Wir müssen uns darauf verständigen können, dass bestimmte Bereiche dann eben auch so weiterlaufen. Wir dürfen hier nicht Sonntagsreden halten und dann gleichzeitig in der Politik etwas ganz anderes bestimmen.
Die Einnahmenseite sehen wir auch. Aber schauen Sie sich einmal die Streichliste im Sozialbereich an, und schauen Sie sich gleichzeitig die Liste an, die in dem ersten wissenschaftlichen Landesbericht zu der Frage enthalten ist, inwieweit das bürgerschaftliche Engagement unterstützt wird. Es ist ja fast identisch mit dem, was Sie da vorhaben. Das finde ich einfach unlauter. Das müssen Sie auch laut und deutlich sagen.
Nun noch ein Wort zu Ihnen, Herr Döring, obwohl ich eigentlich gar nicht vorgehabt habe, mich so lange mit Ihnen zu befassen.
Aber wenn Sie jetzt so große Worte zu diesen Unternehmen bringen, dann frage ich Sie: Wie war denn das auf Bundesebene? Wenn ich richtig informiert bin, haben doch Sie auf Bundesebene den Antrag gestellt, dass ein Staatssekretär, der in ein freies Wirtschaftsunternehmen wechselt, ein Jahr aussetzen sollte. Man sollte Sie an Ihren Taten messen, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der SPD – Abg. Capezzuto SPD: Ja- wohl! Genau! Richtig! Sehr gut! Die FDP wollte erst vor zwei Monaten sogar einen Untersuchungs- ausschuss auf Bundesebene einsetzen! – Abg. Hei- derose Berroth FDP/DVP: Das ist unter aller Kano- ne!)
Herr Präsident, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Ich würde gern das Thema „Würdigung und Anerkennungskultur des Ehrenamts“ noch einmal aufgreifen. Frau Staatssekretärin Lichy, Sie haben darauf hingewiesen, wie wichtig das Thema „Würdigung und Anerkennung“ auch für das Ehrenamt ist. Es ist in der Tat richtig: Das ist ein wichtiger Baustein zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und des Ehrenamts. Aber ich glaube, die beste Anerkennung und Würdigung der geleisteten ehrenamtlichen Arbeit wäre die Rücknahme der von Ihnen geplanten Kürzungen im ehrenamtlichen Bereich bei den Selbsthilfegruppen. Ich glaube, die meisten würden dann sogar gern auf die Teilnahme an der geplanten Fernsehshow „ECHT GUT! – Ehrenamt in Baden-Württemberg“ verzichten.
Zweiter Punkt: das bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen. Bisher war es so, dass es innerhalb der Kommune eine Art Kräftedreieck gab: Bürgerschaft, Verwaltung und Politik. So wurde das bürgerschaftliche Engagement bisher organisiert. In Zukunft muss aus diesem Kräftedreieck ein Kräfteviereck werden. Die Unternehmen müssen in dieses Kräfteverhältnis einbezogen werden. Dabei geht es nicht darum, irgendwelche rechtlichen Vorschriften zu erlassen
oder runde Tische einzuberufen, sondern es geht eher darum, den Unternehmen die Vorteile des bürgerschaftlichen Engagements aufzuzeigen. Dabei muss die Landesregierung eine moderierende Rolle einnehmen.
Wir haben dazu eine Veranstaltung durchgeführt, und ich bin in Baden-Württemberg viel zu diesem Thema herumgereist. Das Thema „Bürgerschaftliches Engagement“ stößt bei Unternehmen, vor allem bei kleinen Handwerksbetrieben und mittelständischen Betrieben, überall auf sehr großes Interesse, weil die Unternehmen, die vorher jahrelang Social Sponsoring betrieben und einmal im Jahr eine Veranstaltung unterstützt oder an Weihnachten einen Scheck spendiert haben, allmählich gemerkt haben, dass es auch im Sinne der Unternehmensphilosophie richtig ist, zu schauen, dass man seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über eine Kooperation mit sozialen Einrichtungen auch die Gelegenheit gibt, soziale Kompetenzen zu erlernen. Dass dabei eine Win-win-Situation herauskommt, finde ich legitim.
Es gibt viele Unternehmen, die bereit sind, zugunsten bürgerschaftlichen Engagements eine gewisse Verantwortung zu übernehmen,
die aber nicht richtig wissen, wie sie das machen sollen. Oft wissen sie auch nicht, wo es einen geeigneten Verein, einen sozialen Partner gibt. Von daher muss man Aufklärungsarbeit, Vernetzungsarbeit und Kooperationsarbeit betreiben. In Baden-Württemberg gibt es – Sie haben dazu ja gerade eine Fachtagung veranstaltet – schon eine umfassende Infrastruktur mit Agenturen und Stiftungen, die auf diesem Gebiet fit sind.
Deshalb weiß ich nicht, ob es tatsächlich notwendig ist, hierzu noch einmal ein eigenes Gutachten in Auftrag zu geben, wie es in der Stellungnahme zu unserem Antrag geschildert ist. Sie schreiben, dass Sie eventuell noch im Jahre 2004 ein Gutachten dazu in Auftrag geben werden. Es gibt inzwischen schon so viele Untersuchungen darüber, dass ich finde, die Landesregierung sollte da nicht so zögerlich sein und die Kooperationsmöglichkeiten zwischen Wirtschaft und bürgerschaftlichem Engagement, die es schon jetzt gibt, unterstützen. Sie sollte eine Initiative unter dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“ starten. Das würde dem Wirtschaftsministerium im Augenblick auch nichts schaden.
Es ist noch über den Antrag der Fraktion GRÜNE unter Tagesordnungspunkt 3 b – Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen in Baden-Württemberg –, Drucksache 13/2909, zu entscheiden. Es handelt sich um einen Berichtsantrag. Ich gehe davon aus, dass er durch die Aussprache erledigt ist. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.
a) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Einrichtung von Ganztagsschulen in Baden-Württemberg im Jahr 2004: Bestandsaufnahme über die Anzahl der Anträge auf Bundesmittel und den Stand des Ausbaus von Ganztagsschulen in Baden-Württemberg – Drucksache 13/3034
b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Verantwortung der Landesregierung für die Qualitätssicherung der Ganztagsschulen in Baden-Württemberg – Drucksache 13/3035
c) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Aufbau eines flächendeckenden Netzes an Ganztagsschulen in Baden-Württemberg mit Hilfe des Investitionsprogramms der Bundesregierung IZBB – Drucksache 13/2781
d) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Beabsichtigte Änderung der Fördersätze durch die Landesregierung beim Investitionsprogramm der Bundesregierung „Zukunft Bildung und Betreuung“ – Drucksache 13/3063
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung der Anträge der Fraktion GRÜNE, also die Anträge unter den Tagesordnungspunkten 4 a und 4 b, fünf Minuten, für die Begründung der Anträge der SPD-Fraktion unter den Tagesordnungspunkten 4 c und 4 d ebenfalls fünf Minuten und für die Aussprache über den gesamten Tagesordnungspunkt fünf Minuten je Fraktion.
Ich rufe noch zusätzlich den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 13/3736, zu dem Antrag Drucksache 13/3035 auf.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das 4-Milliarden-€-Programm der Bundesregierung IZBB zum Ausbau von Ganztagsschulen in ganz Deutschland ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte, vor allem in Baden-Württemberg. Das ist ja auch kein Wunder, denn hier haben wir den größten Nachholbedarf. Obwohl das Programm auf vier Jahre angelegt ist – von 2003 bis 2007 –, sind von der Gesamtsumme von 528 Mil
lionen €, die Baden-Württemberg zur Verfügung stehen, nach eineinhalb Jahren bereits 317 Millionen € bewilligt worden. Das heißt, zwei Drittel sind bereits in weniger als der Hälfte der Zeit abgerufen worden. Es ist davon auszugehen, dass bis zum Ende dieses Jahres, also nach zwei Jahren Laufzeit, bereits die gesamte Summe von 528 Millionen € beantragt sein wird.
Meine Damen und Herren, das zeigt doch ganz deutlich, dass die Kommunen, die sehr nahe an den Familien und an ihren Schulen sind, sofort erkannt haben, dass jetzt die einmalige Chance besteht, ihre Schulen zu modernisieren, ihre Schulen zu ganztägig geöffneten Einrichtungen auszubauen und zu Lern- und Lebensräumen für die Kinder zu gestalten – mit offenen Lernbereichen, mit Küchen und Speiseräumen, mit Nischen, mit Ruheräumen, mit Rückzugszonen, mit Möglichkeiten für Spiel und Sport. Im Gegensatz zur Landesregierung wissen die Kommunen aber auch, dass es zur Ganztagsschule in Baden-Württemberg künftig keine Alternative gibt. Die Ganztagsschule ist aus bildungspolitischen, gesellschaftspolitischen und ökonomischen Gründen dringend notwendig. Deshalb sage ich an die Adresse der Kultusministerin, Frau Schavan:
Zur überfälligen Modernisierung unseres Bildungswesens gehören nicht nur neue Qualitätsinstrumente wie Kerncurriculum, Bildungsstandards und Evaluation, sondern dazu gehören auch Ganztagsschulen. Für meine Fraktion sage ich dazu: Zur Modernisierung des Bildungswesens gehört auch die Überwindung des selektiven Schulsystems
Meine Damen und Herren, die Kommunen erhalten aber nicht nur sehr viel Geld vom Bund, sondern sie sind auch gezwungen, sehr viel Geld selbst zu investieren: Sie müssen zum einen 10 % bei jeder Investitionsmaßnahme und zum anderen auch das gesamte pädagogische Personal für den Nachmittag finanzieren. Zu Recht kritisieren deshalb auch der Städtetag und die anderen kommunalen Landesverbände, dass der Bund und die Kommunen die finanzielle Hauptlast der Ganztagsschulen tragen müssen, während das Land, das originär für die Bildungspolitik zuständig ist, die Kommunen im Regen stehen lässt.
Meine Damen und Herren, angesichts dieser Entwicklung muss die Blockadepolitik der Landesregierung und der Regierungsfraktionen beendet werden. Es ist längst nicht mehr zu akzeptieren, dass nur Hauptschulen in sozialen Brennpunkten in Baden-Württemberg zu Ganztagsschulen ausgebaut werden können. Wir haben doch folgende Entwicklung: Da die Kommunen hier die finanzielle Last tragen müssen, sind sie gezwungen, Schulgeld zu erheben. Für meine Fraktion sage ich: Wir Grünen lehnen Schulgeld für Ganztagsschulen ab. Wir lehnen dies deshalb ab, weil damit die Kinder, die eine Ganztagsförderung am dringendsten brauchen, von dieser Förderung ausgeschlossen bleiben. Deshalb darf es kein Schulgeld für Ganztagsschulen geben.
Das geht allerdings nur, wenn sich das Land an der Finanzierung der Ganztagsschulen beteiligt. Welche Situation haben wir denn jetzt im Vorfeld der Haushaltsberatungen? Die Situation ist so, dass sich Kultusministerin Schavan nun plötzlich als Obersparkommissarin darstellt. Ich zitiere:
Die Lehrerstellen, die im Zusammenhang mit dem Schülerzuwachs geschaffen werden, müssen zu einem erheblichen Teil wieder abgebaut werden, wenn es weniger Schüler gibt.
Dazu sage ich: Eine Kultusministerin – auch wenn sie sich zu Höherem berufen fühlt – muss doch dann, wenn sich eine Chance für eine Qualitätsverbesserung bietet, diese auch nutzen und darf nicht aus Profilierungsgründen meinen, Obersparkommissarin werden zu müssen.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Hauk CDU: Was wollen Sie denn mit den Lehrern machen, wenn die Schülerzahlen zurückgehen?)
Die Menschen in diesem Land warten darauf, dass für jedes Kind, das Ganztagsbetreuung braucht, ein Platz in jedem Alter angeboten und damit flächendeckende Versorgung auf- und ausgebaut wird.
Das sagte der Fraktionsvorsitzende Oettinger auf dem Grundsatzkongress der CDU. Dazu ist zu sagen: Willkommen im Club, wenn endlich auch vonseiten des Fraktionsvorsitzenden der CDU erkannt wird, dass in Baden-Württemberg Ganztagsschulen in der Fläche notwendig sind.
Aber, meine Damen und Herren, es geht jetzt auch darum, ein solches Versprechen einzulösen. Dazu haben wir, meine Damen und Herren, heute im Landtag einen Änderungsantrag zu unserem Antrag Drucksache 13/3035 eingebracht. Das Land soll danach erstens die Verantwortung für die pädagogische Qualitätssicherung der Ganztagsschulen übernehmen. Zweitens wollen wir, dass der Grundsatz der Schulgeldfreiheit in Baden-Württemberg sichergestellt wird; das heißt, wir brauchen Lehrerstellen und Lehrbeauftragtenmittel. Drittens brauchen wir bis Ende 2007 einen flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen an allen Schularten in Baden-Württemberg.
Wir haben diesen Änderungsantrag heute im Vorfeld der Haushaltsberatungen hier eingebracht. Jetzt soll die CDUFraktion mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Oettinger zeigen, wie ernst die zitierte Aussage gemeint ist. Denn wenn im kommenden Haushalt wiederum nichts passiert, ist sie nur heiße Luft. Sie haben heute die Chance, diesem Änderungsantrag zuzustimmen, um bereits für die kommenden zwei Jahre ein Signal zu setzen. Die Eltern und die Kinder in diesem Land können nicht mehr länger warten.