Protokoll der Sitzung vom 06.10.2004

(Abg. Alfred Haas CDU: Sehr gut! Hört nur zu!)

Wir sehen das Thema wie die Landesregierung so, dass wir in Zukunft – und darüber sind wir uns ja einig – die aktuellen familienpolitischen Programme einer stetigen Überprüfung unterziehen müssen und dass sie gegebenenfalls dann, wenn die Zeit gekommen ist, einer entsprechenden Anpassung bedürfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Alfred Haas CDU: Das war der fami- lienpolitische Sprecher der CDU! Sehr gut! – Abg. Kretschmann GRÜNE: Die Zeit ist gekommen!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Wonnay.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Jetzt sind wir aber gespannt!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die heutige Diskussion über das Landeserziehungsgeld bewusst in eine Diskussion darüber einbetten – das war in den letzten Tagen ja auch zu Recht ein Thema in den Medien –, wie wir die Kluft zwischen Kinderwunsch und der Realisierung dieses Kinderwunsches schließen können. Das ist unbestritten eine der ganz großen Zukunftsaufgaben, der sich dieses Land stellen muss.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb muss man natürlich zunächst die Frage stellen, wo denn der Schlüssel dafür liegt, etwas verbessern zu können. Dazu gibt es eine Untersuchung – ich zitiere jetzt nicht Allensbach, sondern „Perspektive–Deutschland“ von McKinsey, AOL, „Stern“ und ZDF, nach der sich bei der Frage, ob das Kindergeld verdoppelt oder die Kinderbetreuung ausgebaut werden solle, 60 % der befragten Frauen dafür ausgesprochen haben, die Kinderbetreuung auszubauen, während sich nur 40 % für die Verdoppelung des Kindergelds ausgesprochen haben. Dies steht im Widerspruch zur Allensbach-Studie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es empfiehlt sich immer, sich solche Studien genauer anzuschauen. Wenn man sich die von der ersten bis zur hundertsten Seite genau anschaut, dann fällt einem auf, dass man da ein bisschen getrickst hat. Denn in der Tat – Herr Kollege Klenk, das haben Sie richtig formuliert –, haben bundesweit die meisten Befragten erstaunlicherweise, wenn man sich die andere Studie und andere wissenschaftlichen Veröffentlichungen vor Augen hält – gesagt, es würde ihnen die Entscheidung für das Kind erleichtern, wenn das Kindergeld um 30 € erhöht würde. Aber in Baden-Württemberg war das anders. In BadenWürttemberg haben sich nämlich 42 % dafür ausgesprochen, das Kindergeld zu erhöhen, aber 43 % dafür, die Kinderbetreuung auszubauen, und gesagt, dies sei für sie der wesentliche Faktor.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Hört, hört! – Abg. Capezzuto SPD: Das un- terschlagen die einfach!)

Selbst die Allensbach-Studie kommt ganz klar zu dem Schluss, dass der Schwerpunkt auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelegt werden muss, dass dies der wesentliche Schlüssel dafür ist, dass die Geburtenrate höher wird und sich die Kluft zwischen Kinderwunsch und Realisierung dieses Wunsches schließt.

(Beifall bei der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Wir brauchen beides!)

Deshalb kann ich nur sagen: Die Schlussfolgerung des Herrn Ministerpräsidenten, den Weg, ausschließlich auf die materielle Sicherung zu setzen, zu verfestigen, ist eine Sackgasse

(Abg. Alfred Haas CDU: Das ist doch nicht wahr! Das hat er nie gesagt!)

und zementiert genau dieses.

(Abg. Hauk CDU: Beides! Beides, Frau Wonnay! – Unruhe)

Der Herr Ministerpräsident hat als vordringliche Maßnahme die Verbesserung des Familienleistungsausgleichs genannt.

(Abg. Drexler SPD: Im Fernsehen!)

Und genau dieses zementiert das Dreiphasenmodell und verhindert die Entscheidung für das Kind.

(Beifall bei der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Wir wollen beides, Frau Wonnay!)

Auch wir wollen beides. Sie wissen, dass die Bundesregierung auch beides gemacht hat. Sie hat nämlich in der letzten Legislaturperiode die finanzielle Situation von Familien massiv verbessert – da haben wir die Hausaufgaben der Regierung Kohl gemacht –,

(Abg. Alfred Haas CDU: Hoppla!)

und jetzt setzt sie darauf, den Zukunftsfaktor Kinderbetreuungsinfrastruktur auszubauen.

Der Vorschlag der Grünen hat das richtige Ziel im Visier – Herr Kretschmann, Sie sollten vielleicht zuhören, wenn ich Sie jetzt ausnahmsweise einmal lobe –,

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Alfred Haas CDU: Das braucht der Kretschmann nicht!)

massiv in den Ausbau der Kinderbetreuung zu investieren. Aber das Instrument, das Sie dafür vorschlagen, ist das falsche.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen einen Einschnitt bei den sozial Schwächsten vornehmen. Sie wollen eine Umverteilung innerhalb der Familien durchführen. Sie wollen nicht mehr in diesen Bereich investieren.

(Widerspruch des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Doch, doch. – Sie wollen zulasten der sozial Schwachen eine Umverteilung vornehmen. Sie wollen sozusagen dem ärmsten Drittel der Familien das Geld wegnehmen, um – zugegebenermaßen – für alle Familien eine bessere Ausstattung zu erreichen. Aber eine solche Umverteilung, eine solche soziale Schieflage ist mit uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Kretschmann GRÜNE: Was ist denn mit Ihnen zu machen? Was wollen Sie?)

Unser Vorschlag, Herr Kollege Kretschmann, liegt schon seit geraumer Zeit auf dem Tisch. Wir wollen den massiven Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur, indem wir uns von der Landesstiftung verabschieden,

(Abg. Alfred Haas CDU: Neues Geld!)

uns von Landesbeteiligungen trennen,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

dadurch Schulden abbauen – auch das ist ein Schritt hin zur Zukunftsfähigkeit des Landes –

(Abg. Rüeck CDU: Das haben wir schon fünfmal abgelehnt!)

und mit den eingesparten Zinszahlungen die beste Investition vornehmen, die man tätigen kann, nämlich die Investition in unsere Kinder.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Das ist der Weg, den die SPD Ihnen vorschlägt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Entscheidung für ein Leben mit oder ohne Kinder ist für jede Einzelne und jeden Einzelnen eine existenzielle Entscheidung, übrigens auch für unsere Gesellschaft: Thema Demografie; ich glaube, heute steht wieder ein großer Artikel über die besorgniserregende Entwicklung in der Zeitung.

Dass wir die Rahmenbedingungen zu setzen haben, um jungen Menschen die Wahlfreiheit zu gewährleisten, sich für ein Leben mit oder ohne Kinder zu entscheiden, ist für uns Liberale ganz wichtig. Wir wollen keinen Zwang in irgendeine Richtung. Aber wir wollen den Menschen ermöglichen, ihren Wunsch nach Kindern, der ja allen Befragungsergebnissen zufolge durchaus vorhanden ist, realisieren zu können.

Dafür braucht es zwei Ansätze, die wir nicht gegeneinander ausspielen sollten, wie es hier immer wieder probiert wird. Zum einen brauchen wir die direkte Subjektförderung, also eine finanzielle Besserstellung, um den Menschen einen adäquaten Ausgleich für die zugegebenermaßen sehr teure Erziehungsleistung zu geben, damit es in unserem Land nicht zu einem Armutsrisiko wird, Kinder zu haben, vor allem mehrere Kinder zu haben.

Allerdings müssen wir genau hingucken, wer für was zuständig ist. Zuständig für eine solche Besserstellung der Familien im System der Steuern und der Finanztransfers ist der Bund.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Genau! Ganz genau!)

Das ist eine originäre Aufgabe im Steuer- und Transfersystem des Bundes.

(Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP)

Wofür ist das Land zuständig? Das Land ist zusammen mit den Kommunen für die Schaffung der Infrastruktur, für Betreuungsmöglichkeiten, und zwar ein vielfältiges Angebot an Betreuungsmöglichkeiten, das selbstverständlich Tagespflege, institutionelle Einrichtungen und betriebliche Einrichtungen einschließt, zuständig.