(Abg. Seimetz CDU: Oh! Ihr seid doch noch für ei- ne Überraschung gut! – Heiterkeit – Abg. Pfister FDP/DVP zu Abg. Zeller SPD: Der meinte ja dich! Aber du redest ja gar nicht!)
Für meine Rede brauche ich Zeit. Ich appelliere schon jetzt an Sie, Frau Präsidentin, ein klein wenig großzügig zu sein.
Wir bekennen uns ausdrücklich zu mehr Autonomie der Schulen, zu einem Lernen, das von Problemstellungen ausgeht, statt zerstückelte Stoffhäppchen zu verabreichen,
und Einstellungen, Kenntnisse und Fähigkeiten anstrebt, wie sie Hartmut von Hentig in der „Einführung in den Bildungsplan 2004“ formuliert hat.
Wir wollen auch eine stärkere Outputorientierung, ohne dabei Input und Prozess zu vernachlässigen. Wenn ich mir aber nun anschaue, was gegenwärtig an den Schulen abläuft, verdichtet sich bei mir der Eindruck, dass alter Wein in neue Schläuche gegossen wird.
Meine Damen und Herren, die neue Begrifflichkeit hat die Schulen zwar erreicht – man spricht von Kerncurriculum und Schulcurriculum, vom Paradigmenwechsel weg von der bisherigen Input- zur zukünftigen Outputorientierung, von Niveaukonkretisierungen und, und, und –,
Selbst die Autoren der Bildungsstandards und – das behaupte ich – auch das Kultusministerium wären in Verlegenheit zu bringen, befragte man sie beispielsweise zum Unterschied zwischen Kerncurriculum und Bildungsstandards.
Sie können es ja nachher ausprobieren. Die Rückmeldungen aus den Schulen ergeben, dass zahlreiche grundlegende Fragen noch nicht geklärt sind und man aus Sicherheitsgründen dabei ist, in gutwilliger Manier die noch bestehenden Lehrpläne unter häufiger Verwendung des Wortes „Kompetenzen“ umzuschreiben.
Die Begrifflichkeit ist also keineswegs klar. Ich möchte hier einmal zitieren, was der VBE, der uns keineswegs immer
Nicht nur die Lehrkräfte, auch die Eltern werden mit einer Flut „akademisch angehauchter Worthülsen“ überschüttet, die Fortschritt vorgaukelten, in Wirklichkeit jedoch nur Tünche für ein instabil gewordenes System seien...
Ob Paradigmenwechsel, Bildungsstandards, Evaluationselemente oder Input-Output-Steuerung, ob Kompetenzen, Kontingentstundentafel oder Kerncurriculum, das neue Bildungszeitalter breche mit scheinbar griffigen Begriffen an, die aber alle erst noch „mit Leben“ gefüllt werden müssen, damit die Reform nicht wie bei „des Kaisers neue Kleider“ ende...
Meine Damen und Herren, der vorgegebene Zeitplan verhindert leider die doch dringend notwendige Neuorientierung unseres Bildungswesens. Wir befürchten, dass die mangelnde Klärung der Reformziele zu Standards führt, die keinen Lehrer und keinen Schüler besser machen. Die einseitige Verlagerung auf den Output verschärft wegen der zu befürchtenden zunehmenden Testeritis den Selektionsdruck bis in die Grundschule hinein und wird den Frust und die Ratlosigkeit aller am Schulleben Beteiligten noch erhöhen.
Es besteht vor allem Klärungsbedarf bei der Funktionalität von Bildungsstandards. Zum Beispiel ist doch noch gar nicht geklärt, ob wir das Marktmodell nach angelsächsischem Vorbild, ob wir Bildungsstandards als Selektionsinstrument wollen oder ob wir schulartübergreifende vergleichbare nationale, wenn nicht gar europäische Standards wollen, die die Qualitätskonzepte nach skandinavischem Vorbild auf die individuelle Förderung konzentrieren. Ich darf dabei an die Erkenntnisse erinnern, die der Schulausschuss in Finnland gewonnen hat.
Meine Damen und Herren, ohne ausreichende Klärung der Grundlagen ist das Reformprojekt zum Scheitern verurteilt. Lassen Sie mich unser Unbehagen mit einigen Thesen umschreiben:
(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Lasotta CDU: Was haben denn Sie für einen Termin? – Zuruf des Abg. Hauk CDU)
Das System der Qualitätssicherung bei Daimler-Chrysler beispielsweise brauchte zehn Jahre, bis es funktionierte.
Zweitens: Dicke Bildungspläne sind eher Beweis für Gängelung denn für Autonomie der Schulen. Gegenbeispiele finden Sie in den Niederlanden und in Australien.
Drittens: Qualitätssicherung erfordert ein hohes Maß an echter Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Schulen.