Protokoll der Sitzung vom 17.02.2005

Ein Solidarpakt gibt gleiche Grundfinanzierungen und Rahmenbedingungen für alle Hochschulen vor, ebenso eine Verlässlichkeit über mehrere Jahre hinweg. Das brauchen wir.

Herr Dr. Frankenberg, ich bitte Sie, schließen Sie sich der Auffassung von Herrn Oettinger an. Und: Sorgen Sie dafür, dass der Solidarpakt II nicht wieder zu einem Sparpakt wird, sonst haben Sie den schwarzen Peter wieder in der Hand.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Wacker CDU: Er ist der schwarze Peter!)

Herr Dr. Frankenberg, zum Schluss möchte ich Sie auffordern, das Schwarzer-Peter-Spiel zu lassen – Sie sind es ja – und stattdessen Spitzenpolitik für Spitzenhochschulen zu machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Pfisterer CDU: Der bleibt der schwarze Peter mit Spitzenpolitik! – Abg. Wacker CDU: Er ist der schwarze Peter!)

Das Wort erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Herrn Professor Dr. Frankenberg.

(Zuruf von der SPD: Nicht lügen! – Abg. Alfred Haas CDU: Jetzt kommt der schwarze Peter!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Begeben wir uns jetzt bitte auf den Boden der Tatsachen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Politik, so heißt es völlig richtig, beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit.

(Minister Dr. Frankenberg)

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der FDP/DVP: Sehr gut!)

In der Einbringungsrede zum Haushaltsentwurf 2005/2006 hat unser Finanzminister ausgeführt, dass wir vor einem der schwierigsten Haushalte in der Geschichte des Landes stünden. Ein solch schwieriger Haushalt, eine solch schwierige Finanzlage stellt eine große Herausforderung an die einzelnen Ressorts, auch an das Wissenschaftsressort, dar.

Übrigens, ich darf an gestern erinnern: Wir müssen nicht nur sparen, sondern einsparen, um auch in Zukunft noch Ressourcen für Wissenschaft und Forschung zu haben; denn wir können es uns nicht leisten, den Schuldenstand zu erreichen, den die SPD-regierten Länder in der Bundesrepublik erreicht haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wacker CDU: Sehr gut! – Abg. Pfisterer CDU: Wo ist jetzt Herr Drexler, um zuzuhören?)

Wir wissen, dass wir eine Spitzenstellung unserer Hochschulen in Wissenschaft, Forschung und Entwicklung in der Bundesrepublik zu verteidigen haben und dass wir diesen Vorsprung ausbauen müssen. Wir liegen bei den Pro-KopfAusgaben für unsere Hochschulen vorne und auch bei den Ausgaben pro Studierendem deutlich über dem Durchschnitt.

(Abg. Kaufmann SPD: Nicht wahr!)

Der dritte Platz liegt deutlich über dem Durchschnitt. x – beginnt bei 16 Bundesländern irgendwo bei acht. Die Länder, die vor uns liegen, liegen nicht vor uns, weil sie mehr Geld ausgeben, sondern weil sie weniger Studierende haben. Dies sind östliche Länder mit einem relativ geringen Anteil an Studierenden; Relativzahlen haben es an sich, dass es eine Zahl über und eine Zahl unter dem Bruchstrich gibt.

Frau Bregenzer, wenn Sie sagen, wir seien ein reiches Land und müssten uns für unsere Hochschulen doch mehr leisten, darf man daran erinnern, dass wir in Wirklichkeit vor dem Länderfinanzausgleich reich sind, aber nach dem Länderfinanzausgleich dort stehen, wo auch die anderen Länder sind.

(Abg. Rückert CDU: So ist es! – Zuruf der Abg. Inge Utzt SPD)

In Relation dazu geben wir viel Geld für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung aus.

Wenn Sie unseren Anteil am Landeshaushalt mit 10,8 oder 10,7 % im Jahr 2005 bzw. 2006 sehen, muss man mit Blick auf die Einsparzwänge – auch Sie alle fordern, dass weniger Schulden gemacht werden – auch sehen, dass unsere proportionale Beteiligung an den Kürzungen gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung zeigt, dass die Landesregierung eine Priorität für Wissenschaft und Forschung, für die Hochschulen und auch die Kunst setzt. Unsere Prozentzahlen hinsichtlich der Kürzungen sind unterproportional, wenn man sie in Relation zu unserem Haushaltsanteil sieht.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Kein Einzelplan hat so hohe Einsparauflagen!)

Es geht hier auch um das Relative, genauso wie ich auch mit meinem eigenen Einkommen relativ arm oder reich bin. Wir haben relativ geringere Einsparauflagen, die wir allerdings voll erfüllen. Das ist auch richtig.

Die Relativität ist für Einstein ja ein wichtiger Begriff gewesen. Unser Ziel muss es eigentlich sein, wieder Einsteins aus unseren Hochschulen hervorzubringen, wieder mehr Nobelpreise zu erhalten und noch mehr Spitzenleistungen in der Forschung zu erzielen.

In der Tat sind die Einsparungen schmerzlich. Da kann man das ein Schwarzer-Peter-Spiel nennen oder nicht. Es gibt eine Solidarität innerhalb einer Regierung. Es gibt eine Verantwortung einer Regierung vor diesem Land, und es gibt eine Verantwortung der Regierung vor den zukünftigen Generationen, nämlich die Verantwortung, ihnen keinen zu hohen Schuldenberg zu hinterlassen. So haben wir 57 Millionen € bzw. 50,6 Millionen € an Vorbelastungen zu tragen und müssen insgesamt 84,8 Millionen € Belastung im Jahr 2005 und 83 Millionen € in 2006 bewältigen.

Wer aber für nachhaltige Bildungsinvestitionen ist, muss auch zukünftig Spielräume im Haushalt belassen. Zusätzliche Kreditaufnahmen schmälern die Basis für zukünftige Bildungsausgaben. Man kann auch keine nachhaltige Bildungsfinanzierung durch Schulden erreichen.

Unser Land hat übrigens mit einem Anteil von 3,9 % am Bruttosozialprodukt die höchsten FuE-Ausgaben aller Bundesländer. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 2,5 %. Wir wissen also, was Manfred Rommel meinte, als er gesagt hat: „Wir werden wieder lernen müssen, dass, wer ernten will, auch säen muss.“ Er sagte: „Wir dürfen nicht dazu neigen, das Saatgut zu verbrauchen.“ Das Saatgut ist die Wissenschaft.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Dann tun Sie es auch nicht!)

Insofern, Frau Bauer, verstehe ich als „schwarzer Peter“ auch etwas vom Saatgut. Vielleicht ist es doch manchmal besser, wenn ein schwarzer Peter die Hochschulpolitik macht, als ein grüner Bauer, der beim Saatgut vielleicht zu selektiv wäre.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP)

Die Einsparungen, die wir vornehmen müssen, betreffen richtigerweise auch die Forschung. Aber für die Forschung kommt es darauf an, was unter dem Strich herauskommt.

(Abg. Wichmann SPD: 455 000 €!)

Ich habe gesagt: unter dem Strich. – Unter dem Strich gilt, was wir aus Haushaltsmitteln und was wir für die innovativen Projekte in der Forschung über die Landesstiftung und die Zukunftsoffensiven zur Verfügung haben. Das ist weit mehr, als es andere Bundesländer vermögen.

Es geht uns aber auch darum, dass wir eine Spitzenstellung unserer Hochschulen nicht nur in Deutschland haben, sondern dass wir auch eine Spitzenstellung in Europa und weltweit haben. Aber man muss immer auch sehen: Das bezieht sich auf den Vergleich mit staatlichen Hochschulsystemen.

(Minister Dr. Frankenberg)

Der Vergleich mit Harvard oder anderen geht fehl, weil wir solche Bedingungen nie schaffen können. Insofern sollten wir das richtige Benchmarking wählen.

Wenn wir sehen, dass unsere Hochschulen in den letzten Jahren eine Spitzenstellung in Deutschland erreicht und gehalten haben, so hat dies sicherlich auch am Solidarpakt gelegen. Kein anderes Land hat eine solche Sicherung der Hochschuletats erreicht wie wir. Dieser Solidarpakt hält. Es gibt dort keinen Zwang des Wissenschaftsministers gegenüber den Rektoren. Wenn Sie Rektoren wirklich kennen würden, wüssten Sie, dass ein solcher Zwang relativ sinnlos wäre.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Oje!)

Die Fachhochschulen haben wir in der Tat bei den Einsparungen um 7 Millionen € entlastet. Das war notwendig, um die Fachhochschulen, die einen wesentlichen Anteil an der qualitativ hochwertigen Ausbildung, Forschung und Entwicklung leisten, besser zu stellen.

Bei den Pädagogischen Hochschulen geht es auch darum, was unter dem Strich herauskommt. Es kommt für die Studierenden bei gleicher Personalzahl mehr Lehre heraus. Das Studium wird verbessert. Die Pädagogischen Hochschulen – das zeigen die Rankings, und das zeigt das Ranking und die Evaluation der Erziehungswissenschaft – bilden gute Lehrer aus. Denn wir wären bei PISA sicher nicht weit besser als der Bundesdurchschnitt, wenn unsere Pädagogischen Hochschulen nicht in der Lehrerbildung besser wären als die Universitäten anderer Bundesländer.

Wir haben aber bei dem Ziel, eine europäische Spitzenstellung in mehr Bereichen zu erzielen, noch einen weiteren Weg zurückzulegen. Dieser weitere Weg, den wir zurücklegen müssen, betrifft die Strukturen und auch die Finanzierung. Aber auf diesem weiteren Weg wissen wir auch, dass wir Personaleinsparungen vornehmen müssen – dies haben wir bereits getan –, weil der Personalhaushalt insgesamt den Landeshaushalt zu stark belastet. Wir werden auch im Ministerium von 280 Stellen, die wir dort noch im Jahr 1999 hatten, auf 228 Stellen im Jahr 2011 reduzieren. Wir verlangen also nicht nur Opfer von anderen, sondern wir bauen selber ab – was wir auch können, weil wir sinnvollerweise viele Aufgaben, die bisher bei uns waren, an die Hochschulen übertragen.

Wir wissen alle, dass Hochschulen und Forschung, dass die Köpfe und die Forschungsergebnisse für die Zukunft eines Technologielandes wie Baden-Württemberg entscheidend sind. Wir wissen auch, dass wir bis 2020 Studierendenzahlen haben werden, die um 20 % über dem heutigen Niveau liegen. Diese Herausforderung müssen wir meistern, und zwar nicht nur, indem wir die Qualität der Hochschullehre erhalten, sondern auch, indem wir etwa bessere Betreuungsrelationen und eine Verbesserung der Absolventenzahlen erreichen.

Wir haben nicht – und das ist der Irrtum der OECD-Studie und auch der Irrtum von Frau Bulmahn – zu wenige Studienanfänger; wir haben in Deutschland allenfalls zu wenige, die Examen machen. Wir müssen die Bedingungen der Lehre verbessern, sodass nicht 50 oder 60 % der Studienanfänger Examen machen, sondern 95 % oder mehr. Kein Un

ternehmen käme, wenn 50 % der Produkte nachher auf dem Markt nicht ankommen, auf die Idee, zu sagen: Wir lösen das Problem durch Steigerung der Produktionszahlen. Man würde es vielmehr durch eine Verbesserung des Qualitätsmanagements lösen. Genau das wollen wir.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Carla Bregenzer SPD: Dafür sind ja aber die Länder zuständig! Das ist Aufgabe der Länder! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Studierende sind aber keine Produkte, Herr Minister!)

Aber in einem Sinne sind sie Produkte, und zwar in dem Sinne, dass Produkte erfolgreich sein müssen und dass Produkte so herangebildet werden müssen, dass sie zum Erfolg geführt werden können.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Das ist eine Frage der Schule und nicht der Hochschule!)

Die Hochschulreform war ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. Denn Eigenverantwortlichkeit der Hochschulen heißt, dass sie sowohl für die Studierenden als auch für ihre gesamte Institution mehr Eigenverantwortung übertragen bekommen und wahrnehmen, und zwar in vielerlei Hinsicht, von den Berufungen bis zu den Gehältern, bis hin zu der Verantwortung für die Qualität der Studiengänge. Deshalb war das neue Hochschulgesetz ein Gesetz, das den Hochschulen die Autonomie gibt, die die Mitwettbewerber im europäischen oder weltweiten Rahmen haben. Denn man kann immer nur so gut sein wie die anderen, wenn man auch die gleichen strukturellen Voraussetzungen hat. Diese haben wir mit der Hochschulgesetzgebung geschaffen.

Dass dies natürlich auch eine Mentalitätsveränderung nach sich ziehen muss und dass diese länger dauert als eine Gesetzgebung, auch das ist klar. Wir haben für die weitere Entwicklung einen Beraterkreis eingerichtet, der uns Rat geben soll, um in diesem internationalen Benchmarking mithalten zu können.