Protokoll der Sitzung vom 18.07.2001

(Beifall der Abg. Drautz und Dr. Noll FDP/DVP)

Man darf auch einmal loben, damit habe ich kein Problem.

Bemüht wirkt es allerdings, wenn beispielsweise bei der Mittelstandsförderung einfach alter Wein in neue Schläuche gegossen wird, Stichwort Qualifizierung.

An anderer Stelle – das muss man hier einfach feststellen – haben Sie schlichtweg falsche Prioritäten gesetzt. Da wird auf Teufel komm raus in Forschung investiert. Wir haben nichts gegen Forschung, aber in vielen Bereichen, wie zum Beispiel bei den nachwachsenden Rohstoffen, ist jetzt Umsetzung statt Forschung angesagt. Mit Ihrem Konstruktionsgebilde der Landesstiftung können Sie aber keine Markteinführungen finanzieren.

Das ist, meine Damen und Herren, das Problem bei den Projekten der Zukunftsoffensive. Hieran sieht man die Schwierigkeiten, die diese von der Landesregierung gewählte Konstruktion mit sich bringt. Ist zum Beispiel die Förderung von Sportanlagen gemeinnützig, oder ist das nicht vielmehr eine staatliche Aufgabe, ebenso wie der Hochschulausbau? Meine Damen und Herren, nach unserer Meinung gehört das alles in den normalen Haushalt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie begeben sich hier wissentlich auf dünnes Eis, und wir sind ernsthaft in großer Sorge, dass Sie und mit Ihnen der gesamte Landeshaushalt an dieser Stelle einbrechen.

Dieser Nachtragshaushalt setzt in vielen Bereichen falsche Schwerpunkte und ist auch weit davon entfernt, ein Signal für den Schuldenabbau zu setzen. Wir fordern Sie auf: Machen Sie endlich Ernst mit der Konsolidierung des Haushalts. Dann haben Sie die grüne Fraktion an Ihrer Seite.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich gehe davon aus, dass der Zweite Nachtrag an den Finanzausschuss zu überweisen ist. – Dem wird nicht widersprochen. Es ist so beschlossen.

Punkt 1 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Gefährdung des Interregioverkehrs in Baden-Württemberg durch die Bundesregierung – beantragt von der Fraktion der CDU

Das Präsidium hat die üblichen Redezeiten festgelegt: 50 Minuten Gesamtredezeit ohne Anrechnung der Redezeit der Regierung, fünf Minuten für die Redner der ersten Runde und ebenfalls fünf Minuten für die Redner der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schebesta.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Vor einem Dreivierteljahr hat der Landtag von Baden-Württemberg schon einmal über die Zukunft des Interregioverkehrs diskutiert. Damals standen Streichungen der Deutschen Bahn im Interregioverkehr im Raum. Es ist der Landesregierung gelungen, große Teile der Streichungen, die für die erste Tranche vorgesehen waren, durch Ersatzverkehre oder durch Beibehaltung des bisherigen Interregioverkehrs aufzufangen.

Eine zweite Tranche, die zum nächsten Fahrplanwechsel Ende 2002 erfolgen sollte, scheint vom Tisch zu sein, wenn man den Aussagen von Bahnchef Mehdorn und dem Konzernbevollmächtigten Dr. Schnell glauben darf.

Aber die Beibehaltung der Interregioverkehre in der ersten Tranche ist auf eine Vereinbarung zurückzuführen, die bis Ende 2002 läuft. Damit bleibt es bei einer Gefährdung des Verkehrs auf diesen Strecken.

Wirtschaftliche Überlegungen der Deutschen Bahn können wir nicht beurteilen; die Zahlen dazu sind nicht offen gelegt. Wir können aber eine politische Verantwortung zuweisen: Die politische Verantwortung für die nach wie vor bestehende Gefährdung des Zugverkehrs auf diesen Fernverbindungen trägt die rot-grüne Bundesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Denn der Interregio ist Fernverkehr. Darüber bestand Einigkeit zwischen Bund und Ländern, als die Regionalisierung der Bahn im Nahverkehr durchgeführt wurde. Nicht nur jeder Zug mit einem C im Kürzel ist Fernverkehr, nicht nur jeder Zug, der schwarze Zahlen schreibt, ist Fernverkehr. Nein, jeder Verkehr, bei dem die Mehrzahl der Fahrgäste mehr als 50 Kilometer oder länger als eine Stunde

unterwegs ist, wurde dem Fernverkehr zugeschlagen – und damit auch der Interregio auf diesen Strecken.

(Zuruf des Abg. Göschel SPD)

Für den Fernverkehr trägt nach dem Grundgesetz der Bund und damit die Bundesregierung die Verantwortung.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Wenn es so einfach wäre!)

Der Bund ist Alleineigentümer der Deutschen Bahn AG. Damit hat er die Möglichkeit, die Grundsätze der Geschäftspolitik mitzubestimmen.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das ist wahr!)

Wenn sich die Interregioverbindungen als Fernverkehr für die Deutsche Bahn AG betriebswirtschaftlich nicht rechnen, muss der Bund über die Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel seiner Verantwortung gerecht werden. Deshalb kann der Bundesverkehrsminister, kann der Bundeskanzler nicht den Eindruck erwecken, als habe er damit nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Darüber bestand im Landtag in der vergangenen Legislaturperiode auch Einigkeit. Deshalb wurde ein einstimmiger Beschluss gefasst – Herr Präsident, daraus zitiere ich –:

Der Landtag protestiert gegen die Pläne der DB AG, Teile des Schienenpersonenfernverkehrs durch Schienenpersonennahverkehr zu ersetzen und durch die Länder zu finanzieren.

Der Landtag stellt fest, dass der Bund nach Artikel 87 e Abs. 4 GG die Verantwortung für den Schienenpersonenfernverkehr trägt, d. h., er hat ein den Verkehrsbedürfnissen und dem Gemeinwohl entsprechendes Verkehrsangebot zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren, für uns besteht die Grundlage für diesen Beschluss nach wie vor.

Wenn es der Bund nicht auf die Reihe bekommt, Schienenverkehr zu organisieren – das Land Baden-Württemberg kann es, und das haben wir beim Nahverkehr bewiesen. Aber die Verantwortung für diesen Verkehr wird der Bund nicht los,

(Zuruf des Abg. Göschel SPD)

ohne dass er die Mittel dazu auf die Länder überträgt. Warum sollen wir bis dahin einen Verkehr ausschreiben, für den wir nicht die Verantwortung tragen und bei dem wir für die Erfüllung dieser Aufgabe das Geld von dem, der dafür die Verpflichtung trägt, nicht bekommen? Das würde Ihnen so passen. Es zeigt sich auch an anderer Stelle, dass der Bund etwas verbricht und das Land dafür ohne weiteres geradestehen soll.

Die Regionalisierungsmittel sind für den Nahverkehr und damit nicht für diese Verbindungen. Wir brauchen ein attraktives Fernverkehrsangebot der Bahn, wir brauchen eine Bundesregierung, die dafür sorgt. Wir brauchen die bisherigen Interregiostrecken als durchgehende Verbindungen

von und nach Stuttgart, Karlsruhe oder Mannheim und in die Ballungszentren über unser Land hinaus. Wir brauchen die Interregioverkehre als Bestandteil des Integralen Taktfahrplans, der auf dem Wechsel von Nah- und Fernverkehr zu einem Ein-Stunden-Takt aufbaut. Deshalb muss die Bundesregierung dafür sorgen, dass Fernverkehr auf diesen Strecken auch nach dem Jahr 2002 stattfindet.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Pfister FDP/ DVP – Abg. Alfred Haas CDU: Im Protokoll steht jetzt: „Gute Jungfernrede“!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Göschel.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte läuft zwar unter der Überschrift „Aktuelle Debatte“, aber ob sie aktuell ist oder nicht, mögen Sie selbst beurteilen. Wir haben vor einem Dreivierteljahr – Ihr Kollege Schebesta hat darauf hingewiesen – über dieses Thema debattiert. Seitdem hat sich nichts Wesentliches verändert.

(Zurufe von der CDU)

Aktuell ist vielleicht, dass die CDU-Fraktion den sachkundigen Beitrag des Kollegen Scheuermann durch den mehr polemischen Beitrag des Kollegen Schebesta ersetzt hat.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Dr. Salomon GRÜ- NE: Das stimmt! – Zurufe von der CDU)

Aber das ist das Einzige. Vielleicht ist auch ein bisschen aktuell, dass der Ministerpräsident und der Staatssekretär im Ministerium für Umwelt und Verkehr vor kurzem eine Pressekonferenz abgehalten haben, bei der sie ihre Erfolgsbilanz zu diesem Thema verkündet haben. Ich darf aus dem „Staatsanzeiger“ zitieren – aber das ist wortgleich mit der Pressemitteilung des Staatsministeriums –:

Den ursprünglichen Plänen der Deutschen Bahn (DB), den Interregioverkehr in Baden-Württemberg drastisch auszudünnen, konnte Baden-Württemberg vorläufig mit Erfolg begegnen. Dies erklärten Ministerpräsident Erwin Teufel und Staatssekretär Stefan Mappus (CDU) in Stuttgart. Die Deutsche Bahn AG fahre auf nahezu allen bisherigen Interregiostrecken die Verbindungen zu gleichen Fahrplanzeiten, gleichen Taktfolgen und teilweise sogar mit zusätzlichen Haltepunkten weiter. Dem Land sei es auch gelungen, diese Leistungen für die Reisenden kostenneutral zu erhalten.

(Abg. Alfred Haas CDU: Gute Landesregierung!)

„Wir werden auch in Zukunft nicht zulassen, dass sich der Bund oder die Deutsche Bahn aus der Verantwortung stehlen“, sagte der Regierungschef.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Wenn man das liest, muss man sagen: Alles Müller – oder was? Ich weiß nicht, warum Sie jetzt eine Aktuelle Debatte beantragt haben. Offenkundig ist eben doch nicht alles in Ordnung.

(Abg. Alfred Haas CDU: Bei d e m Kanzler!)