Protokoll der Sitzung vom 01.07.2004

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Es gäbe ja genügend Programme und Möglichkeiten.

(Abg. Hauk CDU: Wollen Sie die Landräte den Käfern zum Fraß vorwerfen? – Heiterkeit)

Ich erinnere an die Verwirrstoffe. Es gehört das absolut schnelle Aufbereiten des Holzes dazu. Es gehört das Entrinden dazu. Eine alte Methode sind Fangholzhaufen. Nicht zuletzt gibt es noch moderne chemische Methoden, so umstritten sie auch sind. Aber es müsste etwas gemacht werden. Exakt in dieser kritischen Phase des Waldes läuft nicht sehr viel. Aber Borkenkäfer arbeiten waldstückeübergreifend. Es gibt im Wald keine Koexistenz mit dem Borkenkäfer. Borkenkäfer kennen keine Lagebuchnummern.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ach was? – Abg. Teßmer SPD: Und keine Kreisgrenzen!)

Zur Landesregierung: Schade, sie tut viel zu wenig. Im zweiten Teil meiner Rede komme ich dazu. Vielleicht gibt es eine Lösung, wenn der Finanzminister mehr Geld einschießen würde. Aber im Moment wird er wohl nur darauf hoffen, dass die Borkenkäfer im kommenden Sommer eine Fastenkur einlegen.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der FDP/DVP und der Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Walter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Abseits vom Thema möchte ich aus aktuellem Anlass mit einer Danksagung beginnen. Mein Dank geht an die Fritfliege, die eines der beiden baden-württembergischen Genmaisversuchsfelder in unserem Sinne „erledigt“ hat.

(Abg. Teßmer SPD: Erfolgreich bekämpft hat!)

Wir hoffen, dass sie auch das zweite noch anfliegen wird.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Darauf sind Sie auch noch stolz!)

Meine Damen und Herren, das Problem, das Herr Kollege Drautz hier einleitend geschildert hat, ist nicht nur der FDP/ DVP, sondern, wie ich denke, allen hier im Haus vertretenen Fraktionen schon seit langem bekannt. Es ist in der Tat ein gravierendes Problem. Man kann es wirklich nicht kleinreden. Das Problem, das wir haben, ist, dass wir nicht nur einem Jahrhundertsommer ausgesetzt waren, sondern dass wir jetzt eine Fortsetzung der Trockenheit haben, obwohl wir in diesem Jahr eine wesentlich kühlere Witterung haben. Während des gesamten Winterhalbjahrs und im Frühjahr haben ebenfalls kaum Niederschläge stattgefunden.

Es wurde, auch vom Kollegen Winkler, schon erwähnt: Der Borkenkäfer hat sich im letzten Jahr noch stärker vermehrt: dreimal statt zweimal wie in üblichen Jahren. Auch das lässt Schlimmes befürchten.

In manchen Gebieten ist die Tannenverjüngung der letzten 15 Jahre aufgrund der Trockenheit eingegangen. Auch da ist, wie man sieht, etwas, was man langfristig bearbeitet hat, in einem Sommer kaputtgegangen. Allerdings – das möchte ich an die Adresse des Kollegen Rüeck sagen – sollten wir trotzdem noch nicht von der „Sahelzone Baden-Württemberg“ reden.

(Abg. Rüeck CDU: Lieber Kollege Walter, ich lade Sie auf meine Kosten ins Limburger Land ein! Ich zeige Ihnen das!)

Da können Sie gern einmal kommen. Aber, Kollege Rüeck, Sie sollten sich vielleicht einmal Bilder von der Sahelzone anschauen. Dann sehen Sie schon auch noch den Unterschied zu Ihren Wäldern. Ich frage Sie wirklich: Haben Sie schon einmal Bilder davon gesehen? Man sollte solche Vergleiche nicht heranziehen.

(Zuruf des Abg. Rüeck CDU)

Die Frage ist nun: Was kann das Land tun? Zunächst einmal kann man den Betroffenen helfen, indem man sie berät. Die Frage ist nur, meine Damen und Herren: Wie lange wird diese hoch qualifizierte Beratung stattfinden, die wir in diesem Land derzeit noch haben? Wird das ab 1. Januar 2005 noch gewährleistet sein?

(Abg. Teßmer SPD: Schwieriger auf jeden Fall!)

Wir befürchten – auch diejenigen, die die Beratung bisher durchgeführt haben –, dass es diese Beratung in diesem Sinne nicht mehr geben wird. Denn Sie alle wissen: Sozusagen eine Art „Riesenborkenkäfer“ aus Spaichingen bedroht die Forstverwaltung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Heiterkeit bei den Grünen und der SPD – Abg. Rüeck CDU: Unglaublich! Eine Unverschämtheit!)

Deswegen, meine Damen und Herren, wird der Schaden für den Wald enorm sein.

Meine Damen und Herren, ich fand es sehr gut, dass die Landesregierung auch in ihrer Antwort auf den Antrag, in dem der Kollege Rüeck von der Sahelzone gesprochen hat, gleich auf das entscheidende Thema eingegangen ist. Kollege Hauk hat es auch erwähnt: Wir haben einschneidende Klimaveränderungen. „Ein halbes Grad“ oder „ein Grad“ hört sich ja zunächst einmal nach nicht viel an. Aber das ist die Veränderung in 50 Jahren. Das sind Klimaschwankungen, die wir sonst manchmal erst in 1 000 Jahren hatten. Jetzt haben wir sie in 50 Jahren. Das ist der Unterschied zu Klimaschwankungen in früheren Zeiten. Deswegen müssen wir hier wirklich wachsam sein.

Zur Klimaschutzpolitik des Landes nützt auch der Hinweis auf die Atomkraft nichts, Kollege Drautz.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Doch!)

Fakt ist: Wir haben weiterhin ca. 77 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in Baden-Württemberg. Das ist der Ausgangspunkt von Anfang der Neunzigerjahre gewesen, Stichwort Umweltgipfel Rio. Was hat sich seither getan? Wir sind noch immer auf demselben Stand. Teilweise haben wir sogar

noch eine leichte Erhöhung. Das heißt, Ihre Klimaschutzziele sind trotz des Aufstellens eines Umweltplans usw. usf. bei weitem nicht erreicht.

Des Weiteren müssen wir fragen, Herr Kollege Drautz: Wie reagieren wir? Beispielsweise die Fichte – Herr Kollege Hauk hat das angesprochen – leidet besonders. Welche Wälder werden wir in Zukunft haben? Naturnahe Mischwälder? Die sind wahrscheinlich besser gefeit, obwohl auch Buchen betroffen sind. Oder werden wir weiterhin Monokulturen haben? Welche Bäume werden bei dem veränderten Klima überhaupt noch wachsen? Wird die Fichte vielleicht insgesamt verdrängt werden? Diese Fragen müssen wir uns heute schon stellen.

Was müssen wir tun? Sie haben es angesprochen. Wir müssen den Holzverkauf ankurbeln. Jetzt wird noch mehr Holz geschlagen werden müssen, um den schlimmsten Befall, auch mit dem Borkenkäfer, zu verhindern. Beispielsweise könnten Sie, Kollege Drautz, und auch die CDU einen Antrag meines Kollegen Walter Witzel und meiner Fraktion unterstützen, der fordert, die Landesbauordnung zu ändern. Die Musterbauordnung des Bundes lässt es nämlich seit 2000 zu, stärker Holz beim Bau zu verwenden. Ich denke, dass dies ein Anliegen eines dicht bewaldeten Landes wie Baden-Württemberg ist. Hessen und Bayern haben dies schon lange umgesetzt. Es ist nun an der Zeit, dass die baden-württembergische Landesregierung in dieser Frage ebenfalls etwas tut.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Teßmer SPD – Zuruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU)

Doch, die muss geändert werden, Kollegin Brenner. Ich glaube, dass wir uns da alle einig sind.

Noch ein letzter Punkt, die Nutzung der Holzenergie. Wir wissen, dass wir in finanziell schwierigen Zeiten leben. Aber wir müssen gerade in solchen Zeiten Prioritäten setzen. Deswegen muss die Förderung der Holzenergienutzung ein Schwerpunkt unserer zukünftigen Arbeit sein – auch mit finanziellen Mitteln.

Die Bewilligungen für das laufende Jahr liegen vor, aber es gibt keine Verpflichtungsermächtigungen, und es gibt keine Planungssicherheit. Wir wissen nicht, wie es in dieser Frage weitergeht. Deshalb fordern wir den Minister auf, ein klares Bekenntnis abzulegen, dass trotz der schwierigen finanziellen Situation diese Förderung auch in den nächsten Jahren aufrechterhalten wird. Die Unterstützung der Fraktion GRÜNE kann ich Ihnen hier heute schon versichern.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich dem Minister für Ernährung und Ländlichen Raum Willi Stächele.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie mir gestatten, möchte ich gerne die Aktuelle Debatte noch etwas aktueller machen. Ich kann Ihnen nämlich mitteilen – ich weiß, dass wir hier gemeinsam am Werk waren –, dass um Mitternacht der Vermittlungsausschuss endgültig und fast einstimmig den Kompromiss zur GAP-Re

(Minister Stächele)

form (Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik) angenommen hat. Baden-Württemberg hat hieran maßgeblich mitgezeichnet. Das Parlament hat dies unterstützt. Ich denke, bei allen Schmerzen, die von der GAP-Reform ausgehen, ist dies zumindest einmal ein gutes Stück Planungssicherheit für unsere Landwirte, für unsere Bäuerinnen und Bauern. Also, wir sind um Mitternacht ein gutes Stück weitergekommen.

(Beifall bei der CDU, der FDP/DVP und den Grü- nen)

Weniger erfreulich ist allerdings das Thema, das wir jetzt miteinander besprechen. Noch vor sechs Monaten wäre ich wahrscheinlich unglücklich gewesen, wenn wir dieses Thema im Parlament aufgerufen hätten.

(Abg. Teßmer SPD: Sind Sie jetzt glücklich?)

Damals haben mir meine Fachleute immer gesagt: „Lass es sein! Keine öffentliche Diskussion! Je mehr du über den Borkenkäfer redest, umso mehr geht der Holzpreis nach unten.“ Allerdings sind wir jetzt an einem Punkt angelangt, an dem man tatsächlich öffentlich diskutieren muss, um allen, auch denen, die vom Thema etwas weiter weg sind – und da gibt es in der Tat noch einige –,

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

klar zu machen, welche ganz große Problematik im Wald erkennbar ist. In der Tat greift flächendeckend eine Plage um sich, die von einem ganz kleinen Käfer ausgeht. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen: Borkenkäfer ist zwar der Überbegriff, aber es gibt auf der einen Seite den Kupferstecher, der in die Krone geht und in der Endgröße nur etwa 2 Millimeter lang ist, und auf der anderen Seite den Buchdrucker, der in die dickere Rinde geht und etwa 4 Millimeter lang ist.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Dieser kleine Käfer macht uns zusehends Schwierigkeiten. Er bereitet uns ganz große Sorgen im Blick auf die Waldbestände in Baden-Württemberg, den Privatwald, den Staatswald und den Kommunalwald.

Der Ausgangspunkt – und ich will nicht wiederholen, was schon Richtiges gesagt wurde – für das, was jetzt zu bewältigen ist, ist in der Tat, obwohl es immer auf einem gewissen Niveau Käfer gegeben hat – also Borkenkäfer gab es schon immer –, nach wie vor der Sturm Lothar, das gesamte Totholz, das damals nicht aufbereitet und aufgearbeitet werden konnte. Das war natürlich eine geeignete Brutstätte für ein Vermehren des Borkenkäfers. Dann gab es im Gefolge – zunächst abgeschwächt im Jahr 2002 – eine ansteigende Schadensentwicklung im Jahr 2003. Jeder weiß: Den einen konnte es nicht heiß genug sein – die haben diesen Sommer genossen –, und die anderen haben gemerkt, dass diese sommerliche Hitze und diese Dürre zuallererst den Wald zu schädigen begannen.

Wir haben allein im Jahr 2003 2,1 Millionen Festmeter Schadholz aus dem Wald herausnehmen müssen; von diesen 2,1 Millionen sind wiederum 1,9 Millionen Festmeter allein auf den Borkenkäfer zurückzuführen. Man kann sa

gen – so grob –, unserer Forstwirtschaft sind allein durch diese Schadholzsituation Schäden in Höhe von 50 bis 55 Millionen € entstanden, was weiß Gott nicht wenig ist, wenn man weiß, dass die Ertragsspanne mittlerweile gegen null geschrumpft ist.

Nun haben wir in diesem Jahr eine weitere Entwicklung. Das heißt, auch in diesem Jahr mussten bereits 350 000 Festmeter Dürrholz herausgenommen werden und sind 630 000 Festmeter Käferholz bis zum Juni dieses Jahres angefallen. Die weitere Käferholzaufarbeitung beginnt jetzt im Juli/August auf einem sehr hohen Niveau. Die kühlfeuchte Witterung Anfang Juni hat keine Entlastung gebracht, höchstens vielleicht ein bisschen Aufschub. Das heißt, es geht weiter, und – das wurde schon genannt – insbesondere in den Schwerpunkten Oberschwaben, Schwäbisch-Fränkischer Wald und mittlerer Schwarzwald sind hier ganz brutale Entwicklungen zu verzeichnen.