundlage erneut mit dem Finanzministerium gesprochen werden muss. Sie können von Folgendem ausgehen: So, wie wir bisher im Rahmen des finanziell Denkbaren das Menschenmögliche für die innere Sicherheit in Baden-Württemberg getan haben – und im bundesweiten Vergleich stehen wir auch gut da; ich verzichte jetzt auf das übliche Selbstlob, aber wir stehen bundesweit wirklich gut da –,

(Abg. Blenke CDU: Das ist eine Tatsache!)

werden wir auch bei dieser sich jetzt ergebenden neuen Herausforderung in Bezug auf das Antiterrorsofortprogramm eine gute und angemessene Lösung mit dem Finanzministerium finden, die auch finanziell verkraftbar sein muss. Darum geht es, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Diese Lösung wird dann auch die Einstellungszahlen beinhalten. Ich muss darauf hinweisen: Wir liegen im Jahr 2004 bei 150. Wir denken, dass wir diese Einstellungszahl in angemessener, aber finanziell verkraftbarer Weise auch im kommenden Doppelhaushalt 2005/2006 der gewachsenen Lage entsprechend anpassen sollten. Auch das, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird mit dem Finanzministerium einer adäquaten, angemessenen Lösung zugeführt werden.

Ich will deshalb einfach zum Schluss sagen, meine Damen und Herren auch von der Opposition – hier meine ich weniger die Grünen als die SPD, und zwar die Landtags-SPD und nicht die Kollegen im Bund oder in den anderen Ländern –: Stellen Sie sich den Herausforderungen dieser Zeit! Gehen Sie davon aus, dass es fast die Quadratur des Kreises bedeutet, in finanziell so schwierigen Zeiten die innere Si

cherheit zu gewährleisten. Dass auch wir vor einem Anschlag nicht sicher sein können, ist Konsens. Deshalb ist auch die Aufgabe entsprechend riesengroß, wenn ich daran denke, wie gering die Mittel sind, die uns allen in Bund und Ländern zur Verfügung stehen. Aber ich sage auch: Wir werden im Rahmen unserer Möglichkeiten alles tun, auch in diesen finanziell schwierigen Zeiten die Sicherheit unserer Bevölkerung zu gewährleisten. Wahr ist, was der Kollege Oelmayer sagt – das muss man auch ganz offen ansprechen –: Einen Anspruch auf oder eine Gewähr für vollständigen Schutz wird es nie geben, solange es Menschen auf dieser Welt gibt. Aber ich sage auch, und das an die Adresse der Landtags-SPD: Dieses Thema taugt nicht für proletenhafte Polemik.

Danke schön.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU – Bei- fall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drexler.

(Zuruf von der CDU: Wo bleibt der Fischer?)

Herr Minister, wenn Sie schon die Presseerklärung der SPD-Fraktion lesen, dann lesen Sie diese bitte richtig. Wir haben die Polizeiposten überhaupt nicht einbezogen. Wir haben genau 1 667 Stellen bei der Polizei, die gestrichen werden, davon 752 im Nichtvollzugsdienst. Das sind Ihre Zahlen in der Mitteilung an die SPD-Landtagsfraktion. Im Übrigen müssen diese Stellen im Nichtvollzugsdienst danach von Polizeibeamten versehen werden. Da werden später Polizeibeamte abgezogen, die dann nicht auf der Straße Dienst tun können. Ich verstehe gar nicht, warum Sie diese Zahlen anzweifeln. Sie stammen vom Ministerium.

(Abg. Teßmer SPD: Aha! – Zurufe von der CDU)

Ich komme noch darauf. – Ich will Ihnen einmal etwas erklären. Beim Nichtvollzugsdienst haben Sie ja auch Bedenken. Jetzt kommen Sie mit Ihren Bedenken. Als das Thema im Finanzausschuss behandelt wurde, war kein Wort von Ihren Bedenken zu hören, um das einmal deutlich zu sagen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu kommen noch angekündigte, der Höhe nach noch nicht bezifferte Stellenstreichungen im Zuge der Verbesserung der Informationstechnik der Polizei. Die haben wir noch gar nicht eingerechnet. Die kommen aber noch dazu.

Jetzt hat der Herr Innenminister gesagt, dass bis zum Jahr 2009 2 087 Polizeibeamte aus dem Dienst ausscheiden werden. In diesem Jahr wurden gerade einmal 79 Polizeianwärter eingestellt,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Aha! – Abg. Fischer SPD: Im März!)

eingestellt im März, Herr Minister. Letztes Jahr waren es 610, vorletztes Jahr 740.

(Zurufe von der CDU)

Da müssen Sie uns eben Auskunft geben. Wenn Sie das Ausscheiden von Polizeibeamten auffangen wollen, müssen

Sie im Schnitt über 400 Polizeianwärter einstellen. Wenn Sie das nicht machen, ist das ein Abbau.

(Beifall bei der SPD)

Nichts anderes hat der Kollege Fischer gesagt. Reden Sie doch nicht darum herum.

Viel schlimmer ist natürlich, dass derjenige, der mit dem Polizeiabbauprogramm die Zahl der Tarifangestellten nicht senkt, Herr Blenke, sogar 41 000 € weniger an Sachmitteln hat, weil er das abgezogen bekommt, wenn er die Zahl der Tarifangestellten beibehält. Lesen Sie doch einmal Ihre eigenen Beschlüsse durch. Das ist ein Skandal. Da können Sie nachher nicht mehr fotokopieren, weil Sie noch eine Tarifangestellte haben. Das Fotokopierpapier reicht ohnehin bei vielen Polizeidienststellen nicht. Schauen Sie doch einmal Ihre eigenen Beschlüsse an, bevor Sie sich hier hinstellen.

Übrigens: Von der FDP/DVP und Ihnen kam kein Wort zum Antiterrorprogramm. Das ist eine schöne Situation.

(Abg. Teßmer SPD: Kein Wort! Das ist bezeich- nend!)

Kein Wort haben Sie dazu gesagt. Wollen Sie es rückgängig machen? Nein, Sie haben gar nichts dazu gesagt, obwohl das zur Personalentwicklung der Polizei gehört.

Jetzt noch etwas. Natürlich haben wir nie zusätzliche Stellen für die Polizei gefordert.

(Abg. Fischer SPD: So ist es!)

Aber Bildung und Polizei sind zwei grundsätzliche Aufgaben, die in die Länderzuständigkeit fallen. Das sind für uns wichtige Aufgaben. Deswegen wollen wir diese Bereiche von Kürzungen ausnehmen, und zwar, was die Polizei betrifft, wegen der Sicherheitsproblematik. Darauf setzen wir den Schwerpunkt.

Im Übrigen, Herr Minister, um einmal über das Geld zu reden: Streichen Sie doch einfach einmal Ihre Kampagne „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“, für die Sie 7 Millionen € im Jahr ausgeben; dann haben wir Geld für das Antiterrorprogramm.

(Beifall bei der SPD – Oh-Rufe von der CDU)

Ja, darum geht es. Dafür wird Geld ausgegeben, aber für das Antiterrorprogramm nicht. Hören Sie auf mit der Behauptung, Sie hätten kein Geld.