Protokoll der Sitzung vom 23.02.2005

Da kann man nur empfehlen: Machen Sie es im Bund in gleicher Weise.

Wir können uns mit dem, was wir unter den gegebenen Umständen erreicht haben, durchaus sehen lassen. Aber wir können dennoch – da stimme ich meinem Vorredner zu – nicht damit zufrieden sein. Zufriedenheit ist erst dann angebracht, wenn wir das strukturelle Defizit des Landeshaushalts, das bei etwa 3 Milliarden € liegt, tatsächlich abgebaut haben, wenn wir die Neuverschuldung null nicht nur anvisieren, sondern sie tatsächlich auch erreichen. Erst dann besteht Anlass zur Zufriedenheit, denn erst dann ist es geschafft, mit einer Politik Schluss zu machen, die beständig über ihre Verhältnisse und damit zulasten der folgenden Generationen lebt.

Wir haben in den letzten Jahren, meine Damen und Herren, hart daran gearbeitet, so weit wie möglich mit dem Ein

bruch auf der Einnahmeseite des Haushalts fertig zu werden. Wir haben ganz erhebliche Einsparungen bei den Personalausgaben des Landes vorgenommen. Das alles ist auch – um das vielfach auch gedankenlos gebrauchte Wort noch einmal zu strapazieren – strukturell wirksam.

Wir haben die Arbeitszeit der Beamten sowie die Deputatsund Lehrverpflichtungen erhöht und haben Tarifverträge gekündigt. Wir haben im Bereich der allgemeinen und der technischen Verwaltung einen ganz erheblichen Stellenabbau vollzogen und weitere Stellenabbauprogramme aufgelegt.

Wir haben die Verwaltungsstrukturreform auf den Weg gebracht, die den Landeshaushalt dauerhaft entlastet. Wir haben das Urlaubsgeld gestrichen, das Beihilferecht eingeschränkt und die Sonderzahlungen gekürzt.

Das alles hat uns bestimmt keine Freude gemacht und auch keine Freunde gebracht. Aber es war unabdingbar notwendig, um den Haushalt einigermaßen im Lot halten zu können.

Gleichzeitig aber gilt: Wir brauchen einen leistungsfähigen und einen hoch motivierten öffentlichen Dienst, einen öffentlichen Dienst, der auch gegenüber dem privatwirtschaftlichen Bereich konkurrenzfähig ist. Dies schließt aus, dass der öffentliche Dienst zur Manövriermasse der Haushaltspolitik wird.

Wir müssen Verlässlichkeit gewährleisten. Zur Verlässlichkeit gehört zwingend auch eine grundsätzliche Gleichbehandlung der verschiedenen Beschäftigungsgruppen des öffentlichen Dienstes. Schon aus diesem Grund ist der Tarifabschluss zwischen den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, dem Bund und den Kommunen, der ohne Zweifel auch eine Fülle durchaus positiv zu bewertender Elemente enthält, für das Land nicht übernehmbar. Der Herr Ministerpräsident hat darauf bereits hingewiesen.

Wir müssen alles daransetzen, auch im Tarifbereich zur 41Stunden-Woche zu kommen. Das gilt aus zwingenden haushaltspolitischen Gründen zum einen, insbesondere aber muss es zum anderen gelten, weil wir eine dauerhafte Ungleichbehandlung zwischen dem Beamtenbereich einerseits und dem Tarifbereich andererseits niemandem verständlich machen können. Der öffentliche Dienst hat Anspruch auf Fairness und Verlässlichkeit.

Verlässlichkeit und faire Partnerschaft sind auch die Stichworte, die das Verhältnis des Landes zu seinen Kommunen kennzeichnen müssen. Mir ist bewusst, dass die kommunalen Landesverbände dies durch die Maßnahmen des Haushaltsstrukturgesetzes 2005 verletzt sehen. Beide – Land und Kommunen – haben unter den wegbrechenden Steuereinnahmen der letzten Jahre schwer zu leiden gehabt. Ich kann deshalb gut nachvollziehen, wie jeder Bürgermeister, jeder Oberbürgermeister und jeder Landrat, die ohnehin schon genügend Schwierigkeiten damit haben, einen gesetzeskonformen, ausgeglichenen Haushalt aufzustellen, sich heftig dagegen zur Wehr setzen, wenn das Land die Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen zu seinen Gunsten verändert.

Ich kann nachvollziehen, wenn die Kommunen auf steigende Leistungsverpflichtungen insbesondere im Bereich gesetzlicher Sozialleistungen, vor allem bei der Eingliederungshilfe für Behinderte und im Bereich der Jugendhilfe, hinweisen. Aber diesen Ausgabeverpflichtungen auf kommunaler Ebene, die nur schwer eigenständig zu steuern sind, stehen entsprechende Pflichten auf der Landesebene in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und innere Sicherheit gegenüber.

Die Kürzungen in Höhe von jeweils 350 Millionen €, die Bestandteil dieses Haushalts sind, sind, wie ich meine, vertretbar. Denn im Durchschnitt beider Haushaltsjahre bleibt auch nach den Kürzungen der kommunale Anteil am Nettosteueraufkommen nach allen Finanzverteilungssystemen in etwa auf dem Niveau des Jahres 2004 – 2005 leicht unter und 2006 leicht über dem Wert von 2004. Das liegt daran, dass die Steuerschätzungen von Mai und November den Kommunen eine deutlich bessere Einnahmeperspektive zuschreiben als dem Land. Die Entwicklung des Jahres 2004 hat dies bereits eindeutig bestätigt.

Wir haben die Geltung der Entnahmen aus den kommunalen Finanzmassen ausdrücklich auf die beiden Jahre des Doppelhaushalts befristet. Wir müssen, meine Damen und Herren, die Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen immer wieder neu auf den Prüfstand stellen und auch zu Korrekturen bereit sein. Dem entspricht die Befristung der jetzt vorgenommenen Kürzungen.

Unabhängig von diesem Haushalt gilt es, gegenüber dem Bund die Interessen der Kommunen noch nachdrücklicher zur Geltung zu bringen, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Die Gemeinden sind darauf angewiesen – man kann es nur gebetsmühlenhaft immer wieder wiederholen –, dass das Konnexitätsprinzip nicht nur in der Landesverfassung, sondern endlich auch einmal im Grundgesetz verankert ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Hillebrand CDU – Abg. Kretschmann GRÜ- NE: Aber was nützt das Konnexitätsprinzip?)

Dass der, der bestellt, der anschafft, auch bezahlt.

(Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Wir sind doch jetzt beim Bund, Herr Kollege Kretschmann. Sie nehmen das Konnexitätsprinzip ja nicht in das Grundgesetz auf. Unsere Stimmen und auch die der CDU hätten Sie. Aber Sie wollen es ja nicht.

Soweit es das Land angeht, streben wir zur Entlastung der Kommunen ein zweites Gesetz an. Das scheint der FDP besonders wichtig zu sein. Es genügt nicht, Initiativen in Richtung Berlin zu ergreifen, sondern wir müssen dort, wo wir es können, auch selbst handeln. Wir dürfen und wollen ein solches Gesetz natürlich nur nach einem umfassenden Dialog mit den kommunalen Landesverbänden auf den Weg bringen. Aber wir sollten so zügig daran arbeiten, dass es möglichst mit dem ersten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan beraten werden kann.

Eine Politik einer immer weiteren Verschuldung nimmt künftigen Generationen Freiheits- und Gestaltungschancen.

Eine Haushaltskonsolidierung ist deshalb ein unverzichtbarer Bestandteil einer Strategie der Zukunftsgestaltung. Dasselbe Motiv der Zukunftssicherung und Zukunftsgestaltung erfordert aber auch, dass zukunftsnotwendige Investitionen in Bildung und Wissenschaft und in Forschung und Technologie getätigt werden, ohne die unser Land keine gute Zukunft haben kann; denn die Dynamik der Wissenschaft und der technischen Entwicklung und die Verschärfung des globalen Wettbewerbs erhöhen beständig die Bedeutung von Bildung und Wissenschaft und von Forschung und Entwicklung, gerade auch für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Landes und für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und damit für die Zukunftschancen der Bürgerinnen und Bürger von Baden-Württemberg.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg gehört national und international zu den führenden Forschungs- und Technologiestandorten. Während der Bund im letzten Jahr das Ziel ausgegeben hat, den Anteil von Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt mittelfristig auf 3 % zu erhöhen, liegt der Anteil, der von der Wirtschaft und der öffentlichen Hand aufgebracht wird, in Baden-Württemberg – man höre und staune – bereits bei 3,9 %. Das ist Spitze, darf aber natürlich kein Ruhekissen sein.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Unsere Hochschulen sind im nationalen Maßstab hervorragend aufgestellt. Bei einer weltweiten oder europäischen Betrachtung relativiert sich dieses Bild allerdings. Auch deshalb müssen wir verstärkt in den Forschungsstandort Baden-Württemberg investieren. Mit den Zukunftsoffensiven I bis III sind knapp 1,6 Milliarden € aus Privatisierungserlösen in die Bildung, Wissenschaft, Forschung und Entwicklung investiert worden. Wir werden dies fortsetzen und in diesem Jahr eine weitere Zukunftsoffensive zur Stärkung der Innovationskraft und der wissenschaftlichen Exzellenz in der Forschung auf den Weg bringen.

Zugleich wissen wir, dass die Ausstattung der Hochschulen auch im Bereich der Lehre deutlich verbessert werden muss. Wir werden den Hochschulen das Recht einräumen, von den Studierenden Studienbeiträge zu erheben, und dies so ausgestalten, dass niemand vom Studium abgeschreckt wird – Stichwort: nachlaufende Studienbeiträge –; denn wir wissen, dass unsere Gesellschaft in Zukunft nicht weniger, sondern eher mehr Personen mit akademischer Bildung und Ausbildung benötigen wird. Wir werden verlässlich dafür Sorge tragen, dass diese Studienbeiträge nicht in die allgemeine Finanzmasse des Landes einfließen,

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

sondern in vollem Umfang den Hochschulen zur Verfügung stehen.

Wir könnten auf vielen Gebieten noch weiter sein, wenn wir uns nicht immer wieder in letzter Konsequenz auch vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Bund zur Wehr setzen müssten,

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

der für sich immer wieder neu Kompetenzen insbesondere im Bereich von Bildung und Wissenschaft – Frau Kollegin Bregenzer, das wissen Sie sehr genau – reklamiert, die ihm nicht zustehen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Schef- fold CDU – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Wenn dies die Bundesregierung nach den letzten Niederlagen in Karlsruhe endlich anerkennen würde, könnte auch die dringend erforderliche Reform des Föderalismus eine echte Chance erhalten.

Bildungs- und Wissenschaftspolitik darf gerade in Zeiten knappster Kassen nicht in Stillstand geraten, sondern muss neue innovative Lösungswege suchen. In manchen Bereichen geht es nicht ohne zusätzliche Mittel. Die 5 500 zusätzlichen Lehrerstellen, deren letzte Anteile wir dem Bildungswesen mit diesem Haushalt zur Verfügung stellen, sind ein großer finanzieller Kraftakt; denn sie sind am Ende mit Kosten in Höhe von etwa 250 Millionen € pro Jahr verbunden. Das war notwendig, und wir sind stolz darauf, dass wir dieses Ziel erreicht haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Aber, Frau Ministerin, wir haben weit mehr geschafft: Wir haben den Schulanfang flexibilisiert und damit das reale Einschulungsalter deutlich gesenkt, und wir haben das achtjährige Gymnasium eingeführt. In der Grundschule ist ab Klasse 1 eine Fremdsprache flächendeckend eingeführt, die verlässliche Grundschule funktioniert. Wir haben seit 1996 schulische Ganztagsangebote kontinuierlich ausgebaut, lange bevor es das IZBB-Programm des Bundes überhaupt gab.

(Oh-Rufe von der SPD)

Wir haben die Eigenständigkeit der Schulen verstärkt und wollen auf diesem Weg gemeinsam vorangehen.

So notwendig es war, in Zeiten steigender Schülerzahlen zusätzliche Lehrerstellen zur Verfügung zu stellen, so selbstverständlich muss es sein, den Lehrerbereich mit zurückgehenden Schülerzahlen in die Programme eines kontinuierlichen Personalabbaus einzubeziehen. Wir gewinnen damit für die kommenden Haushalte auch Spielräume, bei der qualitativen Verbesserung des Schulwesens und dem weiteren Ausbau der Ganztagsangebote sowie bei dem Bemühen um eine angemessene Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft weiter voranzukommen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wir arbeiten daran, die Bildungschancen von Kindern unabhängig von Herkunft und sozialem Status weiter zu verbessern. Wir wissen, dass wir dabei so früh wie möglich ansetzen müssen. Kinderbetreuungseinrichtungen sind schon lange keine Verwahranstalten mehr, sondern Orte von Erziehung und Bildung. Dem Spracherwerb kommt dabei oberste Priorität zu. Ich füge hinzu: Dies gilt auch für die so genannte soziale Kompetenz. Das, was über die Landesstiftung bereits geschehen ist, ist nicht deswegen schlecht, weil der Opposition die ganze Landesstiftung nicht passt, son

dern es ist gut, weil es den Projekten von Bildung und Wissenschaft hilft. Es ist ein hervorragender erster Schritt, um dieses Ziel zu erreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Weitere Maßnahmen müssen folgen, um zu erreichen, dass jedes Kind mit dem Schuleintrittsalter auch tatsächlich alle Kriterien der Schulreife erfüllt. Weitere Maßnahmen werden folgen. Welche dies sind, haben Sie ja schon bei der Debatte zum Schuletat am vergangenen Donnerstag gehört.

Wenn Sie sich noch einmal vergegenwärtigen, was zum Beispiel in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik in den letzten Jahren geleistet worden ist, und wenn Sie dann – auch wenn Ländervergleiche bei der Opposition aus nachvollziehbaren Gründen nicht beliebt sind – noch einen Blick auf andere Länder werfen, werden Sie um die Feststellung nicht herumkommen, dass unser Land trotz aller Schwierigkeiten gut aufgestellt ist. Auch wir können uns nicht alles leisten, was wünschenswert wäre, aber wir haben die notwendigen Prioritäten für die Zukunft unseres Landes und die Zukunftschancen seiner Bürgerinnen und Bürger gesetzt.

Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Wir wissen, dass wir mit diesem Haushalt nur eine Etappe bewältigt haben. An unseren eigenen Ansprüchen gemessen reicht dies nicht aus. Aber anders als viele andere Länder sind wir in der Lage, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen. Weil wir wissen, welche Anstrengungen erforderlich waren, um allein dieses Ziel zu erreichen, lassen wir uns diesen Erfolg auch nicht kleinreden und niedermachen. Es muss aber unser Ziel bleiben, mittelfristig einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen. Die FDP/DVPLandtagsfraktion wird dafür kämpfen. Mit unserem Koalitionspartner CDU sehen wir uns in diesem Bemühen auf der richtigen Zielgeraden.

Meine Damen und Herren, die FDP/DVP-Landtagsfraktion stimmt dem Staatshaushaltsgesetz zu.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.