Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

Damals – das können Sie in den Protokollen nachlesen – haben alle Fraktionen, vorweg der Bundeskanzler, versprochen, dass man zwar keine Bestandsgarantie für diese Eigentumsförderung geben könne, dass aber kurzfristig nicht mit weiteren Kürzungen oder gar einer Streichung dieser Zulage zu rechnen sei.

Meine Damen und Herren, je kürzer die Halbwertszeiten solcher Versprechungen sind, desto mehr schwindet das Vertrauen in die Politik. Und wer wundert sich da noch?

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Wieser CDU: Bravo!)

Ich darf Ihnen eines sagen – nun soll die Zulage ja ganz gestrichen werden –: Ich will nicht auf die verheerende Wirkung auf die Bauwirtschaft hinweisen

(Abg. Dr. Caroli SPD: Wer sagt das jetzt?)

und auch nicht darauf, dass die fiskalischen Entlastungen zunächst gar nicht so groß sind. Es fallen Steuereinnahmen weg, und es fallen übrigens auch Sozialbeiträge weg. Darauf will ich nicht eingehen; denn da könnte man beim Schiffsbau und bei der Kohleförderung ähnlich argumentieren.

(Abg. Schmiedel SPD: Gehen Sie mal auf Meck- lenburg-Vorpommern ein!)

Wogegen wir uns aber wehren, ist dieser Verschiebebahnhof, indem die Streichung der Eigenheimzulage mit der Bildungspolitik gewissermaßen verbunden und beides gegeneinander ausgespielt wird. Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur eines sagen: Das ist eine sachwidrige Koppelung.

(Abg. Schmiedel SPD: Was ist mit Mecklenburg- Vorpommern?)

Niemand bestreitet, dass Bildung wichtig ist und dass man für diesen Bereich Geld braucht. Aber die einzige Koppelung, die Sie machen können, ist die: Wenn Sie diese Finanzhilfen oder Subventionen streichen, dann müssen Sie die Leute bei der Steuer entlasten. Denn wenn Sie das nicht tun, aber diese Förderinstrumentarien wegnehmen, dann bedeutet das hier in diesem Fall Steueranhebungen für junge Familien. Das betrifft die Familien, die zu den Schwellenhaushalten zählen. Das sind die Familien, die die Förderung am nötigsten haben. Eine faktische und praktische Steueranhebung für Familien machen wir nicht mit. Sie machen dabei mit; das müssen Sie auf Ihre Kappe nehmen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Noch etwas möchte ich Ihnen sagen, was auch sachwidrig ist: Wir nehmen den Mund voll und sagen, junge Familien müssten gefördert werden. Wir nehmen den Mund voll und sagen, wir müssten Vermögen bilden und selber zu unserer Altersvorsorge beitragen.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Dabei wissen wir, dass zwei Drittel dieser Förderung jungen Familien zukommen. Dabei wissen wir, dass es gar keine bessere Altersvorsorge geben kann, als in entschuldeten eigenen vier Wänden zu wohnen. Der Förderwert durch die Sparleistung und die Vermögensleistung ist viel höher als all das, was die Bundesregierung mit Milliardenzuschüssen im übrigen Vorsorgebereich macht. Die Gründe dafür, weshalb man da die Wohneigentumsförderung so auslässt, müssen Sie erst jemandem klar machen.

Noch eine weitere Sachwidrigkeit: Wir sind dafür, dass man für die Betreuung von Kindern Kinderkrippen, Horte und alle möglichen anderen Betreuungsangebote zur Verfügung stellt. Aber es gibt auch noch eine Betreuung in den Familien, in den eigenen vier Wänden. Und diese Betreuung wollen wir einmal nicht so gering schätzen. Da gibt es auch so etwas wie Geborgenheit. Ich weiß, das werden Sie als altväterlich ansehen.

(Zuruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD)

Aber für junge Familien gibt es eine Geborgenheit in den eigenen vier Wänden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Und diese Geborgenheit wird in Zukunft eher wichtiger werden, als sie es heute ist.

(Abg. Schmiedel SPD: Aus welchem Jahrhundert kommt das denn jetzt? – Abg. Kretschmann GRÜ- NE: Es wohnt doch in Deutschland niemand in Zel- ten! – Weitere Zurufe von der SPD und den Grü- nen)

Und nun noch ein letzter Punkt.

(Anhaltende Unruhe)

Je mehr Sie da reagieren, desto mehr sehe ich, dass es Sie trifft.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Das kommt ja aus der Stein- zeit! – Weitere Zurufe von der SPD, u. a.: Gebor- genheit gibt es auch in Mietwohnungen! – Abg. Kretschmann GRÜNE: Wohnt jemand bei uns im Zelt oder in Höhlen oder auf Bäumen? – Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Letzte Bemerkung, meine Damen und Herren: Wer wie wir jedenfalls will, dass im Mittelpunkt des Staates der Bürger steht, der Verantwortung für sich und sein Gemeinwesen übernimmt,

(Zurufe)

der darf die Wohnungsförderung nicht einfach so abputzen, wie Sie das tun.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Gaßmann SPD: Ei, ei, ei!)

Nicht nur diese trifft es, aber es sind insbesondere diejenigen Familien, die sich krumm legen, die nach einem bestimmten Lebensplan alle Mittel einsetzen und auf manches verzichten,

(Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

die Verantwortung tragen – und ich weiß aus eigener kommunaler Erfahrung, aus einer Bürgernähe,

(Zuruf von der SPD: Seit wann gibt es in der FDP Bürgernähe? – Unruhe)

die ich selbst praktiziert habe, dass es gerade diese Familien sind, die sich auch für das Gemeinwesen einsetzen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Allerletzte Bemerkung – ich komme zum Schluss –: Eigentum – und das ist für viele eben „nur“ Wohneigentum – gibt den Menschen auch einen Begriff von Freiheit.

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Carla Bregenzer: Was nun? Freiheit oder Geborgenheit?)

Das muss man auch sehen. Deshalb möchten wir unsere Landesregierung bitten, alles zu tun, dass das für die Wohneigentumsförderung vorgesehene Geld nicht einfach für etwas anderes verwendet wird, sondern den Familien bleibt. Dazu ist Unterstützung bei den A- und den B-Ländern notwendig.

Ich danke Ihnen und hoffe, dass wir mit dieser Debatte, die die CDU heute beantragt hat, auch Erfolg haben werden.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Schmiedel SPD: Das war der Gipfel der Differen- ziertheit! – Weitere Zurufe von der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Witzel.

Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Gerade wurde uns gesagt, dass Wohneigentum ein Zeichen für Freiheit sei. Für die Fraktion GRÜNE darf ich darstellen: Die Förderung von Wohneigentum ist für uns kein primäres Ziel. Wir sagen: Das ist eine wünschenswerte Sache, aber die Politik soll sich vorrangig um eine Wohnraumversorgung kümmern. Das ist für uns ein Ziel, an dem wir die ganze Debatte orientieren wollen.

(Beifall bei den Grünen)

Wir wissen, für dieses Ziel brauchen wir Instrumente. Aber ich sage klar und deutlich: Die Eigenheimzulage ist dafür das falsche Instrument. In einer Zeit, in der wir Schwierigkeiten haben, verfassungsgemäße Haushalte zu machen, müssen wir alle Leistungen einer Aufgabenkritik unterziehen. Die Eigenheimzulage gehört eben nicht zu den notwendigen Leistungen.

Herr Mack, ich halte auch nichts davon, wenn Sie jetzt fragen: Wollt ihr Eigenheimzulage oder wollt ihr Steinkohlesubventionen?

(Abg. Hofer FDP/DVP: Keine Steuererhöhungen für Familien!)

Für uns ist das Ergebnis: Beides ist schädlich, beides müssen wir abschaffen. Die Haushaltszwänge sind so stark, dass beides abgeschafft werden muss.

(Beifall bei den Grünen)

Es sind verschiedene Gründe für die Eigenheimzulage genannt worden. Ich möchte jetzt die Gründe gegen die Eigenheimzulage nennen. Die staatliche Wohneigentumsförderung ist geschaffen worden, um Wohnungsmangel zu beseitigen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Nicht nur!)

Dieses Ziel ist ja jetzt bekanntlich bundesweit erfüllt. Auch in Baden-Württemberg – sieht man von einigen Ballungsräumen ab – ist dieses Ziel erfüllt, teilweise sogar übererfüllt. Ich darf aus der „Badischen Zeitung“ vom 30. Oktober 2004 zitieren. Dort werden die Räume Franken, Ostwürttemberg und Teile des Schwarzwalds angesprochen. Ich zitiere:

Hier liegt die Zahl der Wohnungen in einigen Landkreisen so deutlich über der Zahl der nachfragenden Haushalte, dass vereinzelt von Leerständen auszugehen ist.