Protokoll der Sitzung vom 01.07.2004

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Wer macht denn die Telekommunikationspolitik in diesem Land? Das macht doch Berlin!)

In Schweden ist das bereits Alltag, Frau Kollegin, während es hier von der Landesregierung überhaupt noch nicht in den Blick genommen wird.

(Beifall bei der SPD)

Wo sind Ihre Ziele, Ihre Perspektiven und Strategien, Baden-Württemberg zu einem modernen Medienstandort zu machen? Die Frage ist nicht, wie viele Kongresse, Gesprächskreise und Schulungen organisiert werden, sondern wie dieses Land flächendeckend zu einer modernen Infrastruktur kommt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Birzele SPD: Sehr richtig!)

Die Landesregierung hat sich überraschen lassen vom Kabelverkauf

(Abg. Sakellariou SPD: So ist es!)

von Kabel BW an Kabel Deutschland, anstatt vorausschauend zum Beispiel mit anderen Bundesländern und vielleicht mithilfe eines Bankenkonsortiums Einfluss auf den Ausbau des Breitbandkabelnetzes in Baden-Württemberg zu nehmen.

(Abg. Birzele SPD: Sehr richtig! – Abg. Hauk CDU: Frau Kipfer!)

Die Folge ist, Herr Kollege Hauk, dass wir künftig beim Ausbau des Kabelnetzes von München aus ferngesteuert werden.

(Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: Oi, oi, oi! – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Es droht nicht nur ein Digital Divide in der Bevölkerung, sondern es droht zwischenzeitlich auch ein Digital Divide zwischen Ballungsräumen und ländlichen Regionen.

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Wenn Sie nämlich mit Bürgermeistern aus den ländlichen Regionen sprechen,

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Wer ist denn der Ei- gentümer der Telekom? Wer? Der Bund!)

dann vernehmen Sie, dass diese gerne einen besseren Anschluss hätten, um ihren Wirtschaftsstandort zu stärken und damit sich Unternehmen ansiedeln, die Kabelinfrastruktur nutzen wollen. Die ländlichen Regionen wären bereits froh, wenn sie überhaupt am digitalen Netz angeschlossen wären oder selber Netze übernehmen könnten und wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür eingerichtet wären, zum Beispiel durch eine Novellierung des Kommunalabgabengesetzes.

Der vierte Punkt: E-Government findet ebenfalls nicht statt. Es ist bezeichnend, dass bei „Deutschland-Online“, der Plattform von Bund und Ländern zum Thema E-Government, Baden-Württemberg gar nicht vorkommt.

(Zuruf von der SPD: Was?)

Anstatt die Entwicklung kompatibler Systeme im Konzert der Länder mitzugestalten, blockieren Sie eigenbrötlerisch und stellen sich damit ins bundesweite und europäische Abseits.

Da lohnt sich ein Vergleich mit Nordrhein-Westfalen, wo die Einrichtungen der Landesverwaltung zu 99 % angeschlossen sind – davon ist Baden-Württemberg noch weit entfernt –,...

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, darf ich Sie bitten, zum Ende zu kommen. Ihre Redezeit ist überschritten.

... oder ein Blick nach Hessen – ich bin gleich am Ende meiner Ausführungen –, wo eigens ein Koordinator im Range eines Staatssekretärs für die

E-Government-Politik eingestellt wurde. Das sind wichtige und richtige Strategien und Akzente, um Medienpolitik erfolgreich zu gestalten. Demgegenüber finden wir hier in Baden-Württemberg einen Flickenteppich vor.

Ich bin für die zweite Runde gespannt, wie Minister Palmer dies alles darstellen will.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Theurer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer fünfminütigen Rede ist es nicht möglich, alle Aspekte des Medien- und Informationstechnologiestandorts Baden-Württemberg ausreichend zu würdigen. Wie Kollegin Gräßle bereits ausgeführt hat und wie auch aus der Stellungnahme des Staatsministeriums zum Antrag der Fraktion der CDU hervorgeht, hat sich in Baden-Württemberg eine leistungsfähige Industrie, eine sehr leistungsfähige Informationstechnologie- und Medienbranche etablieren können, die, wie aus der Stellungnahme des Staatsministeriums zu diesem Antrag hervorgeht, mittlerweile 10 % zur Bruttowertschöpfung in unserem Land beiträgt und damit einen höheren Anteil an der Bruttowertschöpfung hat als die traditionellen Bereiche zum Beispiel des Fahrzeug- und Maschinenbaus, der in unserem Land ja doch von erheblicher Bedeutung ist.

Meine Damen und Herren, deshalb kann man sagen: Die reinen Zahlen sprechen dafür, dass Baden-Württemberg ein leistungsfähiger Standort der Medien- und Informationstechnologie ist.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP und Dr. Inge Gräßle CDU)

Dies ist auch gut so, und das muss an dieser Stelle festgestellt werden.

Natürlich – davon ist die FDP/DVP überzeugt – wird wirtschaftlicher Erfolg vor allem durch die Menschen in den Unternehmen erzielt. Es ist nicht der Staat, der hier erfolgreich ist, sondern das sind die Unternehmen, die unternehmerisches Risiko eingehen, die Märkte erarbeiten und erkämpfen,

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

die Marktchancen erkennen und nutzen. Meine Damen und Herren, da sieht man, dass in Baden-Württemberg in diesen Bereichen der Medienindustrie Gutes geleistet wird, und wir sind froh und dankbar, dass wir diese Unternehmen hier haben.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP und Dr. Inge Gräßle CDU)

Die Frage ist, ob die Landesregierung die Rahmenbedingungen hier noch verbessern kann. Aus der Stellungnahme des Staatsministeriums geht ebenfalls hervor, was die Landesregierung in diesem Bereich alles gemacht hat. Das ist ein breites Spektrum von der Filmakademie über die MFG bis hin zur Medienoffensive „doIT“. Ich will das hier nicht

wiederholen; ich denke, die Zahlen sprechen eindeutig für Baden-Württemberg und zeigen, dass die Landesregierung hier mit einer aktiven Medienpolitik tätig geworden ist.

Was den Buch- und Verlagsstandort Baden-Württemberg angeht, so ist bei den Vorrednern auch ein Stück weit deutlich geworden, dass gewisse Sorgen vorhanden sind,

(Abg. Walter GRÜNE: Allerdings!)

dass sich über dieser Situation gewisse Sorgenwolken befinden, vor allem auch deshalb, weil im Bereich der Zeitungsverlage ein deutlicher Rückgang der Werbeeinnahmen zu verzeichnen ist, zum Beispiel bei den Stellenanzeigen ein Rückgang um 64,2 %. Das ist beunruhigend, weil die in Baden-Württemberg traditionell gute, vielfältige Zeitungsverlagsstruktur dadurch in ernsthafte Gefahr gerät. Ich glaube, dass wir in Baden-Württemberg auch deshalb ein so vielfältiges Meinungsspektrum in der politischen Diskussion haben, weil gewährleistet ist, dass flächendeckend kleine und mittlere Zeitungsverlage gute Produkte im Bereich der Printmedien anbieten und dadurch eine Meinungsvielfalt vorhanden ist.

Genau diese mittelständische vielfältige Struktur ist der FDP/DVP ein besonderes Anliegen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Frau Kollegin Kipfer, deshalb bezweifeln wir auch, dass die von Bundeswirtschaftsminister Clement in Gang gesetzten Veränderungen des Kartellrechts tatsächlich dazu beitragen werden, diese vielfältige mittelständische Zeitungsverlagsstruktur zu erhalten.

(Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD)

Ich fürchte, dass genau das Gegenteil der Fall sein wird.

Wenn ich nun auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – –

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Kipfer?

Die kann ich nicht zulassen, weil ich in meiner Redezeit noch auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingehen möchte.

(Oh-Rufe von der SPD – Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Genau! – Abg. Walter GRÜNE: Das Antworten auf Zwischenfragen wird nicht auf die Redezeit ange- rechnet!)