Protokoll der Sitzung vom 01.07.2004

Ja, hören Sie doch jetzt einmal zu. – Man hat es Herrn Deyhle verkauft. Besser wäre es aber gewesen, man hätte den kreativen Leuten einfach diese Räume gegeben; das wäre der Sache wesentlich dienlicher gewesen. Aber das hat man leider nicht getan.

Ein anderes Beispiel: Wir haben hier in Baden-Württemberg mit der Firma IBM das weltweite Headquarter für Open-Source-Software. Jetzt frage ich Sie: Was wird in diesem Land wirklich getan – auch vonseiten der Landesregierung –, damit man dort besser vorankommt? Nach meinem Gefühl müsste uns Sindelfingen wesentlich näher liegen als Seattle. Wenn es hier um unsere eigenen Arbeitsplätze geht, sind wir alle aufgerufen, dafür zu sorgen, dass diese OpenSource-Software besser vorankommt als in der Vergangenheit und der Firma Microsoft die entsprechenden Anteile abgenommen werden. Da könnte das Land als öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangehen. Es gibt Einzelbereiche, in denen das geschieht. Aber wenn ich mir die Antwort der Landesregierung auf meine Anfrage zu diesem Thema anschaue, stelle ich fest, dass wir erhebliche Defizite haben, die wir möglichst schnell ausgleichen müssen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Stickelberger SPD)

Ein letzter Punkt: Frau Gräßle

(Abg. Capezzuto SPD: „Dr. Gräßle“! So viel Zeit muss sein!)

hat das Ballungsraumfernsehen angesprochen. Wenn Sie die Diskussion in Deutschland verfolgen, wissen Sie, dass es überall riesige Probleme mit diesem Ballungsraumfernsehen gibt. Meiner Ansicht nach ist jetzt also eine Diskussion über die Frage angesagt, wie wir die verschiedenen Sender, die wir haben, in irgendeiner Form vernetzen können, damit es vielleicht sogar eine Art Landessender mit lokalen Fenstern geben kann. So etwas ist ja einmal angestrebt worden. Wenn wir das nicht tun, Frau Gräßle,

(Abg. Capezzuto SPD: „Frau Dr. Gräßle“! – Zuruf der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

dann befürchte ich, dass diese einzelnen Sender in der Zukunft nicht überleben werden.

Dasselbe gilt für die Radio-Kombi, die Frau Kipfer schon angesprochen hatte. Auch da müssen wir sicherlich zu einer Weiterentwicklung kommen, obwohl die Gründung der Radio-Kombi an sich eine gute Sache war.

Ich kann jetzt leider nichts mehr dazu sagen; denn ich habe meine Redezeit leider schon etwas überschritten. Ich möchte nur noch abschließend eine Bemerkung machen: Wenn Sie, Frau Dr. Gräßle,

(Abg. Capezzuto SPD: Jetzt!)

mit der Transparenz des SWR in der Vergangenheit nicht zufrieden waren, möchte ich Sie bitten, doch einmal darzulegen, was Sie als Verwaltungsrätin getan haben, um die Transparenz dort zu verbessern.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Staatsminister Dr. Palmer.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zunächst möchte ich mich, da es vermutlich Ihre Abschiedsrede war, Frau Kollegin Dr. Gräßle, für die angenehme, gute und kompetente Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren bedanken.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der SPD)

Das gehört sich so. Da muss man nicht muhen, sondern eher Beifall klatschen.

Wir wünschen Ihnen, sehr verehrte Frau Kollegin, alles Gute. Ich bin sicher, es werden sich auch auf der europäischen Ebene viele Felder der Zusammenarbeit ergeben, bei denen wir Sie brauchen. Herzlichen Dank dafür.

(Zurufe und Unruhe – Abg. Drexler SPD: Warum bleibt sie nicht im Landtag? Sie könnte doch beide Mandate ausüben! – Glocke der Präsidentin)

Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Palmer.

Ich finde, bei manchen Fragen bewahrt man einfach Stil, auch parteiübergreifend, und dankt auch einmal. Aber manche können das halt nicht.

(Lachen bei der SPD)

Ich bedanke mich nochmals bei Frau Dr. Gräßle.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Fischer SPD: Wir haben doch ge- klatscht!)

Jetzt zu drei Themen, die Frau Kipfer angesprochen hat, bevor ich zu den Dingen komme, die ich eigentlich sagen wollte.

Erster Punkt, Frau Kipfer, kurz: Staatssekretär für E-Government. Sie haben das als lobendes Vorbild erwähnt.

Jetzt haben wir doch gestern eine Debatte darüber geführt, die Regierung zu verkleinern. Seien Sie doch froh, dass ich diese Fragen der Medien auch noch nebenher bearbeite. Führen wir doch nicht schon wieder einen neuen Staatssekretär ein.

(Abg. Drexler SPD: Nebenher? Was machen Sie dann hauptsächlich? – Abg. Capezzuto SPD: Wann machen Sie das? Nachts? – Heiterkeit)

Auch nachts. Überall, Herr Capezzuto. Immer aktiv.

Zweiter Punkt: Pressekonzentrationsrecht. Ich glaube, darüber muss man ernsthaft sprechen. Wir haben noch keine abschließende Position. Wir konnten, Frau Kipfer, auch in der Stellungnahme zu diesem Antrag keine abschließende Position darstellen. Der Antrag ist vor einem Dreivierteljahr oder einem Jahr eingebracht worden. Ich sage heute gern etwas zum Pressekonzentrationsrecht.

Es gibt natürlich Argumente, die für den Entwurf sprechen, den Wolfgang Clement vorgelegt hat, weil wir in der ganzen Republik ein Zeitungssterben konstatieren können. Deshalb sind manche der Vorschläge, zum Beispiel Kooperationslösungen im Verbreitungsbereich, nachdenkenswert. Es gibt aber auch berechtigte Einwände der Monopolkommission, übrigens auch der Zeitungsverleger. Es gibt Fragen, die im bisherigen Entwurf nicht befriedigend geregelt sind, etwa: Wie sichere ich bei kleinen Zeitungen die Unabhängigkeit, wenn sie sich in solche Kooperationen einlassen? Andere Fragen sind völlig unstrittig, etwa dass wir nichtredaktionelle Kooperationen, zum Beispiel im Vertrieb oder bei Marketingstrategien, zulassen. Da haben auch die Oppositionsparteien im Bundestag zugesagt, dass man das mit ihnen machen kann.

Wir sind mitten im Diskussionsprozess. Es gibt viele unterschiedliche Auffassungen. Auch die Meinungen der Zeitungsverleger sind überhaupt nicht einheitlich. Der Bundesrat wird sich in Kürze in der ersten Lesung damit befassen. Wir sind hier wirklich in alle Richtungen gesprächsbereit und wollen, weil wir die schwierige Situation der Zeitungsverlage sehen, auch möglichst eine Konsensregelung erreichen.

Beim nächsten Punkt, Frau Kipfer, kann ich es leider nicht so versöhnlich machen, sondern da muss ich Ihnen einfach einmal die Abfolge des Verkaufs der Kabelinfrastruktur darstellen. Die Kabelinfrastruktur wurde von der Telekom, bundesbeteiligt, unter dem Einfluss Ihrer Bundesregierung 1999/2000 überstürzt auf den Markt geworfen, um Kasse zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Es waren nicht wir, die die Kabelinfrastruktur auf die Märkte geworfen haben. Wir haben sie nicht privatisiert. Das war 1999/2000.

Dann hat man, weil damals ein großer Boom da war – ich sage ganz offen: auch in Baden-Württemberg –, gesagt, das sei ein guter Weg. Wir haben uns genau um das bemüht, was Sie hier angemahnt haben, nämlich ein baden-württembergisches Bankenkonsortium. Die Gespräche haben alle bei mir stattgefunden. Ich kann heute im Rückblick nur sagen: Gott sei Dank ist es nicht zu diesem baden-württem

(Minister Dr. Christoph Palmer)

bergischen Bankenkonsortium gekommen. Die Banken waren vorsichtig. Die hätten sich die Finger verbrannt.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Damals, bei Callahan!)

Vor Callahan. Wir waren – das wissen Sie aus Landtagsdiskussionen und Ausschussberatungen, haben es aber vielleicht im Augenblick nicht präsent – die Ersten, die versucht haben, die Lösung einer inländischen Struktur zu zimmern. Es ist nicht gelungen. Dann hat Callahan mit Beteiligung der Telekom Kabelnetze übernommen und hat fürchterlich die Finger hineingebracht, allerdings nicht nur Callahan, sondern auch andere Investoren, etwa Klesch, um ein Beispiel zu nennen, in Hessen. Jetzt sind die Reste mit erheblichen Verlusten für die Bankenszenen, die Callahan, Klesch und die anderen Investoren bezahlt haben, von Kabel Deutschland aufgekauft worden. Was hätten Sie mir erzählt, wenn damals die baden-württembergische Lösung gelungen wäre und wir heute mit leeren Händen dastünden?

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Ich habe von jetzt ge- sprochen!)

Es wäre nicht gelungen. Diese Debatte wollte ich nicht aushalten. Wir haben dadurch wenigstens nicht die Hände hineingebracht. Allerdings gebe ich Ihnen Recht: Wir reden in Deutschland viel zu wenig über diese wichtigen Fragen: Wie geht es eigentlich mit unserer technischen Infrastruktur weiter? Wie machen wir das Netz in Ballungs- und in ländlichen Räumen zukunftsfähig? Was wird im Internet über das Kabel abgewickelt? Was wird in der Telefonie über das Kabel abgewickelt? Das ist technische Infrastruktur, und das ist für dieses Land von einer ganz eminenten Bedeutung. Ich bin dankbar für jeden, der diese Fragen aufwirft. Wir müssen darüber diskutieren und auch streiten.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Danke!)

Ich möchte, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein paar Worte sagen. Wir sind ja zum Teil auch freundlich gelobt worden. Natürlich ist aber auch noch vieles zu tun. Gleichwohl muss man zunächst einmal in Erinnerung rufen, was dieser Medienstandort Baden-Württemberg heute darstellt. Wir denken immer, wir wären nur das Automobilland, wir wären nur das Land des Maschinenbaus. Die Wertschöpfung der Medienbranchen in Baden-Württemberg liegt in der Tat mit 10 % Wertschöpfung vor den anderen Leitbranchen der baden-württembergischen Wirtschaft. In der Medienbranche arbeiten über 300 000 Beschäftigte im Land. Sie erwirtschaftet 61,5 Milliarden € Jahresumsatz. Das sind so stolze Zahlen, dass eigentlich jeder Politiker, egal ob in der Opposition oder in der Regierung, die badenwürttembergische Medienwirtschaft in einer Diskussion über die Stärken dieses Landes immer mit erwähnen muss, weil wir hier außerordentlich gut aufgestellt sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD)

Wir haben insbesondere Kompetenz für die Technologie: für Software, für Computer, für Chips und für die Vernetzung dieser Technologien mit anderen Branchen. Wir sind die Weltmeister in der Kompetenz für Konvergenz – so sage ich das immer –, die darin besteht, dass man den Chip

und die Unternehmenssoftwarelösung in die Werkzeugmaschine hineinbringt, dass man die Umwelttechnik entsprechend steuert und dass man unsere Schwerpunkte in der exportorientierten Industrie Baden-Württembergs zusammendenkt. Das ist die zentrale Kompetenz Baden-Württembergs.

Sie haben Recht, Herr Walter: Da haben IBM und auch HP eine bedeutende Rolle. Wir sind total offen für Open-Source-Software. Wir können stolz darauf sein, dass IBM da ist, und wir können auch stolz darauf sein, dass HP die weltweite Fusion mit Compaq in Europa und in Deutschland am Standort Böblingen/Sindelfingen zulasten des Standorts München vollzogen hat. Damit verbunden war ein Arbeitsplatzeffekt für den Standort Baden-Württemberg, der in die Größenordnung von tausend geht.

(Beifall bei der CDU)

Das muss man auch einmal sagen, wenn man über Strukturentscheidungen in der Wirtschaftspolitik in diesem Land spricht.

Natürlich haben wir Sorgen, weil der Kostendruck da ist. Ich habe das gestern in der Debatte gesagt. Die SAP, der Weltmarktführer für Unternehmenssoftware mit deutschlandweit fast 30 000 Beschäftigten, denkt ernsthaft darüber nach, die Verwaltung in Osteuropa zu zentralisieren, weil der Kostenblock hier zu hoch ist und weil sie in Osteuropa natürlich zu ganz anderen Bedingungen Abrechnungen machen können.