Protokoll der Sitzung vom 17.02.2005

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Situation ist ernst, und das spüren gerade die im Kultur- und speziell im Kunstbereich Aktiven, weil sie von allen Seiten in die finanzielle Schere geraten. Der Kollege Vetter hat die Kommunen schon angesprochen, die, genauso wie das Land, sparen müssen. Auch die Besucher haben weniger Einnahmen und weniger verfügbare Mittel und müssen deswegen genau überlegen, wofür sie sie einsetzen.

Die FDP/DVP-Fraktion geht deshalb völlig damit einig, dass im Doppelhaushalt des Landes diesmal nur sehr moderate Kürzungen zu verzeichnen sind und diese sich mehr auf Personalstellen in der Verwaltung als auf Zuschüsse beziehen. Der Grund ist – auch das wurde bereits vom Kollegen Vetter ausgeführt –, dass die Einsparungen schon in den letzten Jahren an der Grenze des Machbaren angelangt sind. Ich bin froh, dass es den Koalitionsfraktionen gelungen ist, die vorgesehenen Kürzungen bei den Kommunaltheatern zurückzunehmen. Diese hätten nämlich nicht nur zu Quantitäts-, sondern vor allem auch zu massiven Qualitätseinbußen geführt, wie sie auch in vielen anderen Fällen eingetreten wären.

Trotzdem werden wir daran festhalten müssen, auch hier nach weiteren Möglichkeiten dafür zu suchen, wie wir das Vorhandene und Nötige mit weniger Geld erhalten können, damit wir auch künftig wieder Freiraum für Neues bekommen.

Viel besser ist es jedoch, wenn sich die Einrichtungen selbst mit diesem Thema befassen. Die Kooperation der Ballettkompanien von Freiburg und Heidelberg ist ein solch gutes Ergebnis. Auch im Landesmuseum für Technik und

Arbeit in Mannheim wird zurzeit ein Konzept erstellt, das den Bestand des Hauses absichern soll.

Kurz zu den Anträgen, Frau Kollegin Utzt: Bei den Orchestern muss ich mich auf das verlassen, was ich vom Ministerium gehört habe, nämlich dass es sich bei den Kürzungen einfach um den Vollzug von Beschlüssen der schon vor Jahren gebildeten Kulturstrukturkommission handelt.

(Widerspruch der Abg. Inge Utzt SPD)

Ich muss Ihnen sagen: Die beiden Ensembles sind auch nicht auf uns zugekommen, sodass ich mir gar keine Meinung dazu bilden konnte. Wie Sie allerdings mit 2 400 € all das tun wollen, was Sie für das Pforzheimer Kammerorchester gerade aufgeführt haben, ist mir einigermaßen schleierhaft.

Zu dem Thema „soziokulturelle Zentren“: Es ist uns allen klar, dass es natürlich sehr sinnvoll wäre, wenn man das Geld hierfür ausgeben könnte. Das ist gar keine Frage. Aber Sie wissen auch, dass das Land nur sehr, sehr wenig Möglichkeiten hat, die Einnahmeseite zu beeinflussen. Deshalb müssen wir auf der Ausgabenseite reagieren, wenn die Einnahmen weniger und die Verpflichtungen, die uns gesetzlich, auch aus Berlin, übertragen werden, immer höher werden.

Wir haben große Wertschätzung für die soziokulturellen Zentren, die sich unter anderem darin zeigt, dass wir in den letzten Jahren im Gegensatz zu allen anderen Entwicklungen die Mittel für sie erhöht haben. 2002 betrug dieser Etatposten noch 1,21 Millionen €, und heute sind es 1,54 Millionen €. Ich denke, das spricht für sich. Wir zeigen damit auch, dass die Arbeit der soziokulturellen Zentren, bei denen auch sehr viel ehrenamtliche Arbeit geleistet wird, von uns geschätzt und honoriert wird.

Bei dieser Gelegenheit will ich auch einmal den Dank an die vielen Menschen aussprechen, die sich ehrenamtlich für das vielfältige kulturelle Leben im Lande an sehr vielen Stellen erfolgreich engagieren. Sie halten die vom Kollegen Vetter und auch von Minister Dr. Frankenberg so deutlich dargestellte kulturelle Breite, die wir in unserem Land haben, aufrecht.

(Beifall der Abg. Dr. Noll FDP/DVP und Dr. Vet- ter CDU)

Der Bund der Steuerzahler hat kritisiert, es würden zu viele öffentliche Mittel für Kunst ausgegeben. Dazu kann ich nur eines sagen, meine Damen und Herren: In Zeiten, in denen alle über die PISA-Ergebnisse jammern, dürfen wir nicht vertrocknen lassen, was Generationen vor uns aufgebaut haben. Für mich ist Kulturförderung genauso eine Infrastrukturaufgabe wie Straßenbau oder die Finanzierung von Schulen und Hochschulen.

Kunst hat außerdem – das wurde auch schon gesagt – wirtschaftliche Aspekte. Unsere Hotels und Restaurants profitieren nicht nur von Musicalbesuchern, sondern auch von Gästen, die nach Baden-Württemberg kommen, weil es hier hervorragendes Theater, eine hervorragende Oper, ein hervorragendes Ballett etc. gibt und weil man auch aus dem Schwarzwald sehr schnell hochwertige kulturelle Veranstal

tungen erreichen kann. Konzert- und Museumsbesucher zahlen nicht nur Konzertkarten, sondern geben auch Geld für Essen und alles Mögliche aus.

Deshalb ist es wichtig, der alten Erkenntnis zu folgen: „Was du ererbt“ – ich übertrage es – „von deinen Eltern, erwirb es, um es zu besitzen.“

Meine Damen und Herren, Albert Einstein wurde einmal gefragt, was denn wichtiger sei, Wissen oder Fantasie. Er hat sich sehr schnell und klar für die Fantasie entschieden mit der Begründung, diese sei schließlich viel seltener. Deshalb ist Kunst als wichtigster Nährboden für Fantasie ein dringend notwendiges Unterstützungsprojekt, bei dem der Staat sich engagieren muss. Wir müssen Kunst und Kultur fördern. Deshalb hat auch die Bewerbung von Karlsruhe als Kulturhauptstadt Europas 2010 mit Recht die Unterstützung der FDP/DVP.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Vetter CDU – Abg. Wintruff SPD: Meinen Sie, das nützt etwas?)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kulturförderung ist Zukunftsinvestition und nicht Subvention. Ich sage das ausdrücklich hier an dieser Stelle, weil der Bund der Steuerzahler in den letzten Tagen wieder gefordert hat, die Kulturförderung auf die Liste der Subventionen zu setzen. Diese Ansicht teilen wir Grünen nicht. Kulturförderung ist vielmehr eine öffentliche Aufgabe und eine Kernaufgabe des Landes, auch und besonders in Verbindung mit dem kulturellen Bildungsauftrag.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Inge Utzt SPD)

Aber Kulturpolitik ist auch aktive Gesellschaftspolitik, und die Verteidigung des Status quo, sich einfach auf dem Erreichten auszuruhen, greift entschieden zu kurz, denn die konzeptionellen Grundlagen sind brüchig geworden. Die Strukturen sind problematisch. Jetzt, da auch die Finanzen wegbrechen, zeigt sich das besonders deutlich.

Deshalb kommt es darauf an, die Kunstkonzeption des Landes weiterzuentwickeln, zum einen, damit wir die künstlerischen Leuchttürme, die wir im Land haben, erhalten können, zum andern aber auch, damit alltägliche kulturelle Stätten – so nenne ich sie einmal – wie Bibliotheken, Volkshochschulen, soziokulturelle Zentren sowie Kulturarbeit in Projekten und Vereinen und vieles mehr erhalten bleiben können. Diese Einrichtungen sind, wie der Kollege Vetter auch schon gesagt hat, in ihrer Existenz gefährdet. Deswegen kann es kein „Weiter so!“ geben.

Andere Bundesländer haben da schon einiges gemacht und Initiativen ergriffen: Sachsen mit dem sächsischen Kulturraumgesetz, Brandenburg mit einer Kulturentwicklungskonzeption, Schleswig-Holstein mit einer Evaluation und Neuausrichtung seiner Kulturförderung. In Baden-Württemberg hingegen haben wir bisher immer noch Stillstand.

(Abg. Inge Utzt SPD: Leider!)

Die Kultureinrichtungen im Land haben überhaupt keine Planungssicherheit mehr. Jeden Herbst müssen sie mit dem Zittern anfangen, weil sie nicht wissen, wie viel Zuschüsse sie im nächsten Jahr erhalten werden und wie stark die Kürzungen sein werden. Sie sind schon jetzt nur mit der Verwaltung des Mangels beschäftigt. Diese Politik lehnen wir entschieden ab, und wir fordern eine Weiterentwicklung der Kunstkonzeption und einen Solidarpakt für die Kultur hier im Land.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Fischer SPD)

Herr Vetter hat die Ziele genannt, die die Regierungsfraktionen hier beim Haushaltsplan hatten. Ihre Ziele in Ehren, aber es ist nicht erkennbar, dass Sie sie tatsächlich umgesetzt haben. Wir haben immer noch die Fortsetzung der pauschalen Einsparauflagen, auch wenn mittlerweile klar ist – Sie, Herr Vetter, haben es gesagt, und auch der Herr Minister hat es gesagt –, dass die Kürzung mit dem Rasenmäher an ihre Grenzen gestoßen ist und dass strukturelle Änderungen erfolgen müssen. Aber alles, was wir bisher dazu gehört haben, ist doch recht vage. Es gibt überhaupt keine Aussagen, wie das gehen soll und wer das machen soll. Irgendwann war in der Presse einmal etwas von einer „AG Foresight“ zu lesen. Das war das einzige Mal, dass ich etwas von dieser ministeriellen Arbeitsgruppe gehört habe.

(Heiterkeit des Abg. Braun SPD)

Vielleicht können Sie uns einmal Auskunft geben, was diese Arbeitsgruppe denn tatsächlich macht. Denn wenn sie Strukturveränderungen vorbereitet, sollten die auch in der Öffentlichkeit und mit der Kultur im Land und nicht nur im Ministerium diskutiert werden.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Wir brauchen also eine Weiterentwicklung der Kunstkonzeption hin zu einer nachhaltigen, innovativen und verlässlichen Kulturpolitik. Nachhaltigkeit heißt, dass wir in Zukunft Projekte nur noch unter der Voraussetzung beschließen können, dass auch den nachfolgenden, den künftigen Generationen im Bereich Kultur Handlungsspielraum bleibt. Wir müssen uns diesen Handlungsspielraum erst einmal wieder schaffen, und wir dürfen ihn nicht weiter einschränken, auch im Interesse derjenigen, die nach uns kommen.

Ein paar Kriterien, die für eine Weiterentwicklung der Kunstkonzeption wichtig sind:

Ein wichtiger Punkt und eine Begründung für öffentliche Kulturförderung ist die Förderung von Kunst, die es schwer hat, die sich nicht auf dem Markt behaupten kann, Kunst von jungen Künstlerinnen und Künstlern, die ohne eine öffentliche Förderung keine Chance hätten.

Es ist wichtig, darauf zu achten, dass in Zukunft die Besucherinnen, Besucher und Nachfrager stärker in den Blickpunkt kommen, dass man neue Gruppen an Interessierten, an Besucherinnen und Besuchern anspricht und dass man auch Angebote erarbeitet, die sowohl für Eltern als auch für ihre Kinder gleichermaßen attraktiv sind.

Wir brauchen eine stärkere Honorierung bürgerschaftlichen Engagements. Frau Kollegin Berroth, wir haben zusammen

diesbezüglich an einer Podiumsdiskussion teilgenommen. In der öffentlichen Debatte wird viel zu wenig die Bedeutung ebendieses bürgerschaftlichen Engagements in Kulturvereinen herausgearbeitet. Auch im Kulturbereich ist es wichtig, das Ehrenamt und das bürgerschaftliche Engagement zu stärken.

Wir brauchen chancengleichen Zugang zu den Angeboten.

Und nicht zu vergessen, was auch schon angesprochen worden ist: Wir brauchen eben nicht nur den Blick auf die Zentren, sondern auch den Blick auf die Regionen im Land. Es ist wichtig, kulturelle Aktivitäten und Einrichtungen vor Ort auch in Zukunft zu erhalten.

Wir brauchen mehr Spielräume, um neue und innovative Impulse zu setzen, und wir haben einen Antrag vorgelegt, um genau dies zu tun, nämlich ein Förderprogramm für kommunale Handlungskonzepte zum Thema Interkultur aufzulegen.

In diesen Haushaltsberatungen haben wir auch schon über das Thema „Integration und Zuwanderung“ gesprochen. Das Zusammenleben verschiedener Kulturen in BadenWürttemberg stellt eine große Herausforderung dar. Diese Integrationsaufgabe, die wir haben, ist ein Teil der Kulturarbeit und muss auch in der Kulturpolitik des Landes berücksichtigt werden.

(Beifall bei den Grünen)

Leider spielt die Interkultur auf Landesebene bislang kaum eine Rolle, obwohl sie die Debatten über Kulturpolitik auf Bundesebene bestimmt. Mit dem beantragten Förderprogramm wollen wir ausgewählte Kommunen anregen, ein Handlungskonzept zum Thema Interkultur zu erarbeiten, sodass zugewanderte Bevölkerungsgruppen verstärkt Zugang zu den Kultureinrichtungen erhalten, dass sich aber auch die Szenen der Zugewanderten in die Gesellschaft öffnen und hier eine neue Ebene der Verständigung entsteht.

Innenminister Rech hat gestern gesagt, es dürfe keine Parallelgesellschaften geben. Interkulturarbeit kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Wir bitten deshalb um ihre Unterstützung für unseren Antrag.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich dem Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Herrn Michael Sieber.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen wir vielleicht einmal ein paar Fakten sprechen: Wir in Baden-Württemberg nehmen den Verfassungsauftrag zusammen mit unseren Kommunen ernst, weil wir davon überzeugt sind, dass die Kulturförderung im Kanon der Landesaufgaben kein schmückendes Beiwerk, also kein Ornament, sondern ein Fundament des Staates ist und somit zu den Kernbereichen des Staates gehört.

Wir stehen – ich sage jetzt nicht in dürftiger Zeit, aber unter härteren Bedingungen – zu unserer Verantwortung, den kul

turellen Einrichtungen und den Kulturschaffenden im Land die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Wir alle profitieren davon.