Protokoll der Sitzung vom 10.11.2004

Jetzt können die auch noch bauen. Das ist ja wunderbar. Aber die Existenz der Ganztagsschulen, die ich genannt habe, hängt nicht vom Bauprogramm ab.

(Abg. Wintruff SPD: Nein!)

Da sind wir uns doch einig.

(Abg. Wintruff SPD: Aber jetzt sind ein paar Hun- dert dazugekommen!)

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Die kommen irgendwann. Auf die Debatte, was dann dazukommt, freue ich mich auch schon. Da bin ich einmal gespannt.

Damit komme ich zur Zukunft. Glaubt denn wirklich jemand von Ihnen im Ernst, dieses Bauprogramm allein würde 500 oder 1 000 zusätzliche Ganztagsschulen schaffen? Vielmehr müssen wir jetzt für die nächsten Jahre gemeinsam überlegen: Was sind unsere nächsten Etappen der Investitionen? Ich bin entschieden dagegen, die Schule zu einer reinen Bewahranstalt für Kinder zu machen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zurufe von der SPD)

Das heißt, wenn ich das nicht will,

(Abg. Wintruff SPD: Wer will denn das?)

muss ich mir überlegen, welche Entwicklung ich wie finanzieren kann.

Jetzt nenne ich Ihnen einmal eine einzige Zahl: Würden wir auch nur ein Drittel unserer allgemein bildenden Schulen nach dem bisherigen Lehrerstundenmodell in Ganztagsschulen umwandeln, kämen wir auf zusätzlich 4 155 Lehrerstellen –

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Gut investiertes Geld!)

um einmal bei einem Landeshaushalt, der so ist, wie er ist, die Dimensionen klar zu machen, über die wir reden.

Deshalb sage ich Ihnen: Ich bin davon überzeugt, wir werden auch in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine Entwicklung im Land erleben, die uns bundesweit an der Spitze hält.

Zweitens: Ich bin der Meinung, dass wir in allen Teilen des Landes ganztägige Schulangebote, Ganztagsschulen brauchen.

Drittens: Dazu bedarf es eines guten Konzepts und dann auch der entsprechenden Lehrerausstattung.

(Zuruf des Abg. Röhm CDU)

Schließlich sage ich für alle Liebhaber des Wortes „flächendeckend“ – bislang hieß es immer „überall“ –: „Überall“ kann ich nicht finanzieren. Ich verspreche nicht mehr, als ich halten kann. Aber was ich verspreche, das haben wir bislang eingehalten.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

So halten wir es auch in den nächsten fünf bis zehn Jahren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Röhm CDU: Richtig! Bravo!)

Das Wort erhält Frau Abg. Rastätter.

Verehrte Frau Kultusministerin! Ich muss hier einfach Ihrer Legendenbildung erneut etwas entgegenarbeiten. Es ist in der Tat so, dass wir

bei der Anzahl der Schulen, die Ganztagsschulen sind, bundesweit mit an der Spitze stehen.

(Abg. Rückert CDU: Das ist gut so! – Abg. Röhm CDU: Sehr fair von Ihnen, Frau Rastätter!)

Das liegt aber einzig und allein daran, dass von den 504 Schulen, die Sie nennen, fast die Hälfte kleinste Sonderschulen mit wenigen Schülern sind. Weitere 170 – die haben Sie ja genannt – sind Hauptschulen, die ebenfalls sehr klein sind und bei denen wenige Schüler in den Ganztagsschulen sind. Wir haben wenige Ganztagsschulen bei den anderen Schularten. Im Grundschulbereich liegt die Zahl unter 20. Ich glaube, sie liegt momentan bei 15. Im Realschulbereich ist sie minimal. Im gymnasialen Bereich ist sie ebenfalls minimal. In diesen Bereichen, die dringend notwendig sind, wird der Ganztagsbereich in Baden-Württemberg fast ausschließlich über Privatschulen abgedeckt. Eltern sind gezwungen, ihre Kinder in Privatschulen zu schicken, weil es in den anderen Schularten keine Ganztagsschulen gibt. Was die Zahl der Schüler an Ganztagsschulen anbelangt, liegen wir weit unter dem Durchschnitt von großen Flächenstaaten wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen.

Zweitens: Ich bin total dagegen, dass Ganztagsschulen oder Schulen, die ganztägig geöffnet sind, zu Bewahranstalten werden.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das will ja nie- mand! – Zuruf von der SPD: Das will doch kein Mensch!)

Genau aus diesem Grund haben wir heute unseren Änderungsantrag vorgelegt, dem Sie hoffentlich zustimmen. Das Land muss auch für die Schulen, die mit IZBB-Mitteln gebaut werden, für die Sicherung der pädagogischen Qualität sorgen. Sie sind verantwortlich dafür, Frau Kultusministerin, dass dort anspruchsvolle pädagogische Konzepte umgesetzt werden.

(Abg. Wacker CDU: Das machen wir in einem Ge- samtkonzept!)

Ich kritisiere vehement, dass Sie nur die 504 Schulen zählen, die nach Ihrer Definition Ganztagsschulen sind, aber alle Ganztagsschulen, die mit IZBB-Mitteln gebaut werden, für Sie gar nicht als Ganztagsschulen zählen. Dabei sind es noch – Herr Wintruff hat ja die Frage gestellt; diese kann ich zahlenmäßig beantworten; ich habe nämlich tatsächlich nachgezählt – 300 bis 350 Schulen, die zusätzlich ausschließlich mit IZBB-Mitteln entstanden sind.

(Beifall des Abg. Dr. Caroli SPD)

Das heißt, wir haben mittlerweile rund 900 Schulen in Baden-Württemberg als Ganztagsschulen;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Theresia Bauer GRÜNE – Abg. Wintruff SPD: So ist es!)

Sie zählen aber nur 504.

(Abg. Wacker CDU: Aber es gibt doch KMK-Kri- terien, auf die man sich verständigt hat!)

Diese zusätzlichen Ganztagsschulen sind hauptsächlich Grundschulen, aber auch Hauptschulen, Gymnasien und Realschulen.

(Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)

Drittens: Wenn Sie wollen, dass an allen Ganztagsschulen Qualitätssicherung erfolgt, dann müssen Sie auch Landesmittel bereitstellen. Wir Grünen haben aufgezeigt, dass man durch Umschichtung, durch Effizienzsteigerung im Schulsystem, durch Verzicht auf diese Zersplitterung in ein selektives Schulsystem Mittel erwirtschaften kann, die man für den Ausbau von Ganztagsschulen verwenden kann. Wir haben aufgezeigt, wie man durch Abbau von Schulverwaltung bei der Reform der Schulverwaltung Mittel freischaufeln kann für Ganztagsschulen.

Deshalb sage ich noch einmal: Es geht um die Frage: Wo setze ich meine Prioritäten? Welche Schwerpunkte setze ich in der Bildungspolitik? Hier sehe ich nach wie vor weder bei den Regierungsfraktionen noch bei der Kultusministerin einen entscheidenden Durchbruch, Ganztagsschulen in Baden-Württemberg wirklich politisch zu wollen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Hauk CDU: Weil wir das halt ideolo- giefrei machen, Frau Rastätter!)

Das Wort erhält Herr Abg. Zeller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon interessant, Frau Ministerin, wie Sie um den heißen Brei herumreden. Da thematisieren Sie den Begriff „flächendeckend“. Ich will Ihnen sagen: Ein Verband, der wirklich unverdächtig ist, der SPD besonders nahe zu stehen, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, schreibt in einer bildungspolitischen Publikation:

Der Bedarf

da sind die Ganztagsschulen gemeint –

wird dagegen auf mindestens 20 %, eher 30 % veranschlagt.

Der Bedarf! Das ist ein flächendeckender Ausbau. Wir gehen von mindestens 20 % aus. Weiter heißt es – ich lese Ihnen das vor –:

Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft von 1991

da war, glaube ich, die CDU an der Regierung –

hat einen Bedarf von 40 % ausgemacht.