Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie sind nicht der Versuchung erlegen, vor dem Hintergrund eines guten Wirtschaftsstandorts doch ein Krisenszenario aufzumachen. Das Gefährliche an dieser Debatte ist ja, dass sie ein Beitrag dazu ist, dass die Stimmung so schlecht bleibt, wie sie ist. Wir brauchen aber dringend eine bessere Stimmung im Land. Die reale Entwicklung ist besser als die Stimmung.
(Abg. Dr. Birk CDU: Nicht überall! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Aber Sie reden das auch immer wieder schlecht!)
Jetzt haben Sie gesagt, wir müssten besser sein. Dem stimme ich zu. Der zunehmende Druck der Globalisierung zwingt uns, besser zu sein als andere.
Sie haben aber in Ihren Ausführungen in weiten Teilen Ratschläge an die Tarifparteien gegeben. Wo es die eigene Rolle anbelangt, sind Sie relativ abstrakt geblieben. Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch etwas nachbohren.
Wir stimmen Ihnen zu, wenn Sie sagen: Forschung und Entwicklung sind eine entscheidende Stellschraube
für das Besser-Sein unserer Wirtschaft, insbesondere der mittelständischen Wirtschaft. Deshalb möchte ich Sie fragen, Herr Minister: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass insbesondere die Fachhochschulen die notwendigen Mittel bekommen, um Partner der mittelständischen Wirtschaft in der anwendungsorientierten Forschung zu sein?
Ihre Regierung hat den Fachhochschulen die Möglichkeit, eine aktive Rolle zu spielen, weitgehend genommen, indem sie die freien Mittel fast auf null zurückgefahren hat. Das müssen wir korrigieren. Ich frage Sie: Helfen Sie mit, die anwendungsorientierten Forschungsinstitute im Land aus dem öffentlichen Dienstrecht herauszunehmen, sie zu entfesseln, damit sie ihre Wirkung verdoppeln und verdreifachen können und stärkere Partner der mittelständischen Wirtschaft im Land sein können?
Wir fragen Sie: Helfen Sie mit, dass wir im Land BadenWürttemberg eine Qualifizierungsoffensive bekommen, insbesondere für die an- und ungelernten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Wir sind als starker Produktionsstandort immer noch der Standort mit dem höchsten Anteil an wenig und gering Qualifizierten in Beschäftigung, und wir wissen, dass sich diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterqualifizieren müssen. Helfen Sie mit, dass wir eine Qualifizierungsoffensive in Kooperation mit dem Europäischen Sozialfonds hinbekommen, sodass wir in Zukunft ein Argument liefern können, hier zu produzieren, weil wir die am besten ausgebildeten Kräfte im Land haben.
Herr Abg. Schmiedel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Wieser? – Bitte schön, Herr Abg. Wieser.
Qualifizierung ja, aber wer soll entscheiden, wofür qualifiziert werden soll, Herr Kollege? Wir haben inzwischen bei uns die Situation, dass manche durch Qualifizierung arbeitslos geworden sind. Die Betriebe sollen das mit steuern, damit die Leute auch einen Arbeitsplatz bekommen.
Da haben wir überhaupt kein Problem miteinander, Herr Kollege Wieser. Wir haben in der Region Stuttgart ein Modell entwickelt und sind dankbar, dass es jetzt vom Land übernommen und auf das ganze Land übertragen wird. Bei diesem Modell beschränkt sich die Rolle der öffentlichen Hand darauf, dazu zu motivieren, dass die Betreffenden die Angebote, die die Betriebe machen,
auch annehmen. Angebote gibt es en masse. Es gibt im Metallbereich einen Tarifvertrag, der es sogar zur Pflicht macht, Angebote zu schaffen, und das Recht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer formuliert, sich weiterzubilden. Aber in der Praxis ist es so, dass es nicht in Anspruch genommen wird. Deshalb brauchen wir hier eine aktivierende Förderung. Diese muss stattfinden. Sie muss Aufgabe der öffentlichen Hand sein.
Wir fragen Sie: Helfen Sie mit, dass Bildungspolitik in Baden-Württemberg auch als Teil der Wirtschaftspolitik verstanden wird? Wir können uns den hohen Anteil der jungen Schulabgängerinnen und -abgänger, die nicht ausbildungsreif sind, auf Dauer nicht leisten. Unser Ziel muss es sein, diesen Anteil zu halbieren.
Dann haben wir neben der Infrastruktur – da stimmen wir ausdrücklich zu –, neben der Bildungsoffensive, neben der hervorragenden Forschungsunterstützung die Argumente, die wir brauchen, um in einem globalisierten Umfeld besser zu sein.
Dazu brauchen wir aber eine aktive Politik. Wenn Sie diese ergreifen, Herr Minister, haben Sie unsere Unterstützung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Leute fragen sich doch alle: Wie geht es weiter mit Deutschland und mit Baden-Württemberg? Wie bringen wir Wettbewerbsfähigkeit, unsere sozialen Vereinbarungen, die demografische Entwicklung, die Schuldenfalle, in der wir sitzen, und die Herausforderungen für die Bildungs- und Forschungspolitik zusammen? Das wollen die Leute von uns wissen.
Am klarsten war natürlich der Beitrag der Kollegin Berroth: Die Steuersenkungspartei FDP will den Straßenbau irgendwie im Fantasiebereich fördern, sagt aber nicht, woher das Geld kommen soll.
Einfach bei jedem Straßenprojekt und jedem Schienenprojekt, das einem einfällt, zu sagen: „Das muss gebaut werden“, ohne zu sagen, wo die Mittel dafür herkommen sollen, ist einfach kindisch. Es tut mir Leid.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Nein! Sie ha- ben die Maut nicht zustande gebracht! Das ist das Problem!)
Glauben Sie mir: Wir fürchten Ihre radikalen Verbalattacken überhaupt nicht. Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Darum braucht man sich gar nicht zu kümmern.
Herr Wirtschaftsminister, womit wollen Sie Stuttgart 21 und die Messe – so genannte Leuchttürme sollen das ja sein – finanzieren? Mit Schulden finanzieren Sie das. Das ist der Punkt.
Da höre ich auf einmal nichts mehr von Privatisierung, wenn es zum Beispiel um die Messe geht. Ich höre da überhaupt nichts mehr von Privatisierung. Das passt alles nicht zusammen. Hier Straßen zu fordern, da die Messe zu rühmen, dort einen Bahnhof „vergraben“ zu wollen, aber nicht zu sagen, woher in der Haushaltslage, in der wir uns befinden, die Mittel kommen sollen, das macht überhaupt keinen Sinn.
Das macht Sie nervös. Jetzt rede aber ich, Herr Theurer. Ich finde, Sie sollten einmal ins Abklingbecken gehen, bevor Sie sich hier produzieren.
(Heiterkeit – Zuruf: Das hilft auch nicht viel! – Zu- rufe der Abg. Hofer und Heiderose Berroth FDP/ DVP – Glocke des Präsidenten)
Das zusammen zu denken, darauf kommt es gerade an. Dass dies geschehen würde, habe ich bisher nicht gesehen. Ich habe da kein ordnungspolitisches Bild gesehen.