Protokoll der Sitzung vom 23.02.2005

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

Ich will dazu nur sagen: Ich bin ein Anhänger der Pressefreiheit. Ich habe mich in einer Zeit, in der es hieß: „Enteignet Springer!“, für die Pressefreiheit eingesetzt. Aber der Pressefreiheit entspricht auch ein Stück Verantwortung im Umgang mit Politikern. Auch das, was hier geschieht, bestimmt das Bild der Politiker.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Hinter dem ganzen Thema „Politik und Geld“ – ob es Diäten oder Ministergehälter sind oder ob es die Altersversorgung im einen wie im anderen Fall ist – steht doch eigentlich die Frage, welchen Typ von Politiker wir wollen. Wer soll in die Politik gehen? Wie kommt man aus einem politischen Amt auch wieder vernünftig heraus?

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Heil!)

(Minister Müller)

Welches Bild haben wir von der Politik? Wie soll der Politiker seine Aufgabe wahrnehmen?

Wollen wir den Berufspolitiker, der sich in jungen Jahren und mit kleinem Einkommen über bescheidene Diäten freut, der sein Leben lang Angst hat, sein Mandat zu verlieren, der sich ständig dafür entschuldigt, dass es ihn gibt, und mit 65 Jahren bei einer schmalen Altersversorgung wieder ausscheidet? Oder wollen wir umgekehrt vielleicht den Politiker, der materiell so gut abgesichert ist, dass er sich den hobbymäßigen Ausflug in die Politik gelegentlich einmal erlauben und leisten kann? Oder wollen wir in unserer Gesellschaft einen Wechsel von Talenten, die das eine wie das andere machen könnten?

Deswegen muss die Politik zu halbwegs konkurrenzfähigen Bedingungen Arbeitsplätze, Funktionen, Aufgaben und Verantwortung anbieten können. Für Menschen, die befähigt sind, die die innere und die äußere Freiheit haben, ein Stück weit auch die materielle Freiheit, dass sie authentisch sein können, dass sie autonom sind, dass sie mutig entscheiden können, dass sie nicht nur daran denken müssen, wie sie lebenslang in diesem System bleiben,

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Aber doch nicht über Gebühr!)

muss es auch eine Ausstiegsmöglichkeit geben, die nicht mit dem wirtschaftlichen Ende desjenigen verbunden ist, der diese Konsequenz zieht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Boris Palmer?

Sofort, ich will nur noch einen Satz sagen.

Ich glaube, wenn Politik konkurrenzfähig gegenüber anderen gesellschaftlichen Bereichen sein soll, wenn auch hier so etwas wie das Leistungsprinzip gelten soll, dann brauchen wir Umstände, die die Politik konkurrenzfähig machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Bitte schön, Herr Palmer.

Herr Minister, sehen Sie neben der Verantwortung der Opposition durch überzogene Kritik für das schlechte Ansehen der Politik insgesamt und der Verantwortung der Presse durch Kampagnen gegen Politiker auch eine Verantwortung von Regierungen für das Ansehen der Politik, zum Beispiel wenn es um die Weiterverwendung von Ministern in Brauereien oder Lottogesellschaften geht?

(Abg. Drexler SPD: Das wird natürlich nicht kriti- siert!)

Ich habe ja vorhin gesagt – das war mein erster Punkt –, es ist nicht auszuschließen, dass es dafür auch objektive Anlässe geben kann. Man könnte viele Situationen durchspielen, in denen man sich darüber streiten kann: Ist es ein solcher Fall oder nicht? Aber dass es dieses objektive Fehlverhalten auch geben kann, individuell oder strukturell, ist keine Frage.

Alles, was ich bisher dargestellt habe, ist im Prinzip ein Grundverständnis von 16 Bundesländern und dem Bund. Die Forderung der SPD, zum Teil auch der Grünen – da differenziere ich sehr wohl; mir hat einiges an Ihrer Argumentation gefallen, Herr Oelmayer, vor allem das Rückwirkungsverbot, das ist ein ganz zentraler Punkt – –

(Heiterkeit bei den Grünen – Abg. Oelmayer GRÜ- NE: Das glaube ich!)

Ich gebe Ihnen ja nur Recht.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Wenn Ihnen nur die an- deren Sachen auch gefallen hätten!)

Das ist eine rechtsstaatliche Argumentation gewesen, die verfassungsmäßig geboten ist. Über das andere kann man reden. Ich habe darüber ja noch gar nichts gesagt.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Immer nur reden, re- den, reden! Wann fangen Sie an zu handeln?)

Ich komme auf das Rückwirkungsverbot noch einmal zu sprechen. Es war ja der zentrale Ansatzpunkt der SPD, dass sie von diesem Prinzip nichts wissen wollte. Die Änderungsvorschläge, die jetzt von der SPD kommen, sind im Wesentlichen unvereinbar mit dem, was wir bisher in 16 Ländern und im Bund haben. Die SPD orientiert sich an den Vorurteilen, die sie selbst vorher geschürt hat.

Ich will Ihnen das an einigen Punkten zeigen. Ministerpension mit 65: Es ist wahr, das ist in Bayern seit einem Jahr eingeführt, in 15 anderen Ländern und im Bund nicht.

(Abg. Birzele SPD: 14 allenfalls!)

Man sollte vielleicht hinzufügen, dass die Ministergehälter in Bayern ein erhebliches Stück höher als in Baden-Württemberg sind,

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das hat damit nichts zu tun!)

und auch sonst ist die Ausstattung ganz nett – um es so zu sagen. In 15 von 16 Ländern haben wir die Regelung, die es in Baden-Württemberg gibt.

Die Forderung der SPD, dass Rechtsänderungen im Ministergesetz sofort gelten müssten, gilt in keinem einzigen Bundesland, und zwar aus wohl erwogenen und verfassungsrechtlichen Gründen. Herr Drexler, Sie haben bis in die letzten Tage hinein davon gesprochen, dass es sich dabei um einen Akt dreister Selbstbedienung handle.

(Abg. Drexler SPD: Sie haben das 1998 selbst be- schlossen!)

(Minister Müller)

Diese so genannte dreiste Selbstbedienung ist nichts anderes als die jeweils geltende Rechtslage

(Abg. Drexler SPD: Sie haben es für sich selber be- schlossen!)

unter Berücksichtigung dieses Rückwirkungsverbots. Kein einziges Bundesland hat je bei einer Änderung des Ministergesetzes eine Rückwirkung beschlossen.

(Abg. Drexler SPD: Aber bei der Rentenversiche- rung machen Sie es laufend!)

Bei der vollen Anrechnung künftiger Einkünfte im Verhältnis zu den Pensionen will ich nur fragen: Wie kann man eine Anrechnung von Einkünften auf Pensionen verlangen, wenn man zu gleicher Zeit verlangt, dass die Pension erst mit 65 bezahlt wird? Es ist ja selbst in diesen Bereichen, im Beamtenbereich oder bei den normalen Arbeitnehmern, nicht der Fall, dass ab 65 noch etwas angerechnet wird. Wie ist die Frage zu beantworten bei den Bürgermeistern, die selbstverständlich nach ihrem Ausscheiden hinzuverdienen dürfen? Wie ist die Frage zu beantworten, ob eine solche Anrechnung gerecht ist und ob sie nicht manipulierbar wäre?

Die Altersversorgung aus den eigenen Beiträgen: Auch dies macht bis zur Stunde kein einziges Bundesland, meine Damen und Herren.

(Abg. Drexler SPD: Doch, Nordrhein-Westfalen!)

In Nordrhein-Westfalen beginnt die Diskussion darüber. Ich bin einmal gespannt, wie diese Diskussion ausgehen wird. Denn immerhin müssen dort die Diäten schon ganz gewaltig erhöht werden. Ich bin der Auffassung, dass dies ein falscher Weg ist.

Die SPD bewegt sich in all diesen Schlüsselfragen wie ein Geisterfahrer und wundert sich über den starken Gegenverkehr.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Drexler SPD: Die CDU-Fraktion sagt doch dasselbe!)

Jetzt noch einmal zu der Forderung, die Sie in einem parlamentarischen Antrag erhoben haben, die Landesregierung möge durch „geeignete Maßnahmen“ – was immer sie auch sein mögen – dafür Sorge tragen, dass Pensionen, auf die zu Recht ein Anspruch besteht, schlicht nicht ausbezahlt werden. Sie wissen, dass dies rechtswidrig ist.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Diese Pensionen sind rechtmäßig. Ihre Forderung ist die Aufforderung zum Rechtsbruch. Man kann es nicht anders sagen.

Sie wissen ganz genau – das hat man daran gemerkt, dass Sie jetzt selbst eine Rechtsänderung vorschlagen –, dass das geltende Recht das, was Sie fordern, nicht hergibt. Die Rechtmäßigkeit der Pensionen können Sie nicht bestreiten.

(Zuruf des Abg. Schmid SPD)

Insofern sollten Sie – das hat unser Fraktionsvorsitzender gesagt – diesen Vorwurf auch zurücknehmen.